Drei Monate nach dem Ausbruch des weltweiten Abgas-Skandals braut sich in Europa und China neuer Ärger für Volkswagen zusammen. In Brüssel hat nun auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) Ermittlungen gegen Europas größten Autobauer VW aufgenommen. Das Amt habe eine Untersuchung eingeleitet, bestätigte Olaf am Mittwoch in Brüssel. Zuvor hatte die "Süddeutsche Zeitung" darüber berichtet. Mit dem Hinweis auf die laufenden Untersuchungen wurden keine weiteren Angaben gemacht.
Unterdessen steht Volkswagen auch auf seinem größten Markt in China juristischer Ärger ins Haus. Eine Umweltorganisation hat bei einem Gericht nahe Peking eine Zivilklage eingereicht. Die Stiftung für Artenschutz und grüne Entwicklung in Peking fordere eine Entschädigung in nicht genannter Höhe und eine Entschuldigung, weil der Konzern die Umwelt absichtlich geschädigt habe, berichtete am Mittwoch der Vizegeneralsekretär, Ma Yong, der dpa in Peking. Das Zweite Mittlere Volksgericht in Tianjin habe den Fall angenommen.
Volkswagen schenke der Klage große Aufmerksamkeit, habe aber noch keine Schrift vom Gericht erhalten, sagte eine Sprecherin. Sobald eine technische Lösung für das Abgasproblem vorliege, werde das Unternehmen Behörden und Kunden unterrichten. In China sind aber laut VW nur 1.950 Import-Autos betroffen. Der Konzern hatte sich bereits im Oktober öffentlich entschuldigt und einen Rückruf angekündigt.
Kredite zu Unrecht erhalten?
Zurück nach Brüssel: Wie aus EU-Kreisen verlautete, geht es bei den Olaf-Ermittlungen um die Frage, ob VW Kredite von der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu Unrecht erhalten und EU-Gelder für Forschung und Entwicklung zweckentfremdet hat. Olaf ist für die Bekämpfung von Betrug und Korruption zuständig, wenn dadurch die finanziellen Interessen der EU geschädigt werden. Die Behörde verwies darauf, dass eine Ermittlung nicht automatisch bedeute, dass VW tatsächlich betrogen habe, der Ausgang sei offen.
"Volkswagen sind Ermittlungen der Olaf nicht bekannt", hieß es am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur aus der Konzernzentrale in Wolfsburg. "Wir sind verwundert darüber, dass die Behörde an die Öffentlichkeit geht, ohne zunächst die Betroffenen zu informieren." Volkswagen stehe seit Monaten in vertrauensvollen Gesprächen mit der EIB. In diesen Gesprächen habe der Konzern die Verwendung der Darlehensmittel bereits offengelegt.
Die EIB hat dem Konzern laut "SZ" seit 1990 rund 4,6 Milliarden Euro an günstigen Krediten gewährt. Mit dem Geld sollte unter anderem die Entwicklung umweltfreundlicher Motoren finanziert werden. Etwa 1,8 Milliarden Euro der Gesamtsumme muss VW noch zurückzahlen. Die EIB gehört den EU-Mitgliedsstaaten und vertritt deren Interessen.
VW könnte trotzdem Gewinn machen
Trotz der vielen schlechten Nachrichten in den vergangenen Monaten und den nach wie vor ungeklärten finanziellen Folgen rechnet VW-Aufsichtsrat Stephan Weil nicht zwingend damit, dass Volkswagen in diesem Jahr keine Gewinne macht. "Das sehe ich noch nicht", sagte der niedersächsische SPD-Ministerpräsident dem Magazin "Stern".
In der VW-Affäre ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Stuttgart auch gegen den Autozulieferer Bosch. Die Behörde überprüfe, ob die Firma möglicherweise an Straftaten beteiligt war, sagte eine Sprecherin am Mittwoch. Es sei ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eröffnet worden. Einen konkreten Tatvorwurf nannte sie nicht. Bereits seit Ende Oktober ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen Mitarbeiter des VW-Konzerns wegen des Verdachts auf Betrug. Bosch wollte sich nicht zu dem Verfahren äußern.
EU-Parlament bereitet Untersuchungsausschuss vor
Das Europaparlament wird höchstwahrscheinlich einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Bei einem Treffen am Mittwoch in Straßburg war die Mehrheit der Fraktionsvorsitzenden dafür. Am Donnerstag soll das Plenum endgültig darüber entscheiden. Der Ausschuss soll laut Mandatsentwurf die Rolle der EU-Kommission und der nationalen Aufsichtsbehörden beleuchten. Für den Entwurf gab es nach Angaben des SPD-Europaabgeordneten Matthias Groote mehr als 200 Unterschriften. Bei der Abstimmung im Plenum wären 187 Stimmen nötig, das ist ein Viertel der Abgeordneten.
Der EU-Kommission wird laut Entwurf für das Mandat vorgeworfen, sich in der Vergangenheit nicht dafür eingesetzt zu haben, Messeverfahren für Autos so zu gestalten, dass diese auch realistische Abgaswerte liefern. Wie auch die nationalen Aufsichtsbehörden habe sie zu wenig unternommen, um den Einsatz betrügerischer Software zu verhindern.
Laut Entwurf des Mandats soll der Ausschuss insbesondere auch klären, ob die Brüsseler EU-Kommission und die EU-Staaten Anhaltspunkte hatten, dass verbotene Software zur Verfälschung von Abgastests zum Einsatz kam. Volkswagen hat eingeräumt, solche Software bei Millionen Dieselautos genutzt zu haben. Die EU-Kommission erklärte auf Anfrage, falls es zum Ausschuss komme, werde sie mit ihm zusammenarbeiten.
Unterstützung für die Einrichtung des Ausschusses gibt es nach Angaben aus dem Parlament unter anderem allem von Linken, Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen. Auch einige Konservative sollen den Vorstoß unterstützen. (dpa)
THK