Der Abgas-Skandal wirft den VW-Konzern finanziell aus der Bahn: Europas größter Autobauer muss nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wegen der Diesel-Affäre in seiner Bilanz für das Jahr 2015 rund 16,4 Milliarden Euro zurückstellen. Damit droht der mit Abstand größte Jahresverlust in der Unternehmensgeschichte.
Mit den 16,4 Milliarden Euro Puffer für die bisher absehbaren Kosten der Diesel-Krise steigen die Rückstellungen nach bereits erfolgten Rücklagen im dritten Quartal noch einmal um fast zehn Milliarden Euro an. Das erfuhr die dpa in der Nacht zum Freitag aus sicheren Quellen. Damit fallen die Rückstellungen zunächst deutlich geringer aus, als bislang von Experten und Kritikern vermutet. Bis zu 30 Milliarden Euro waren noch vor einigen Tagen befürchtet worden.
Mit dem Polster in nun zweistelliger Milliardenhöhe steuert Europas Branchenprimus auf den größten Verlust in der Konzerngeschichte zu. Im Jahr 1993 hatte es zuletzt einen Jahresfehlbetrag gegeben: 1,94 Milliarden D-Mark, also rund eine Milliarde Euro. Weitere Verluste in den 1980er und 1970er Jahren waren weitaus geringer. Damals jedoch war der Konzern auch nur der Kern dessen, was er heute ist: Ein Reich mit zwölf Marken, einer der größten Banken Europas und weltweit gut 600.000 Mitarbeitern. Volkswagen ist Deutschlands größter Konzern.
Im Jahr 2014 hatte der Konzern unter dem Strich rund elf Milliarden Euro verdient. Details für das Jahr 2015 sind zu diesem Posten, der sich nach dem Finanzergebnis und Steuern ergibt, noch unbekannt. Allerdings hatte der Konzern zuletzt erklärt, dass sein operatives Geschäft - also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) - in etwa auf dem Vorjahresniveau von 2014 liege, wenn man die Sondereffekte der Diesel-Krise mit ihren Rückstellungen außen vor lasse. Damals waren 12,7 Milliarden Euro Ebit zusammengekommen. Damit ist zumindest rein rechnerisch absehbar, dass für 2015 ein Rekordverlust droht.
Offizielle Eckzahlen am Freitag
Im dritten Quartal hatte Volkswagen in einem ersten Schritt bereits 6,7 Milliarden Euro Puffer für die Rückrufe der manipulierten Wagen zurückgestellt. Offizielle Eckzahlen zur Jahresbilanz werden für Freitag erwartet. Dann tagt der VW-Aufsichtsrat und segnet die Geschäftszahlen ab. Diesem Beschluss der Kontrolleure folgt in der Regel unverzüglich eine Pflichtmitteilung an die Finanzwelt.
Bisher noch nicht genau ermittelte Mitarbeiter im VW-Konzern hatten vor rund zehn Jahren entschieden, eine Software in Diesel-Motoren einzubauen, die Testsituationen im Prüflabor bei Behörden erkennt und die Abgas-Werte drosselt. Das versteckte Programm sollte bei rund elf Millionen Dieseln mit dem Motor EA189 zum Einsatz kommen, bis der Skandal Ende September 2015 aufflog. Seither steckt Europas größter Autobauer in der größten Krise seiner gut 70-jährigen Geschichte.
Am Donnerstag hatte VW in den USA, dem Epizentrum des dort entdeckten Skandals, einen wichtigen Meilenstein erreicht: Der für das zentrale Bündel an Klagen zuständige Richter Charles Breyer billigte Grundzüge einer Einigung zwischen Volkswagen und Klägern. Das gilt als der Einstieg in einen Vergleich, der den Wolfsburgern einen Mammutprozess mit vermutlich am Ende noch größeren finanziellen Risiken erspart.
Wie teuer die Software-Manipulationen VW am Ende zu stehen kommen, ist indes auch mit den jüngsten Rückstellungen allenfalls ein Stück besser, aber noch lange nicht endgültig absehbar. Weitere Schritte, mit denen weitere Risiken besser als heute einzuschätzen sind, könnten neue Rückstellungen nach sich ziehen. Volkswagen sieht sich entlang des ganzen Erdballs mit Ermittlungen, Klagen, Strafen, oder etwa Forderungen nach Subventionsrückzahlungen konfrontiert. (dpa)