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Börsenüberflieger und Branchenschreck: Was ist dran am Tesla-Hype?

15.07.2020 10:00 Uhr
Börsenüberflieger und Branchenschreck: Was ist dran am Tesla-Hype?
Seit Ende Juni ist der Börsenwert von Tesla um mehr als 85 Milliarden nach oben geschossen.
© Foto: picture alliance / Beata Zawrzel / NurPhoto

Als wertvollster Autohersteller ist Tesla ein Star der Finanzwelt. Aber auch technologisch bekommt das Unternehmen von Elon Musk ein immer größeres Gewicht. Zeit für eine Bestandsaufnahme.

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Von Hannes Breustedt und Jan Petermann, dpa

Der Rummel um den E-Auto-Pionier Tesla war immer schon groß - doch was derzeit mit der Firma des schillernden Tech-Milliardärs Elon Musk passiert, sucht seinesgleichen. Seit Ende Juni ist der Börsenwert des Unternehmens um mehr als 85 Milliarden auf zuletzt gut 286 Milliarden Dollar nach oben geschossen. Damit ist Tesla mit weitem Abstand der am höchsten gehandelte Autohersteller der Welt. Zum Vergleich: Die drei nach Absatz und Produktion größten US-Rivalen General Motors, Ford und Fiat Chrysler bringen es auf knapp 80 Milliarden Dollar - zusammengerechnet. Und auch das deutsche Trio Volkswagen, Daimler und BMW ist meilenweit abgeschlagen.

Für Musk ist es ein Triumph. Der 49-jährige Star-Unternehmer, der nebenher die Raketenfirma SpaceX und viele andere Projekte betreibt, hat mit Tesla alle Erwartungen übertroffen. Vor einem Jahr kämpfte er mit tiefroten Zahlen, die Mittel waren knapp, die Zweifel an der Zukunft von Tesla groß. Dann drehte der E-Autobauer auf: drei Quartale schwarzer Zahlen in Serie. Plötzlich scheint der bislang chronisch verlustreiche Konzern profitabel und hebt an der Börse ab.

Zuletzt kam es noch besser: Während der globale Automarkt stark von der Corona-Krise ausgebremst wird, trotzt Tesla dem Abwärtstrend und macht sich im Massenmarkt breit. Im zweiten Quartal wurde Musks Firma deutlich mehr Autos los als erwartet. Anders als die Konkurrenz, die mit geschlossenen Autohäusern und zu Hause festsitzenden Kunden zu kämpfen hat, setzt Tesla auf Online-Verkäufe und kommt wegen der vielen Vorbestellungen kaum mit Produktion und Lieferung nach.

Fan-Artikel im Onlineshop vergriffen

Musk genießt seinen Erfolg in vollen Zügen. Bei Twitter, wo ihm 36,7 Millionen Accounts folgen, verspottet er Anleger, die es wagen, gegen Tesla zu spekulieren. Um "Shortseller" zu verhöhnen, die auf Kursverluste wetten, brachte er die "Tesla Short Shorts" heraus: Die kurzen Satin-Hosen mit goldenem Firmenlogo waren in limitierter Auflage in Teslas Onlineshop erhältlich - und trotz eines stolzen Preises von 69,42 Dollar sofort vergriffen. "Verdammt, wir haben die Website kaputtgemacht!", twitterte er angesichts des großen Andrangs.

Warum ist ein Unternehmen, das bisher kaum Geld verdient und relativ kleine Stückzahlen fertigt, mehr wert als alle großen deutschen und US-Autobauer zusammen? Finanzmarkt-Erwartungen sind ein Spiel mit der Zukunft, sie müssen keineswegs die tatsächliche Substanz einer Firma widerspiegeln. Der Hype um Tesla zeigt auch, wie abgekoppelt der Börsenhandel von den realwirtschaftlichen Grundlagen sein kann.

Software-Architekturen sind das eigentlich Wertvolle

Doch es mehren sich die Stimmen derer, die glauben, dass Teslas Vorsprung vor allem bei Software und Digitalisierung nur noch schwer einzuholen sein könnte. "Die Kernkompetenz, die Tesla so wertvoll macht, liegt weniger im Feld E-Mobilität", sagte der Vorstandschef des zweitgrößten Autozulieferers Continental, Elmar Degenhart, der Deutschen Presse-Agentur. Entscheidend in der Beurteilung sei vielmehr das Know-how bei neuen "Elektronik-Architekturen, deren Programmierung, drahtlosen Updates, den damit verbundenen Sicherheitsanforderungen und der Vernetzung des Autos mit der Cloud".

Gerade dort tun sich Volumenanbieter wie VW, wo sowohl der neue Golf als auch der Elektro-Hoffnungsträger ID.3 mit Problemen zu kämpfen haben, schwer. VW-Software-Chef Christian Senger soll die Leitung der gerade ins Tagesgeschäft gestarteten IT-Organisation abgeben, ist aus Firmenkreisen zu hören. Das "Handelsblatt" hatte darüber berichtet. Er soll aber möglichst an anderer Stelle im Konzern weitermachen.

Degenhart betonte, man müsse man bedenken, dass Tesla keine annähernd ähnlichen Modellzahlen stemmen muss und "auf der grünen Wiese" gegründet wurde. In der Tat macht Musk bisher kaum nennenswert Masse. Toyota lieferte im jüngsten Quartal mit 398.029 Neuwagen allein in den USA mehr aus als Tesla im gesamten vergangenen Jahr weltweit.

"Besser als bei der Konkurrenz"

Dennoch: Die altbekannten Marktführer müssen sich sputen, wollen sie demnächst nicht unter die Räder geraten. Der Autobranchen-Experte der NordLB, Frank Schwope, glaubt: "Die Tesla-Produktion entwickelt sich besser als bei der Konkurrenz." Trotz coronabedingter Rückschläge fuhr Musk die Fertigung in China, dem größten Automarkt der Welt, hoch. Und in Grünheide bei Berlin investiert Tesla mehr als eine Milliarde Euro in seine erste Europa-Fabrik, Produktionsstart soll in einem Jahr sein. Im Berliner Entwicklungs- und Designzentrum könnte zudem ein E-Kleinwagen entstehen, wie Musk bei Twitter andeutete.

Die Gesamtbranche blickt derweil düsteren Monaten entgegen. "Wir gehen davon aus, dass Autoproduktion und -absatz 2020 gegenüber dem Jahr 2019 weltweit um 15 bis 25 Prozent einbrechen", so Schwope. Ähnliche Werte nimmt auch der deutsche Branchenverband VDA an. "Tesla hingegen könnte die Auslieferungen gegen den Trend um rund 20 bis 35 Prozent steigern", vermutet der NordLB-Analyst. So dürfte Musk auch mittelfristig als Gewinner aus der Viruskrise hervorgehen.

Denn unabhängig von der Pandemie kommt die Autoindustrie nicht um ein grundsätzliches Umsteuern in Richtung E-Mobilität und Digitalisierung herum. Tesla hat dabei entscheidende Vorteile. Nachdem die Deutschen lange als zu zögerlich galten, gibt etwa VW-Chef Herbert Diess nun bis 2024 mindestens 33 Milliarden Euro für die Zukunftstechnologien in seinem Konzern aus - darunter ein Batteriezellwerk und eine eigene Software-Sparte. Volkswagen könnte Berichten zufolge in den kommenden Jahren zudem einen "Tesla-Fighter" entwerfen, der bei der für Forschung und Entwicklung zuständigen Tochter Audi entstehen dürfte.

Aufholjagd in schwindelnde Höhen?

Auch BMW will jetzt einen Zahn zulegen. Den Münchnern wurde - nach viel Respekt für ihre frühen E-Autos i3 und i8 - vorgeworfen, nicht entschlossen genug nachgelegt zu haben. Der vielbeschworene Hochlauf soll unter anderem mit einer neuen Batterie- und E-Motorenfabrik in Niederbayern gelingen. "Schon 2022 werden wir allein in Dingolfing E-Antriebe für über eine halbe Million elektrifizierte Fahrzeuge pro Jahr fertigen können", sagte Vorstandschef Oliver Zipse. Wieder Boden gutmachen will BMW außerdem mit dem E-Coupé i4 und dem E-SUV iNext.

Reicht das alles im Konkurrenzkampf mit Tesla? Noch scheinen die Amerikaner technisch in vielerlei Hinsicht die Nase vorn zu haben. Zudem hat auch Musk mit dem bereits erhältlichen Kompakt-SUV Model Y, dem Pick-up Cybertruck und dem Sattelschlepper Semi einiges in der Pipeline. Noch im Sommer könnte der Bau eines zweiten US-Autowerks beginnen, konkrete Pläne für eine Fabrik im texanischen Landkreis Travis County liegen bereits vor. Trotzdem wird angesichts der extremen Kursrally so manchem Beobachter schwindlig. Schwope: "Unseres Erachtens ist das Unternehmen deutlich zu hoch bewertet."

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KOMMENTARE


autofan

15.07.2020 - 17:29 Uhr

Da setzen doch alle nur auf Spekulationen in eine ungewisse Zukunft, dass dies auch alles so wird wie versprochen. Und wenn nicht, platzt dann die Blase? Oder will man die Blase vielleicht sogar ganz bewusst platzen lassen? Das ist jetzt mal auch eine Idee.... Oder?


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