Beim Reizthema Hardware-Nachrüstungen deutet sich ein Kompromiss zwischen den zerstrittenen Lagern in der Bundesregierung und damit möglicherweise mehr Klarheit für Millionen Dieselfahrer an. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte am Montag in Berlin, nach dem Urteil zu Diesel-Fahrverboten in Frankfurt am Main in der vergangenen Woche sei man prinzipiell offen für Umbauten an älteren Autos. Man müsse alle Maßnahmen ergreifen, die Verbote verhinderten, sagte sie nach Sitzungen der Parteispitzen. Nun solle "dort, wo es sinnvoll und machbar ist, und auch schnell machbar ist, (...) über Hardware-Nachrüstungen gesprochen werden".
Im Vordergrund stünden zwar weiterhin Updates der Software oder etwa Flottenumrüstungen, betonte Kramp-Karrenbauer. Nun gebe es aber eine Situation, "wo augenscheinlich diese Maßnahmen nicht ausreichen".
Befürworter von Hardware-Eingriffen argumentieren, nur so lasse sich der Ausstoß schädlicher Stickoxide wirksam senken. Reine Software-Updates, die die Abgasreinigung über neue Programme der Motorsteuerung verbessern sollen, reichten nicht. Die Autoindustrie lehnt Umbauten an der Hardware in Pkw als technisch schwierig und zu teuer abgelehnt, ebenso das von Andreas Scheuer (CSU) geführte Verkehrsministerium. Auch Merkel hatte mehrfach Vorbehalte gegen solche Nachrüstungen deutlich gemacht, bis Ende September hatte sie eine Entscheidung zum Thema angekündigt. Die Grünen und die SPD dringen auf Eingriffe auch an der Abgas-Hardware.
Autoindustrie bleibt in der Pflicht
Kramp-Karrenbauer erklärte, schon im März habe auch die CDU deutlich gemacht, dass sie für Hardware-Nachrüstungen im Grundsatz offen sei – falls andere Schritte nicht ausreichten. Dieser Fall sei jetzt eingetreten. Die Verantwortung bleibe bei der Autoindustrie. Es müsse geklärt werden, "in welchen Fällen Hardware-Umrüstungen in einem vernünftigen Verhältnis von Aufwand und Ertrag wirklich umzusetzen wären". Sie gehe davon aus, dass dies in den kommenden Tagen näher in den Blick genommen werde, erklärte die CDU-Generalsekretärin.
Laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden droht Fahrern älterer Diesel 2019 in Frankfurt ein großflächiges Fahrverbot – ab 1. Februar für Diesel der älteren Schadstoffnorm Euro 4, ab 1. September auch für Euro 5. In Stuttgart sollen zum Jahreswechsel ebenfalls Verbote kommen, weil die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) an vielen Tagen im Jahr überschritten werden. In Hamburg gibt es auf zwei begrenzten Straßenabschnitten seit dem Mai Fahrverbote.
Nach Auskunft des Kfz-Gewerbes gebe es beispielsweise Fälle, "wo man die Autos relativ schnell nachrüsten kann, ohne dass zum Beispiel über die Neuzulassung noch mal geredet werden muss", sagte Kramp-Karrenbauer. Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen, der Städtetag, die Opposition und der Koalitionspartner SPD hatten schnelle Entscheidungen für Umbauten direkt an Motoren verlangt.
In der vergangenen Woche hatte sich der Streit zwischen Verkehrs- und Umweltministerium in der Frage zugespitzt. Im Fokus stehen die Kosten einer möglichen Nachbesserung der Abgasreinigung am Motor. Von 3.000 bis 11.000 Euro ist im Entwurf für den Abschlussbericht einer Expertengruppe die Rede, der am Freitag öffentlich wurde – und im Bundesumweltministerium für Ärger sorgte. Denn dort nennt man Stückzahl-Kosten von 1.000 bis 3.000 Euro. Für die Wirtschaftlichkeit der Nachrüstung würde das einen großen Unterschied machen.
"Es ist erstaunlich, wie sich das Verkehrsministerium einen Expertenbericht zurechtbiegen will, bis er zu seiner Position gegen Hardware-Nachrüstungen passt", sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Das SPD-geführte Umweltministerium werde die "Spielereien" des Verkehrsressorts "nicht akzeptieren und die politischen Veränderungen des Expertenberichts nächste Woche sachlich richtigstellen". (dpa)
MV