Im Kampf gegen zu viele Diesel-Abgase in deutschen Städten gibt es Streit über rechtliche Möglichkeiten, die Hersteller zu Hardware-Nachrüstungen bei älteren Autos zu verpflichten. Eine von der Bundesregierung beauftragte Expertengruppe konnte dazu "keine einheitliche Positionierung" erreichen, wie es in einem neuen Entwurf des Abschlussberichts heißt. Die Mehrheit der Experten sieht demnach keine Möglichkeit dafür, da bei der Erteilung der Typgenehmigung die Anforderungen erfüllt worden seien und die Wagen sich "rechtmäßig im Verkehr befinden". Dagegen erkennen einzelne Länder und Verbände "rechtliche Anknüpfungspunkte" für eine solche Verpflichtung, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die Arbeitsgruppe war neben anderen nach dem Dieselgipfel von Politik und Autobranche im Sommer 2017 eingesetzt worden. Ergebnisse werden mit Spannung erwartet, da die Bundesregierung seit Monaten uneins bei Hardware-Nachrüstungen ist, die die deutschen Hersteller ablehnen. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert Umbauten an Motoren, um den Schadstoffausstoß über Software-Updates hinaus stärker zu senken. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist bei Pkws dagegen, will Hardware-Nachrüstungen aber für Kommunalfahrzeuge etwa der Feuerwehr.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte der dpa, Scheuer solle seine Blockadehaltung gegen Hardware-Nachrüstungen auf Kosten der Hersteller aufgeben. Falls das nicht geschehe, mache er sich "zum Fahrverbotsminister, da Gerichte weitere Fahrverbote in unseren Innenstädten verhängen werden". Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die ebenfalls Bedenken deutlich gemacht hat, will bis Ende September Klarheit in der Koalition herbeiführen.
Nachträglich angeordnete Nachrüstung möglich
Zu Möglichkeiten einer Verpflichtung der Hersteller gibt es in dem Entwurf der Expertengruppe von Donnerstag Sondervoten. So könnten auch bei bestandskräftig gewordener Typgenehmigung Nebenbestimmungen "mit dem Ziel einer verpflichtenden Nachrüstung" nachträglich angeordnet werden, argumentiert unter anderem Rheinland-Pfalz. Der Verbraucherzentrale Bundesverband schlägt vor, Hersteller zum Angebot einer Nachrüstung an die Autobesitzer zu verpflichten - diese sollten dann in angemessener Frist entscheiden, ob sie teilnehmen.
Schätzungen zu Kosten von Hardware-Nachrüstungen gehen laut dem Entwurf weit auseinander. Während spezialisierte Unternehmen von etwa 3.000 Euro pro Pkw ausgingen, rechneten Hochschulprofessoren mit Kosten über 5.000, teils bis zu 11.000 Euro. Die Schätzungen sind wichtig, weil Union und SPD ihre Haltung zu Hardware-Nachrüstungen laut Koalitionsvertrag davon abhängig machen wollen, ob sie "technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar" sind.
Mehrverbrauch und weniger Stickoxide
"Grundsätzlich" halten die Experten den Einbau von SCR-Katalysatoren zur Abgasreinigung mit einer Harnstofflösung für technisch möglich, "wenn der Bauraum vorhanden ist", wie es im Berichtsentwurf heißt. Wie stark der Spritverbrauch steigen würde, lasse sich pauschal nicht angeben. Messungen an Prototypen und Aussagen von Experten ließen bis zu zehn Prozent mehr erwarten. Der Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide könne um 50 bis 95 Prozent reduziert werden.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) schlug vor, Nachrüstungen von einem unabhängigen Prüfinstitut testen zu lassen. "Wenn ein neutraler Gutachter - wie TÜV oder Dekra - einen Mustereinbau durchführen würde, könnte jeder sehen, dass die Einwände der Hersteller stimmen: Diesel-Hardware-Nachrüstungen sind zwar technisch möglich, aber sehr aufwendig", sagte VDA-Präsident Bernhard Mattes der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag). (dpa)
Frank Ehmann