Holger Holzer/SP-X
Dass sein Straßensportwagen Rennwagengene besitzt, behauptet jeder Automobilhersteller gerne. Beim Ford GT stimmt das jedoch tatsächlich, stammt er doch in direkter Linie von einem LeMans-Sieger ab. Unübersehbar. Und unüberhörbar.
Genau zwei Presse-Exemplare hat Ford von seinem seit 2017 in Kleinstserie gebauten Supersportwagen in Europa stehen. Eines der beiden konnte nun im Bergischen Land eine halbe Stunde um den Block gefahren werden. Unter dem strengen Blick des Ford-Ingenieurs auf dem Beifahrersitz. Und unter der Maßgabe, die Finger bitte vom Fahrmodus-Wählschalter zu lassen. Der bleibt also auf "Normal" stehen, der passenden Einstellung für die viel befahrenen öffentlichen Straßen rund um Lindlar. Was jenseits dieser Einstellung – etwa bei "Track" oder "Highspeed" - und auf abgesperrter Strecke passiert, kann also nicht beurteilet werden.
Windschlüpfig wie kaum kein anderer
Der GT hätte aber selbst im Stand genügend Faszinations-Potenzial. Flach und schnittig sind zwar andere Sportwagen auch, so ernsthaft windschlüpfig ist aber kaum ein anderer. Keine Sicke, keine Hutze und keine Öffnung prollt hier substanzlos um Aufmerksamkeit, nichts ist Fake, alles ist Funktion. Der GT ist kein Selbstdarsteller, sondern Aerodynamik im Praxiseinsatz, zum Auto geronnene Strömungswissenschaft. Er ist nicht (nur) so extrem flach und schnittig, um gut auszusehen, sondern damit er sich bei bis zu 348 km/h sicher an der Straße festsaugen kann.
Auf der Tour durchs Bergische Land ist der GT in dieser Hinsicht deutlich unterfordert. Lediglich auf der kurzen Autobahnetappe lupft er mal den aktiven Heckflügel und zieht den Frontspoiler straff. Auf der Landstraße braucht es das hingegen nicht. Dort liegt der Zweisitzer auch so breit und satt knapp über dem Asphalt, den Fahrer, typisch Mittelmotorsportler, komplett im Zentrum, während die spitze Schnauze und das knackige Heck bei jeder Lenkbewegung leichtfüßig um ihn herumtänzeln. Der Fahrwerkskomfort ist dabei überraschend hoch, die Lenkung lässt sich mit überschaubarer Kraft bedienen und selbst die Bremse ist vergleichsweise sanft abgestimmt und verzichtet auf die übliche Rennwagen-Brutalität. Fast würde man den GT zum Brötchenholen nutzen wollen – wenn denn im Micro-Kofferraum hinter dem Mittelmotor Platz für mehr als zwei schrumpelige Schrippen und den gut gefüllten Geldbeutel wäre.
Ford GT
BildergalerieSehr laut und extrem präsent
Was einen ebenfalls von Alltagsfahrten abhält, gleichzeitig aber einen Gutteil der Faszination des GT ausmacht, sind die Fahrgeräusche. Wenn jedes Splitsteinchen hörbar durch die Radkästen und über die Carbonkarosserie klackert, die kalten Carbonbremsen vernehmlich scharren und der Motor einem von hinten in die Gehörgänge kreischt, weiß man, dass der ungedämmte Ford eher für den kurzen intensiven Genuss gemacht ist als für den Wochenendeinkauf oder die Fahrt zum Feriendomizil. Aber auch hier gilt: Der Bolide aus Dearborn ist kein Poser. Sein 483 kW / 656 PS starker Motor ist kein fahrender V8-Konzertsaal, der dem Fahrer Gänsehaut in die Gehörgänge blubbern und brabbeln will, und auch kein aggressiv sägender V10-Bösewicht, sondern schlicht und einfach eine Vortriebs-Maschine mit 3,5 Litern Hubraum, verteilt auf sechs Zylinder. Sehr laut zwar, jederzeit extrem präsent, metallisch und turbopfeifend - aber eher nüchterner Techniker als klangvoller Charismatiker.
Eine anziehende Erscheinung bleibt der Ford GT trotz des wenig schmeichelnden Motorsounds natürlich doch. Auch wenn er als lupenreines Rennstrecken-Spielzeug auf Landstraßen und innerorts komplett unterfordert ist und seine aerodynamische Raffinesse nicht ansatzweise ausspielen kann, punktet er schon dort mit seiner uneitlen Schönheit und dem kompromisslose No-Nonsens-Ansatz bei Technik und Antrieb. Wer sich davon einfangen lässt, hat aktuell sogar die theoretische Chance, ein Exemplar zu erwerben, denn die Produktion des GT wurde unlängst um zwei Jahre bis 2022 verlängert. Statt der geplanten 1.000 Stück können somit 1.350 Exemplare gebaut werden. Bis Anfang Dezember sind Bewerbungen möglich. Gefordert sind neben Markenloyalität, gutem Leumund und rühriger Social-Media-Nutzung rund 540.000 Euro.