Die Autoindustrie tritt vor den entscheidenden Verhandlungen auf EU-Ebene erneut beim Klimaschutz auf die Bremse. Der europäische Dachverband Acea weckte am Dienstag Zweifel, ob die bereits verbindlich vorgeschriebenen Ziele für 2021 noch erreicht werden könnten und warnte vor Jobverlusten bei harten neuen Vorgaben für 2030. Umweltschützer und die Grünen wiesen dies scharf zurück und warben für einen raschen und radikalen Umstieg auf Elektroautos.
Hintergrund des Schlagabtauschs ist die anstehende Festlegung des Europaparlaments auf neue Auto-Klimaziele bis 2030. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass der Kohlendioxid-Ausstoß bei Neuwagen von 2021 bis 2030 um 30 Prozent reduziert werden soll. Im Europaparlament steht dagegen eine Minderung um 50 oder gar 75 Prozent zur Debatte. Nächste Woche soll der Umweltausschuss und Anfang Oktober das Plenum abstimmen, um dann Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten aufnehmen. Wie Deutschland sich dann positioniert, ist noch offen.
Acea-Generalsekretär Erik Jonnaert sagte der Deutschen Presse-Agentur: "In unserer Branche herrscht große Sorge, ob wir das Ziel für 2021 erreichen, denn das wird natürlich schon kniffelig." Denn seit dem Diesel-Skandal würden wieder mehr Benziner verkauft, die mehr verbrauchen.
20 Prozent CO2-Reduktion seien machbar
Seit 2009 gilt die EU-Vorschrift, dass Neuwagen eines Herstellers spätestens 2021 im Durchschnitt nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen dürfen. Tatsächlich lag der Wert 2017 im Schnitt bei 118,5 Gramm - mit leicht steigender Tendenz. Jonnaert betonte, gerade deshalb brauche es für 2030 ein realistisches Ziel: Acea halte eine CO2-Reduktion bei Neuwagen um 20 Prozent in Vergleich zu 2021 für machbar. Rasch wachsende Anteile von Elektroautos seien wegen fehlender Kundennachfrage aber unrealistisch. Außerdem brächte ein zu schneller Umbruch hohe Jobverluste in Autoregionen wie Stuttgart, argumentierte Jonnaert.
Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms ließ dies nicht gelten. Eine Studie der IG Metall gehe von nur moderaten Arbeitsplatzverlusten aus, sagte sie am Dienstag in Brüssel. Im übrigen sei der Umstieg auf emissionsarme und emissionsfreie Autos unausweichlich. "Die Zukunft des Autos wird elektrisch sein", sagte Harms. Um die Ziele des Weltklimapakts von Paris zu erreichen, müssten Minderungsziele für Autos von bis zu 75 Prozent bis 2030 gesetzt werden, fügte sie hinzu. Dies sei im Europaparlament nicht durchsetzbar, aber ein Kompromissvorschlag sehe immerhin ein Ziel von 50 Prozent vor.
Die Umweltschutzverbände BUND, Deutsche Umwelthilfe und der ökologische Verkehrsclub VCD warben in Berlin für eine Zielmarke von 60 bis 70 Prozent weniger CO2. Das sei "notwendig, technisch machbar und volkswirtschaftlich sinnvoll", erklärten sie gemeinsam. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer betonte ebenfalls, die Einsparziele für 2030 müssten verschärft werden. Das "Klimadebakel" der Autoindustrie hänge nicht mit dem Absatzrückgang beim Diesel zusammen, sondern mit der Modellpolitik der Autobauer: "Die Autos werden schwerer und haben mehr PS, zusätzlich werden immer mehr Geländewagen verkauft. Das sind die Gründe, warum viele Hersteller die Klimaziele nicht erreichen werden." (dpa)
Fahrvergnüger