Die Fusions-Querelen bei VW und Porsche reißen zusehends unnötige Löcher in die Kasse des Stuttgarter Sportwagenbauers. Da Porsche wegen offener Fragen noch nicht komplett unter dem Volkswagen-Dach steht, mussten die Schwaben im internen Teilehandel mit den Wolfsburgern allein vergangenes Jahr einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich berappen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa übereinstimmend von mehreren mit der Kalkulation vertrauten Personen aus Kreisen beider Unternehmen.
Demnach schlägt VW auf Teile wie etwa Motoren zehn Prozent auf. Eine mit der Teileversorgungskette vertraute Person sagte dpa, alle bei einem Zusammenschluss vermeidbaren Zusatzkosten - inklusive des Teilehandels - hätten für Porsche 2011 bei rund 350 Millionen Euro gelegen. Damit entfiele die Hälfte der von beiden Wunschpartnern als mögliche jährliche Spargröße ausgerufenen 700 Millionen Euro auf Porsche. Hintergrund: Würde VW schon jetzt mit Freundschaftspreisen abrechnen - so wie es etwa bei der 100-prozentigen Tochter Audi erlaubt ist - könnten die Aktionäre gegen diese Kalkulation klagen.
Auslöser sind aktienrechtliche Vorschriften, wonach sich die Partner ohne erfolgte Fusion wie fremde Unternehmen behandeln müssen. Porsche und Volkswagen wollten die dpa-Informationen mit Verweis auf Firmeninterna nicht kommentieren. Beide hatten wiederholt angegeben, dass sie mit einem Zusammenschluss mindestens 700 Millionen Euro pro Jahr sparen könnten - diese Summe sei «identifiziert» und könne noch steigen. Ein Großteil davon sei aktuell nicht anzupacken. Bisher hält VW über eine Zwischenholding 49,9 Prozent an Porsches Geschäft mit den Sportwagen (Porsche AG). 50,1 Prozent hat die Porsche-Mutter SE.
Auf dieser Dachgesellschaft lasten diverse Milliardenklagen und lassen daher die Fusionspläne seit Monaten erstarren. Die Ansprüche gegen die Porsche SE resultieren aus dem verlorenen Übernahmekampf der Schwaben gegen die Wolfsburger - Anleger fühlen sich rückblickend fehlinformiert und betrogen. Die einstigen Feinde wollen inzwischen unter ein Dach - doch für VW sind die Prozessrisiken zu heikel. Als Folge dürfen die Unternehmen ihre Geschäfte miteinander noch nicht so günstig gestalten, wie es ihnen im angestrebten gemeinsamen Konzern möglich wäre. Das hatte Porsche-Chef Matthias Müller Ende 2011 in einem Interview mit dem "Handelsblatt" auch eingeräumt: "VW müssen wir wie ein fremdes, drittes Unternehmen behandeln - und VW uns", sagte der Manager. "Entsprechend bekommt der Konzern von uns Rechnungen mit einem Gewinnaufschlag präsentiert - und wir von VW."
Motoren von VW
Porsche bezieht unter anderem Motoren für den Cayenne und Panamera von VW. Es gibt viele weitere "Gleichteile". So ist der Cayenne ein halber Touareg. Außerdem entwickelt Porsche zwei sogenannte Baukästen für VW. Mit dieser Strategie markenübergreifender Puzzleteile lässt sich gut sparen - von Entwicklung über Einkauf bis hin zu Produktion. Der Kunde sieht später nicht, dass vieles gleich ist. Der Motor wird anders verkleidet, Getriebe und Elektronik liegen ohnehin versteckt. Porsches jüngstes Modell - der kleine Geländewagen Macan - wird ebenfalls auf konzernkompatibler Basis gebaut. Nach dpa-Informationen sind beispielsweise Audi-Motoren vorgesehen. Der Macan dürfte als Porsche-Einsteigermodell aller Erfahrung nach margenschwächer sein.
Umso wichtiger sind die Einspareffekte mit Hilfe der VW-Regale, die sich derzeit noch nicht voll realisieren lassen. Ende 2013 soll die Produktion des Macan anlaufen. Bis dahin müsste die Rechnung mit den Freundschaftspreisen aufgehen - Porsche also ganz eingemeindet sein. Im Gespräch mit dem "Handelsblatt" nannte Müller beim Thema Einkaufspreise keine präzisen Summen, machte jedoch klar, dass es dabei um "nennenswerte Beträge" gehe. Addiert man 350 Millionen Euro Einsparung auf das operative Ergebnis der Porsche AG aus 2011, würde die Umsatzrendite von 18,7 Prozent auf 22 Prozent steigen.
Neu sind diese finanziellen Ärgernisse allerdings nicht, denn VW und Porsche arbeiten schon seit langer Zeit zusammen, ohne dass sie komplett unter Gemeinschaftsdach stehen. Und dennoch dürften die juristischen Altlasten der Mutter Porsche SE den erfolgreichen Sportwagenbauern bei der Tochter Porsche AG immer saurer aufstoßen. (dpa)
Christopher Kiel
Michael Hansmann