Diesel-Besitzer, die anstelle von Volkswagen die Konzerntochter Audi auf Schadenersatz verklagt haben, dürften eher schlechte Karten haben. Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte in einem Urteil von Montag deutlich höhere Hürden für eine Haftung im Abgas-Skandal. Dass der von VW entwickelte Skandalmotor EA189 auch von Audi in einigen Modellen eingesetzt wurde, reiche allein noch nicht aus, entschieden die obersten Zivilrichter in Karlsruhe in einem Musterfall aus Sachsen-Anhalt. (Az. VI ZR 505/19)
Bei VW gehen die BGH-Richter davon aus, dass dem Einsatz der illegalen Abgastechnik in Millionen Fahrzeugen eine strategische Entscheidung auf hoher Ebene zugrunde gelegen haben muss. Behörden und Kunden seien systematisch hinters Licht geführt worden. Denn in Wirklichkeit stießen die Autos zu viele Schadstoffe aus - nur im Test sorgte eine Software dafür, dass die Grenzwerte eingehalten wurden.
Deshalb können Kläger, die die Voraussetzungen erfüllen, grundsätzlich ihr Auto an VW zurückgeben. Sie bekommen aber nicht den vollen Kaufpreis wieder, sondern müssen sich die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Vor diesem Hintergrund hat sich VW seit dem Grundsatz-Urteil im Mai 2020 konzernweit in rund 34.000 Verfahren auf einen Vergleich geeinigt, ohne eine gerichtliche Entscheidung abzuwarten. Diese Kläger dürfen ihr Auto behalten.
Außerdem hatten gut 245.000 Betroffene durch einen Mustervergleich zwischen Volkswagen und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen Summen von 1350 bis 6.257 Euro bekommen. Darunter sind auch Diesel-Besitzer, die keinen VW fahren, sondern einen Audi. Verglichen damit richten sich eher wenige Schadenersatz-Klagen direkt gegen Audi. Der Ingolstädter Autobauer spricht von einer niedrigen vierstelligen Zahl laufender Gerichtsverfahren.
Für den Kläger in dem Musterfall war es zunächst gut gelaufen. Zuletzt hatte ihm das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg rund 20.000 Euro Schadenersatz plus Zinsen zugesprochen: Audi habe die unzulässige Abschalteinrichtung mit in Verkehr gebracht und hafte deshalb genauso wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.
"Wissenszurechnung" grundsätzlich nicht möglich
Mit dieser Begründung könnten Schadenersatz-Ansprüche aber nicht bejaht werden, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Stephan Seiters bei der Urteilsverkündung. Voraussetzung für eine Haftung sei, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter von Audi den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung persönlich verwirklicht habe. Eine "Wissenszurechnung" über die Grenzen der Konzerngesellschaften hinweg ist nach Ansicht des Senats grundsätzlich nicht möglich.
Heißt im Klartext: Die Kläger müssen konkrete Anhaltspunkte dafür liefern, dass Audi an der strategischen Entscheidung im VW-Konzern beteiligt war oder zumindest von dem Abgasbetrug wusste. Das ist sehr viel mehr, als in den Verfahren gegen Volkswagen zu leisten ist. "Deshalb wäre im vorliegenden Fall eine Klage gegen die Muttergesellschaft VW deutlich einfacher gewesen", sagte Seiters.
Der Kläger bekommt zwar noch einmal Gelegenheit, seine Anschuldigungen gegen Audi in Naumburg zu präzisieren. Erst dort wird der Fall dann endgültig entschieden. Das dürfte aber sehr schwierig werden, wie BGH-Sprecherin Dietlind Weinland sagte.
Audi zeigte sich zuversichtlich, dass das OLG nun «unserer Rechtsauffassung folgen wird und einen Anspruch des Klägers verneint». Die Hürden seien hoch, teilte das Unternehmen mit. "Es fehlt aus unserer Sicht klar an einer sittenwidrigen Täuschungshandlung der Audi AG, die den Motor nicht entwickelt hat."