Eine Ära im Autobau ist zu Ende: Vor fast 70 Jahren legte der US-Autobauer Chrysler zum ersten Mal den 300 auf. Sein letztes Exemplar lief nun im Werk Brampton/Ontario vom Montageband. In diesem Fall handelte es sich um einen in Velvet-Rot lackierten 300C, der von einem rund 500 PS starken 6,4-Liter-V8 angetrieben wird. Es ist zugleich das letzte Exemplar einer für den US-Markt auf 2.000 Exemplare limitierten Abschieds-Sonderserie.
Mit dem V8-Antrieb schließt sich ein Kreis, denn ihren Ursprung hat die Modellbezeichnung 300 in der zweitürigen Sport-Limousine 300, die 1955 mit einem 220 kW / 300 PS starken 5,7-Liter-V8 ihren Anfang nahm. Damals galt der Zweitürer mit Einzelradaufhängung als das stärkste Serienauto der USA. Seine Höchstgeschwindigkeit erreichte mit 208 km/h ein für die damalige Zeit atemberaubend hohes Niveau. Anschließend folgten in kurzer Zeit immer neue Serien und Varianten der Letter- und Non-Letter-Series, die mit zum Teil noch stärkeren Antrieben auch viele Rennerfolge etwa bei der Daytona Speed Week und Geschwindigkeitsrekorde in Bonneville einfahren konnten. 1957 folgte etwa der 300C der Letter-Series mit 375 PS starkem V8-Antrieb. 1958 erreichte ein 300D die Geschwindigkeits-Bestmarke von 252 km/h.
Nach dem Ende der 300-Letter-Series sowie der 300-Non-Letter-Series Anfang der 1970er-Jahre blieb es lange Zeit still um den Chrysler 300, der erst 1998 mit dem damals sehr modern gezeichneten 300M als Nachfolger der Letter-Series seine Fortsetzung fand. Auch in Europa wurde die Limousine der oberen Mittelklasse offiziell von Chrysler vertrieben.
Euro-300C mit Retro-Charme und Mercedes-Komponenten
2004 folgte der hierzulande recht bekannte Nachfolger 300, der ein Kind aus der kurzen Ehe von Chrysler und DaimlerBenz war. Er setzte optisch auf Retro-Charme gepaart mit zahlreichen Komponenten der Mercedes-Benz E-Klasse der Generation 210. Die über fünf Meter lange Limousine im klassischen Three-Box-Design wurde wiederum in Deutschland und ausschließlich in der höherwertigen Version 300C angeboten. Über 11.000 Exemplare wurden zwischen 2004 und 2011 hierzulande offiziell neuzugelassen. Gefertigt wurde der Euro-300C überwiegend bei Magna-Steyr in Graz. Neben V6- und V8-Benzinern war der 300C auch mit V6-Diesel sowie in der Kombiversion Touring verfügbar. 2006 war mit über 3.100 Einheiten das erfolgreichste Jahr für die US-Baureihe in Deutschland. 2010 wurde der Vertrieb eingestellt. Drei Jahre zuvor haben die Autokonzerne Daimler und Chrysler ihre Trennung vollzogen.
2011 brachte Chrysler eine Neuauflage des 300 auf den Markt, die optisch und technisch eng mit dem Vorgänger verwandt war. Seit dem Einstieg von Fiat bei Chrysler im Jahr 2009 wurde auf der Suche nach Synergien zwischen beiden Autokonzernen der 300C in Europa dann als Lancia Thema zwischen 2011 und 2014 recht erfolglos vertrieben. Das Ende des Thema läutete auch das Ende der Marke Lancia in Deutschland ein, die übrigens nächstes Jahr ihr Comeback feiern wird.
Der Chrysler 300 machte seither einen Bogen um Europa. Für Nordamerika wurde er hingegen weiter produziert und auch technisch modernisiert. Seinen Niedergang bei den Verkaufszahlen verhinderten die Updates allerdings nicht. Vermutlich wird der 300 in seiner Heimat USA dieses Jahr auf weniger als 8.000 Neuzulassungen kommen.
Das endgültige Ende des 300 bedeutet dies allerdings nicht. Chrysler ist mittlerweile eine von vielen Marken im Stellantis-Konzern, der sich zunehmend stärker auf die E-Mobilität konzentriert. Laut Medienberichten könnte der 300 als Elektro-Limousine auf der elektrischen Stellantis-Plattform STLA in einigen Jahren sein Comeback feiern.