Bei Europas größtem Autobauer Volkswagen kommt die geplante interne Nutzfahrzeug-Allianz nicht zur Ruhe. Neustes Kapitel ist ein handfester Streit um den ehemaligen Nutzfahrzeugvorstand Leif Östling. Während das Wirtschaftsmagazins "Bilanz" am Freitag meldete, das Tischtuch zwischen dem Schweden und Volkswagen sei zerschnitten, brauchte der Konzern Stunden für eine Reaktion zum Verbleib des Top-Managers. Dann hieß es am Nachmittag knapp: "Wir bestätigen, dass Herr Östling seit dem 1. März als Vorstandsmitglied der Volkswagen AG ausgeschieden ist. Er ist weiterhin beratend für die Volkswagen AG tätig. Weitergehende Spekulationen kommentieren wir nicht."
Den Querelen vorausgegangen war eine hoch umstrittene Östling-Aussage zur VW-Mitbestimmungskultur, mit der die schwedische Tageszeitung "Svenska Dagbladet" den 69-Jährigen zitiert hatte. Der Aufruhr reiht sich in eine lange Reihe an Negativschlagzeilen, die die geplante Nutzfahrzeugallianz im VW-Konzern in den vergangenen Jahren einfuhr.
Seit Anfang März taucht Östlings Name im VW-Internetauftritt nicht mehr in der Reihe der Top-Chefetage auf. Das war auch absehbar, weil Ex-Daimler-Vorstand Andreas Renschler Östlings Amt Anfang Februar übernommen hatte. Dieser Wechsel ist schon seit einem Jahr offiziell.
Damals teilte der Konzern mit, Östling werde "auch weiterhin eine bedeutende Rolle in den Aufsichtsgremien des Volkswagen-Konzerns für den Nutzfahrzeugbereich spielen". Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war ursprünglich eine gewisse Übergabezeit zwischen Renschler und Östling geplant, erst dann sollte er Aufseher werden.
"Bilanz" berichtete jedoch unter Berufung auf Konzernkreise, dass Östlings ursprünglich geplante Rolle als Aufsichtsrat im Ressort für die Nutzfahrzeugallianz nun doch nicht wie geplant umgesetzt werde. Ein Konzernsprecher wollte sich dazu nicht äußern - obwohl Volkswagen mit der Reschler-Verpflichtung vor einem Jahr Östlings "bedeutende Rolle in den Aufsichtsgremien" selber mitgeteilt hatte. Ob diese Aussage nun hinfällig ist oder Bestand hat, blieb Freitag unklar.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll Östling seinen Nachfolger Renschler bis Ende August beraten, was mit der knappen Aussage des Konzerns übereinstimmt. Nach dpa-Informationen steht der Schwede noch bis September unter Vertrag.
Aussage sorgt für Irritationen
Jüngster Höhepunkt in dem ganzen Hick-Hack ist laut "Bilanz" eine Östling-Aussage im "Svenska Dagbladet", die er diese Woche auf der Automesse in Genf machte. Dabei geht es um die Mitbestimmung der Mitarbeiter bei Scania. Östling habe dem Blatt wider besseres Wissen gesagt, dass die Scania-Belegschaft bei Werksverlagerungen oder -schließungen kein Vetorecht besitze - so wie üblich im VW-Konzern.
VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh verteidigte die starke Mitbestimmungsmacht auch bei Scania gegen Östlings Angaben. "Die Aussage von Herrn Östling, dass es keine Veto-Rechte für unsere schwedischen Gewerkschaftskollegen gibt, ist falsch", sagte Osterloh der dpa. Der VW-Konzern hatte Scania im Frühling 2014 komplett übernommen. Osterloh weiter: "In den Scania-Verträgen haben wir dies genau so festgelegt. Die Gewerkschaften von Scania, der Betriebsrat von Volkswagen und der Vorstand von VW stehen hierfür gemeinsam ein." Das gehöre in dieser Art zur "Volkswagen-Kultur".
Seit Jahren müht sich VW, eine schlagkräftige Allianz aus den drei Nutzfahrzeugmarken MAN aus München, Scania aus Schweden und VW-Nutzfahrzeuge (VWN) aus Hannover zu formen. Das Trio soll hohe Einsparmöglichkeiten einfahren. Doch immer wieder gab es Rückschläge. Erst der milliardenteure Komplettkauf von Scania schaffte 2014 neue Vorzeichen. Zudem verpflichtete VW mit Renschler einen Externen, der das Projekt nun auf Vordermann bringen soll.
Die Konzernallianz der schweren Nutzfahrzeuge von Scania und MAN soll bei Volkswagen unter das Dach einer eigenen Truck-Holding. Für sie soll es einen eigenen Aufsichtsrat geben. Nach dpa-Informationen soll auch dieses Aufsichtsratsgremium in Anlehnung an die Gegebenheiten des Konzernaufsichtsrates gestaltet werden - inklusive Veto-Recht. (dpa)