Höher, weiter, schneller. Das ist die Maxime, nach der "wir" funktionieren und nach der auch alles um uns herum funktionieren soll. Leasingzeiten möglichst kurz halten, neues Smartphone oder TV nach spätestens nach drei Jahren, die Klamotten aus der letzten Saison sind out. Wenigstens hält der Ehepartner mittlerweile statistisch gesehen länger als noch vor 15 Jahren.
Lange halten tut auch der Seat Alhambra, der dem Höher-, Schneller-, Weiter-Gedanken ebenfalls nicht folge leistet. Ihn gibt es in nahezu unveränderter Form seit fast zehn Jahren. Das ist bemerkenswert. Nicht nur, weil es in der Automobilindustrie außergewöhnlich ist, sondern auch deswegen, weil man sich nach wie vor wohl im Alhambra fühlen kann.
Hier und da ist das Alter erkennbar
Auch das Äußere hat in all den Jahren wenig gelitten. Was irgendwie einleuchtet, denn einen Kasten kann man meist nur marginal modernisieren. Schauen Sie sich dazu auch den VW Caddy an, der ist komplett neu – technisch. Am ehesten erkennt man äußere Neuerungen an Scheinwerfern und Rückleuchten. So strahlt auch der Alhambra vielfach mit LED-Technik – hinten zumindest. Da haben die Spanier also den Zeitgeist implementiert. Vorne leuchten die Augen gegen Aufpreis zwar ebenfalls weiß-bläulich.
Jedoch generieren die Helligkeit hier noch immer Gasentladungslampen mit Xenon gefüllt. Nachteile? Wir suchen sie noch. Dafür besitzt der Alhambra eine sehr homogene Lichtverteilung – zumindest dann, wenn es geradeaus geht. In die Kurve leuchten maximal die Nebelscheinwerfer. Dass das Xenonlicht in der Basisversion Style 950 Euro extra kostet, irritiert indes schon. Beim ebenfalls noch angebotenen Zwilling VW Sharan gibt es LED-Lampen für 827 Euro.
Die großen Schiebetore, die weit aufschwingenden Türen vorne und die große Heckklappe mit angenehmer Stehhöhe machen einen Van aus. All das passt zum Alhambra und empfängt bis zu sieben Insassen und (dann wenig) Gepäck in freudiger Erwartung. Wer die Sitze sechs und sieben im Unterboden eingeklappt lässt, wirft 658 Liter hinten rein. Gar 151 Liter mehr passen in den Fünfsitzer. Wer den Alhambra wählt, hat meist mehr als ein Kind in der Familie. Zwei bekommen hinten die integrierten Kindersitze mit "Ohrensessel-Funktion". Das passt oft, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, aber noch nicht vorne ohne jegliche Spezialvorrichtung sitzen dürfen. Die Kleinen freuen sich in dem Fall auch über das große Panorama-Schiebedach.
Seat Alhambra TSI
BildergaleriePlatz wie in der Küche
Aber selbst die Fahrt mit vier und gar fünf Erwachsenen lässt sich im Alhambra auf allen Plätzen sehr gut bewältigen. Luft ist in alle Richtungen vorhanden. Vorne gibt es angenehmes Gestühl, das auf Wunsch mit Alcantara und Leder aufgewertet werden könnte. Die Sitzposition ist für den Platz hinter dem Lenkrad noch etwas altbacken. Was das bedeutet? Setzen Sie sich mal auf Ihren Küchenstuhl, dann stellen Sie gedanklich eine gute Analogie her. Dennoch sind auch auf Küchenstühlen lange Sitzphasen auszuhalten. Im Alhambra gibt es als Extra eine Massagefunktion auf der Fahrerseite. Besser wäre wohl eine Pause mit etwas Dehnübungen – und die ist günstiger.
Wer kein Auto-Neuling ist, freut sich über eine Bedienung, die man kennt. Seit Jahrzehnten. Komplikationen treten eher selten auf aber neumodischer Kram wie Apple Carplay und AndroidAuto sind dennoch an Bord und werden auf dem recht kleinen Infobildschirm angezeigt. Reicht aus. Ebenso das analoge Kombiinstrument. Hierbei stört eventuell, dass hilfreiche Details wie eine Tempolimit-Erkennung entweder dauerhaft alleine eingeblendet werden – und nichts anderes – oder eben gar nicht.
Nur noch ein Benziner
Als Antrieb bietet Seat ausschließlich noch einen Benziner an. Der 1.4 TSI ist bekannt aus sämtlichen Konzern-Derivaten und verrichtet meist einen guten Job. Der Ottomotor war im Testwagen mit dem Doppelkupplungsgetriebe DSG verheiratet. Eine Ehe, die nach der Schließung zwar nicht mehr geschieden werden kann, obwohl einige das sicherlich gerne wollen würden. Denn das DSG agiert weder beim Rangieren noch beim Anfahren sonderlich sanft. Und auch beim Fahren auf der Autobahn findet sich nicht immer der passende Gang und man ertappt sich nicht selten im Manuell-Modus des Doppelkupplers – damit ist der Sinn eines Automatikgetriebes jedoch verfehlt. Aus dem Grund empfehlen wir den Sechsgang-Handschalter, sofern man noch selbst schalten mag. Da spart zudem 1.723 Euro. Der DSG-Aufschlag ist happig.
Der kleine TSI stellt 250 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung, was oftmals eigentlich ausreicht. Und dennoch lässt das DSG ihn unnötig hoch drehen, was ab zirka 4.000 Touren von einem unschönen Dröhnen begleitet wird. Generell hat der kleine Motor mit dem großen und schweren (rund 1,8 Tonnen) Auto ziemlich viel zu tun. Da hätte der aus dem Programm gestrichene Zweiliter-Benziner mit 200 PS sicherlich einen besseren Job erledigt und wäre im Realverbrauch wohl kaum durstiger gewesen.
Der Einsvierer bringt es auf gut acht Liter bei äußerst behutsamer Fahrweise und eher zehn bei Normaltempo. Autobahn-„Bolzen“ quittiert der Vierzylinder mit gut zwölf Liter und das "Bolzen" ist dann sehr subjektiv. Bei Tacho etwas Ü-200 ist der Dampf im Kessel längst weg und es kann keine Schippe nachgelegt werden.
Ab 2023 keine Vans mehr im VW-Konzern
So ist der Seat Alhambra vor allem eins: Ein ausgereiftes, komfortables und sehr geräumiges Automobil, das auf einer Länge von 4,85 Metern bis zu 2.430 Liter Ladung schluckt. Wer das oft ausreizt, kann die Niveauregulierung an der Hinterachse ordern, dann bleibt die Standhöhe und der Federweg stets vorhanden. Aber auch ohne Niveauregulierung und ohne adaptive Dämpfer (die sind unnötig) kann der Alhambra sicherlich überzeugen – gerade aus Komfortaspekten, wenn man es bei der Serienbereifung in 16 Zoll belässt. In der Basisvariante Style bleibt auch der Preis mit gut 30.000 Euro im Rahmen.
Das Produktionsende des Seat Alhambra wurde auf 2023 taxiert. Dann war es das wohl mit den großen Vans aus dem Volkswagen-Konzern. Wer dann Platz benötigt, greift zum Caddy oder stromert mit der Familie im ID.Buzz.