Ein drastischer Gewinneinbruch verdirbt Ola Källenius den Start an der Daimler-Spitze und setzt den Vorstandschef gleich in seinem ersten Jahr massiv unter Druck. Milliardenkosten vor allem für die Dieselaffäre, dazu Anlaufprobleme bei wichtigen neuen Modellen, Verluste in der Van-Sparte und nicht zuletzt immense Investitionen in Zukunftstechnologien: Bei dem Stuttgarter Auto- und Lastwagenbauer knirscht es an allen Ecken und Enden. "Das sind keine Ergebnisse, die wir in der Zukunft sehen wollen", räumte Källenius bei der Vorlage der Bilanz am Dienstag in Stuttgart ein. "Das reicht nicht."
Der Schwede steht seit vergangenem Mai an der Daimler-Spitze und muss nun beweisen, dass sein im November angekündigtes Spar- und Effizienzprogramm, das unter anderem Tausende Arbeitsplätze kosten wird, funktioniert. 2020 sollen erste Effekte sichtbar und die Bilanz wieder besser werden, kündigte Källenius an.
Dafür muss auch die Elektromobilität Fahrt aufnehmen. Kritiker werfen Daimler und vor allem auch Källenius' Vorgänger und möglichem nächsten Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Zetsche vor, den Einstieg verschlafen zu haben. Mercedes hatte 2019 das erste Modell seiner vollelektrischen EQ-Familie, den EQC, auf den Markt gebracht, hatte aber auch dabei mit Anlaufproblemen zu kämpfen. Gelingt der Hochlauf bei Elektroantrieben nicht, drohen hohe Strafzahlungen, wenn der CO2-Grenzwert für die Neuwagenflotte nicht eingehalten wird.
"Ich bin zuversichtlich", sagte Källenius, aber garantieren könne er nicht, dass man die gut 100 Gramm CO2 pro Kilometer schaffe. Zuletzt lag die Daimler-Flotte bei etwa 137 Gramm. Eine wichtige Voraussetzung sei, dass man es schaffe, nun schnell weitere Linien für die Batteriefertigung hochzufahren.
Immerhin 2,4 Milliarden Euro Gewinn hat Daimler 2019 noch gemacht. Das ist aber nur noch ein Drittel dessen, was im auch schon schwachen Jahr 2018 als auf die Aktionäre entfallender Gewinn unter dem Strich stand - und weit unter den Ansprüchen der Marke mit dem Stern.
Prämie für Mitarbeiter fällt deutlich geringer aus
Das hat Folgen auch für Mitarbeiter und Aktionäre: Für die rund 130.000 Tarifbeschäftigten gibt es 2020 nur noch 597 Euro Ergebnisbeteiligung und eine einmalige Anerkennungsprämie von bis zu 500 Euro. Im Vorjahr hatte die Prämie noch bei 4.965 Euro gelegen.
Außerdem kürzte Daimler seine Dividende drastischer als erwartet. Die Aktionäre sollen je Aktie für das abgelaufene Geschäftsjahr nur noch 90 Cent erhalten - nach 3,25 Euro das Jahr zuvor. Das sei zweifellos enttäuschend, sagte Finanzchef Harald Wilhelm. Aber auch deswegen nehme man nun so intensiv die Kostenseite in den Blick.
Denn das Kerngeschäft läuft im Prinzip gar nicht so schlecht. Bei Mercedes-Benz Cars, Daimlers größter und wichtigster Sparte, bedeuteten rund 2,4 Millionen verkaufte Fahrzeuge einen weiteren Absatzrekord. Die Truck-Sparte brachte vor allem wegen eines schwachen Jahresendes zwar weniger Lastwagen an die Kunden als im Vorjahr, konnte aber trotzdem noch den Umsatz steigern. Auch die Busse, die Vans und die Sparte mit den Finanzdienstleistungen legten beim Umsatz zu.
Das Problem ist, dass am Ende zu wenig vom Geld aus dem operativen Geschäft übrig bleibt. Die Pkw-Sparte halbierte ihr Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Vans, lange Zeit ein verlässlicher Renditebringer, lief gar ein Minus von rund drei Milliarden Euro auf - "schrecklich" nannte Källenius die Zahl vor Analysten.
Auf mehr als vier Milliarden Euro summieren sich allein die Ausgaben für Rückrufe und Verfahren im Zusammenhang mit der Dieselaffäre. Daimler bestreitet zwar, sogenannte unzulässige Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung seiner Fahrzeuge verwendet zu haben, kooperiert aber mit den Behörden und ruft Hunderttausende Autos und Vans für Software-Updates zurück.
Hunderte Millionen Euro flossen auch in die Neuausrichtung der Mobilitätsdienste, die Daimler zusammen mit BMW betreibt, in Rückrufe für defekte Takata-Airbags und in die Abwicklung der X-Klasse. Das Pick-up-Modell war erst 2017 auf den Markt gekommen, blieb aber weit hinter den Erwartungen zurück und wird nun gleich wieder eingestellt, mit einem harten Schnitt, wie Källenius es formulierte.
Kosten sollen fallen
Dass Daimler 2020 noch einmal vor derart hohen Kostenbergen steht wie 2019, erwarten Källenius und sein Finanzchef Harald Wilhelm nicht. Die Investitionen werden gedeckelt und stärker dort konzentriert, wo am ehesten rasche Gewinne zu erwarten sind. Zudem will Källenius die Materialkosten senken und die teure Modellplatte ausdünnen. "Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, haben Wirkung gezeigt", sagte er.
1,4 Milliarden Euro jährlich sollen zudem bis Ende 2022 allein beim Personal eingespart werden. "Und dabei bleibt es", sagte Källenius mit Blick auf Spekulationen, das Sparprogramm könne noch deutlich ausgeweitet werden. Eine niedrige fünfstellige Zahl an Stellen, also mindestens 10.000, sollen gestrichen werden - vor allen in Management und Verwaltung, nicht in der Produktion. Betriebsbedingte Kündigungen sind bei Daimler ausgeschlossen.
Bevor der Jobabbau Einsparungen bringt, kostet er erst einmal noch Geld - etwa zwei Milliarden Euro insgesamt und davon rund 1,2 Milliarden in diesem Jahr. Trotzdem soll der Gewinn 2020 bei leicht sinkenden Verkaufszahlen deutlich steigen. Die erwartete Umsatzrendite von vier bis fünf Prozent in der Kernsparte mit Pkw und Vans ist trotzdem nur halb so hoch wie die, die Daimler noch vor einem Jahr als langfristiges Ziel ausgegeben hatte. Von solchen Dimensionen ist aber ohnehin längst keine Rede mehr. (dpa)