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Kritik nach Diesel-Gipfel: Fahrverbote nicht vom Tisch

03.08.2017 14:00 Uhr
Kritik nach Diesel-Gipfel: Fahrverbote nicht vom Tisch
Nach dem Diesel-Gipfel gibt es massive Kritik.
© Foto: picture alliance / Marijan Murat/dpa

Politik und Konzerne haben sich zusammengesetzt, um Millionen Diesel sauberer zu machen. Die Ergebnisse sind nicht nur der Opposition zu wenig. München rechnet weiterhin mit Fahrverboten.

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Auch nach dem Dieselgipfel der Bundesregierung drohen in München Fahrverbote. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) befürchtet, "dass die versprochenen Software-Updates für neuere Fahrzeuge und die finanzielle Unterstützung für die Besitzer älterer Autos nicht ausreichen werden, um die Gesundheit der Menschen in den Städten zu schützen". Die Umrüstung von rund 5,3 Millionen neueren Dieselfahrzeugen und Rabatte für den Neukauf könnten nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. "Weitere (Schritte) werden zwingend folgen müssen", sagte Reiter am Donnerstag in München.

Die bayerische Landeshauptstadt werde die Wirksamkeit der beschlossenen Maßnahmen zeitnah mit eigenen Messstationen überprüfen. "Ich persönlich hatte gehofft, dass die Autoindustrie zumindest stufenweise wirksame Hardware-Umrüstungen anbietet und dafür die Kosten übernimmt, um sicherzustellen, dass Fahrverbote vermieden werden können", kritisierte Reiter. Die Gesundheit der Bürger stehe an erster Stelle. In München werden die Stickstoffdioxid-Grenzwerte vielerorts massiv überschritten. In einem Viertel aller Hauptstraßen liegt die tatsächliche Belastung darüber. Reiter hatte deshalb vor einigen Wochen erstmals laut über Diesel-Fahrverbote nachgedacht.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt verteidigte am Donnerstag die beim Dieselgipfel erzielten Vereinbarungen mit der Autobranche. Er sei "ganz zuversichtlich, dass wir mit diesen Entscheidungen Fahrverbote vermeiden", sagte der CSU-Politiker am Donnerstag am Rande eines Gesprächs mit Obleuten mehrerer Bundestagsausschüsse. So seien für alle 28 deutschen Städte mit besonders hoher Luftverschmutzung eigene Analysen und Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung vorgesehen.

Bedeutend seien neben Software-Updates von Autos der Emissionsklassen Euro 5 und 6 auch die von den deutschen Herstellern zugesagten Umstiegsprämien für Besitzer älterer Diesel-Modelle, sagte Dobrindt. "Das wird erst in den nächsten Tagen auch richtig wahrgenommen werden, wenn die Automobilunternehmen konkret die Angebote bekanntgeben."

Scharfe Kritik

Die beim Dieselgipfel zugesagten Nachbesserungen zur Schadstoff-Senkung haben aber auch scharfe Kritik und weitergehende Forderungen ausgelöst. "Die Automobilbranche muss von ihrem hohen Ross herunter und wieder mehr ihrer Verantwortung für die Gesellschaft und für ihre Kunden gerecht werden", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der 'Passauer Neuen Presse' (Donnerstag). Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte der 'Bild'-Zeitung, für die Industrie beginne nun die Bewährungszeit. "Weitere Maßnahmen müssen folgen." Mit Blick auf möglicherweise drohende Fahrverbote in mehreren Städten betonte er: "Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung gelten."

Beim Dieselgipfel hatten die deutschen Hersteller neue Abgas-Software für rund 5,3 Millionen Autos zugesagt, um den Ausstoß des Atemgiftes Stickoxid zu verringern. Darunter sind auch 2,5 Millionen Fahrzeuge von Volkswagen, für die nach dem Skandal um manipulierte Abgaswerte schon Nachrüstungen angeordnet wurden.

Zusätzliche Umbauten am Motor, die wesentlich teurer wären, lehnte die Branche allerdings ab. Die Hersteller wollen den Kauf neuer, sauberer Autos mit Prämien ankurbeln, die sie selber zahlen. An diesem Donnerstag sollen die Obleute mehrerer Bundestagsausschüsse von der Bundesregierung über die Gipfel-Ergebnisse informiert werden.

"Eine Farce"

Die Grünen reagierten enttäuscht. "Mit ihrer Weigerung, wirksame Nachrüstungen bei den Hersteller durchsetzen, sind Union und SPD verantwortlich für Fahrverbote, die Gericht vermutlich jetzt durchsetzen werden", sagte Fraktionsvize Oliver Krischer der Deutschen Presse-Agentur. Linke-Chef Bernd Riexinger nannte den Gipfel eine Farce. Statt klare Kante zu zeigen, habe man sich mit der freiwilligen Zusage von Softwareupdates abspeisen lassen.

Die SPD forderte mehr Tempo bei der Entwicklung neuer Antriebe. "Damit es endlich mehr Elektrofahrzeuge gibt, brauchen wir eine feste Quote für die Hersteller, wie viele Elektrofahrzeuge sie anteilig an der Gesamtflotte produzieren müssen", sagte Fraktionsvize Sören Bartol. Für kleine und mittelständische Firmen sollte es steuerliche Sonderabschreibungen für Flotten-Umrüstungen auf E-Fahrzeuge geben.

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, sagte, Bund und Autobranche hätten den Gipfel "vor die Wand gefahren". Die Chance sei vertan worden, Kunden mit Entschädigungen, verbindlichen Garantien und klaren Informationen entgegenzukommen. Die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Eva Lohse, sagte der 'Rheinischen Post' (Donnerstag): "Wir wollen Fahrverbote vermeiden, aber sie sind nicht völlig vom Tisch." Der Schlüssel dafür, dass dies nicht passiere, liege bei den Autoherstellern.

"Reine Showveranstaltung"

Als "Marionettenshow von Bund, Ländern und Autoindustrie" kritisierte Jürgen Resch, der Leiter der Deutschen Umwelthilfe, den Diesel-Gipfel. Das Ergebnis hätten die Autokonzerne der Politik bereits Tage zuvor diktiert. "Der Diesel-Gipfel war eine reine Showveranstaltung. Es geht nur darum, zu versuchen, sich über die Bundestagswahl am 24. September zu retten", sagte Resch der 'Passauer Neuen Presse'. Es gebe eine "Fortsetzung der bisherigen eheähnlichen Beziehungen von Automobilindustrie und Politik". Am Ende entscheide bei Fragen der Luftreinhaltung und CO2-Vorgaben die Autoindustrie.

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sprach dagegen von einer Kampagne gegen den Dieselmotor, die die exportstarke deutsche Autobranche angreife: "Sie ist eine von Lobbyisten in Brüssel und Berlin initiierte Hexenjagd, die vor allem dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet und damit rund eine Million von Arbeitsplätze gefährdet." (dpa)

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KOMMENTARE


UE

03.08.2017 - 11:39 Uhr

wenn man bedenkt, dass die Grünen / die roten / Greenpeace / Resch gerne beim Erreichen einer Feinstaubkonzentration von 40 Mikrogramm pro m³ Stadtluft Fahrverbote fordern, andererseits aber der Grenzwert für Feinstaub in deutschen Büroräumen bei 940 Mikrogramm pro m³ Luft liegt, dann stellt man sich Grundfragen! Die "Show" machen hier doch die Grünen und die Roten zusammen mit dem Toyotafahrer Resch! Was nutzt es denn, wenn ich 10 min. morgens und Abends mit dem Rad durch die Stadt fahre und "saubere" Luft atme, dafür aber am Tage 8 bis 10 Stunden im Büro der bis zu über 20-fachen Feinstaubkonzentration ausgesetzt bin?


Andreas

06.08.2017 - 12:57 Uhr

Dass nun gebetsmühlenartig und je nach politischer Coleur beruhigt, bzw. kritisiert wird, verwundert nicht, langweilt aberextrem. Am ehesten kann man bei diesem Thema wohl Volker Kauder Recht geben, der die gesellschaftliche Verantwortlichkeit der Unternehmen einfordert. Für einen Christdemokraten zeugt das ja fast von Heldenmut ;-)Gerade die Autobauer haben sich doch mittlerweile komplett dieser Verantwortung entzogen: sie bauen hervorragende Produkte auf der einen Seite, auf der anderen tricksen und betrügen sie, unterhöhlen durch Leiharbeit und "Steuervermeidung" die soziale Balance, fühlen sich ausschließlich ihrem Profit verpflichtet und führen Gesellschaft und Politik, soweit letztere nicht ohnehin schon "lobbyisiert" ist, am Nasenring durch die Manege.Anstatt die Dieselthematik als Chance zur Besinnung und Neuorientierung zu nutzen, wird seitens de Industrie als "Lösung" ein Minimalergebnis präsentiert, das auch vor dem "Gipfel" seitens VW und Daimler schon zugesagt war. Die teurere, aber glaubwürdige Hardwarelösung bleibt aus wirtschaftlichen Gründen auf der Strecke - und die Regierung als ordnungspolitisches Korrektiv greift nicht durch, sondern stimmt zu und ist es zufrieden.


Bernd Schürmann

07.08.2017 - 17:26 Uhr

Die bei dem Dieselgipfel vereinbarten Software Updates sind noch nicht ausgeliefert,aber die Schar derer, die schon wissen, dass das Update zu wenig Wirkung zeigt ist schon sehr groß. Das überrasscht mich in der aktuellen Diskussion, bei der es schon längst nicht mehr um Fakten geht, leider nicht mehr. Woher stammt das Wissen dann?? Vielleicht aus der romantischen Vorstellung, dass ein erfolgreicher Werksattaufenthalt immer mit Schraubenzieher und Hammereinsatz einhergeht. Das war füher auch mal so! Heute sind unsere Fahrzeuge mit dem Internet verbunden, navigieren Satelitenuntersützt und fahren mit Assinstenssystem teilautonom. Ganz ohne Schraubenzieher und Hammer.


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