Von Peter Maahn/SP-X
Wie kaum eine andere Marke umkümmert Porsche seine Kunden. Familiensinn auf hohem Niveau, Kontaktpflege und Sportevents mit Selbsterfahrung auf Rennstrecken oder im Gelände. Da in Deutschland 90 Prozent der Porsche-Kunden gestandene Männer von im Schnitt 55 Jahren sind, fallen Ansprache und Angebot betont maskulin aus. Eine Herrenrunde im Dunstkreis von viel Geld, Benzingeruch und Traditionsbewusstsein. Doch die Stuttgarter Marketing-Experten müssen umlernen: Ausgerecht in dem Land, in dem Porsche die meisten Autos verkauft, gerät die heile Welt ins Wanken. Frauen ans Volant.
Es geht natürlich um China. Im Riesenreich hat der Anteil der Fahrerinnen der deutschen Edelprodukte die 30-Prozent-Marke übersprungen. Beliebteste Modelle bei der weiblichen Kundschaft sind Macan, 718 Boxster und Cayenne. Erstaunlich: Beim Ur-Porsche 911, dem rollenden Symbol scheinbarer Manneskraft, ist bald die Hälfte (42 Prozent) der Fahrersitze mit Frauen besetzt. Selbstbewusst, unabhängig, mutig und selten älter als 35 Jahre - eine interessante Zielgruppe für Porsche also.
Neuer Markenspielplatz in Shanghai
Shanghai, ein riesiges Gelände in Tuchfühlung zur Formel-1-Strecke. Hier hat Porsche mit einer großen Show jetzt sein sechstes "Experience-Center" eröffnet. In Leipzig entstand vor 16 Jahren der erste Markenspielplatz dieser Art, weitere folgten z.B. in Le Mans, Los Angeles oder auch Silverstone bei London. Vertriebsvorstand Detlev von Platen erklärt, warum sich Porsche diese teure Art von ständiger Kundenpflege wie in Shanghai gerne leistet. "Hier können die Besucher in das Porsche-Universum eintauchen, die puren Fans können ihre Passion zur Marke ausleben".
Es gibt eine Rennstrecke, einen Geländeparcours, eine extrem glatte" Schleuderplatte" und vieles mehr zum Üben und Erfahren. Die Besitzer z.B. eines "Elfer" oder Cayenne können sich auf Asphalt oder Offroad-Geröll unter Anleitung eines Profis an die Grenzen ihrer eigenen Fahrkunst herantasten. Im eigenen Auto natürlich. Wer einmal den Grenzbereich erkunden will, ist als Co-Pilot eines sachkundigen Rennfahrers gut aufgehoben. Vorstand von Platen, auch für Marketing zuständig, ergänzt: "Neben dem Fahrerlebnis offerieren wir natürlich auch Einblicke in Historie, Gegenwart und Zukunft der Marke, bieten ein First-Class-Restaurant, Veranstaltungsräume oder organisieren Events. Ein Konzept, dass sich in den bereits bestehenden Porsche-Experience-Centern bestens bewährt hat". Doch China ist anders, eben auch wegen der für Porsche ungewohnten Stärke der weiblichen Kunden.
Wie zum Beispiel Christin. Sie hat einen europäischen Namen, ist aber Chinesin, hat in den USA gelebt und leitet jetzt in ihrer Heimat ein Internetportal. Offenbar so erfolgreich, dass die bald 30-Jährige einen Cayenne besitzt ("weil ich oft so viel Zeug transportieren muss"), aber auch gerne bei Events auf abgesperrten Strecken mit einem 911 um die Ecken driftet. Sie will vom aus Stuttgart angereisten Top-Manager wissen, was "Porsche denn Kundinnen im neuen Center zu bieten hat". Detlev von Platen braucht nur kurze Bedenkzeit: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich unsere weiblichen Kunden für die gleichen Themen und Aktivitäten interessieren wie die männlichen."
Den Traum vom Traumwagen erfüllen
Christin sagt später: „Das gilt sicher eher für andere Länder, wo die Frauen eben nicht so stark vertreten sind. Bei uns jedenfalls sind die Liebe zu einem Porsche und das Interesse an Mode, Kosmetik oder anderen typisch weiblichen Themen kein Widerspruch". Insofern wünscht sich die resolute Chinesin, dass es in dem neu eröffneten Center auch Programme für die Kundinnen gibt. "Ganz speziell für uns und nicht als Beiprogramm für irgendeinen Event unserer Männer", lacht Christin und wird dann wieder ganz ernst: "Dass es in China so viele erfolgreiche Frauen gibt, die dann auch gerne einen Porsche fahren, liegt natürlich in der Altersstruktur und an der Chancengleichheit zwischen Mann und Frau."
In der Tat: Generell sind die Besitzer europäischer Autos in China deutlich jünger als anderswo. Das gilt für Frauen und Männer. Im Fall Porsche liegt der Schnitt bei 35 Jahren. Eine Generation, die für den Auto-Boom sorgt und im Gegensatz zu ihren europäischen Altersgenossen auch Neuwagen kauft. Erfolg im Beruf dank guter Ausbildung oder innovativer Ideen führt oft zu hohen Einkommen. Und letztlich eben auch dazu, dass sich jüngere Menschen als bei uns in den prosperierenden Megacitys den Traum vom Traumwagen erfüllen können.
Obwohl derzeit noch keine Modenschauen oder Parfüm-Premieren auf dem Programm stehen, kann das Porsche-Center in Shanghai sicher Vorreiter für die Partnerstandorte sein, demnächst übrigens auch für das geplante Center Nr. 8 in Hockenheim. Die Woman-Power aus Shanghai als Rezept für Leipzig und Co.?