Nach dem Urteil zu Diesel-Fahrverboten in Frankfurt am Main wächst der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU), den Weg für Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel zu ebnen. Wenige Wochen vor der Wahl in Hessen forderten die schwarz-grüne Landesregierung, aber auch der Städtetag, die Opposition und der Koalitionspartner SPD schnelle Entscheidungen für Umbauten direkt an Motoren. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte am Donnerstag in Berlin: "Ich erwarte, dass die Kanzlerin jetzt den Verbraucherinnen und Verbrauchern hilft, die Diesel-Fahrzeuge haben." Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bekräftigte dagegen sein klares Nein zu Hardware-Nachrüstungen.
SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte der Deutschen Presse-Agentur, er erwarte, dass Merkel ihre Ankündigung, spätestens im September für Klarheit zu sorgen, endlich umsetze. Die Kanzlerin müsse Scheuer "in die Schranken weisen", dessen Blockade in der Frage nicht akzeptabel sei. Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte der dpa, der Bund sollte sich jetzt endlich dazu durchringen, die Autoindustrie zu Pkw-Nachrüstungen zu verpflichten. Dies wäre auch ein Signal an die Gerichte. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte, Merkel müsse "ihr Zögern und Zaudern" endlich beenden. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte schnelle Nachrüstungen auf Kosten der Autobauer.
Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden von Mittwoch droht Fahrern älterer Diesel 2019 in Frankfurt ein großflächiges Fahrverbot - ab 1. Februar für Diesel der älteren Schadstoffnorm Euro 4, ab 1. September auch für Euro 5. Die Deutsche Umwelthilfe, die das Urteil erwirkt hatte, rechnet in den kommenden Monaten auch für Berlin, Bonn, Darmstadt, Köln, Dortmund, Gelsenkirchen, Essen, Mainz und Wiesbaden mit ähnlichen Gerichtsentscheidungen. In Hamburg sind schon zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel gesperrt. In Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot geplant.
Schriftliche Begrundung abwarten
Die hessische Landesregierung hat noch nicht entschieden, ob sie gegen das Urteil zu Frankfurt vorgeht. Sie will erst die schriftliche Begründung abwarten, wie ein Sprecher des Umweltministeriums sagte.
Möglich wäre ein Antrag auf Zulassung der Berufung. Bereits direkt nach dem Urteil hatten Ministerpräsident und CDU-Bundesvize Volker Bouffier und Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) den Bund in die Pflicht genommen, seiner Verantwortung nachzukommen und eine rechtliche Grundlage für Hardware-Nachrüstungen der betroffenen Wagen zu schaffen. In Hessen wird am 28. Oktober ein neuer Landtag gewählt.
Scheuer bekräftigte allerdings umgehend sein Nein und verwies erneut auf technische, rechtliche und finanzielle Bedenken. Wirklich sinnvoll seien Umbauten an Motoren nur bei kommunalen Fahrzeugen und Bussen. Dort seien Einsparungen erfreulich hoch und zügig umsetzbar. "Dies ist deutlich wirkungsvoller als eine Hardware-Nachrüstung von Millionen alter Diesel-Pkw, die nur ab und zu in die Stadt fahren", sagte Scheuer der dpa. Aufforderungen seiner Kollegin Schulze, nach dem Urteil für Hardware-Nachrüstungen zu kämpfen, wies er zurück.
Weiterhin Ablehnung gegen Hardware-Nachrüstungen
Auch Merkel hatte mehrfach Vorbehalte gegen Hardware-Nachrüstungen deutlich gemacht. Die deutschen Autobauer lehnen dies ebenfalls ab und bekräftigten dies nach dem neuen Urteil. Es würde mehrere Jahre dauern, bis sie umgesetzt werden könnten, erklärte der Verband der Automobilindustrie (VDA). Zudem erhöhten sich dadurch Verbrauch und CO2-Emissionen bei betroffenen Autos. Da Frankfurt - im Gegensatz zu anderen Städten - auch kein wirklicher Brennpunkt der Luftbelastung sei, dürften die Werte mit der Erneuerung des Autobestands und der geplanten Software-Updates auch ohne Fahrverbote weiter zurückgehen.
Zur Schadstoffreduzierung haben in- und ausländische Autobauer neue Abgas-Software für 6,3 Millionen ältere Autos angekündigt. Darunter sind aber auch Pflicht-Rückrufe wegen illegaler Abgastechnik, unter anderem für 2,5 Millionen Fahrzeuge von VW. Kritiker sagen, dass neue Software nicht reiche, um die Stickoxid-Belastung in vielen deutschen Städten schnell unter den von der EU erlaubten Grenzwert zu drücken. (dpa)
R. Schuchardt