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30 Jahre BMW 8er: Die Entdeckung des achten Sinns

28.10.2019 05:44 Uhr
Vor 30 feierte die 8er-Baureihe ihre Premiere - standesgemäß mit Zwölfzylinder.
© Foto: BMW

Heute gibt es keinen V12 mehr im BMW 8er und der i8 setzt gar auf Plug-in-Technik. Ganz anders 1989 beim Debüt des BMW 850i, der als erstes deutsches V12-Coupé der Nachkriegsära zum Superstar avancierte.

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Von Wolfram Nickel/SP-X

Die Ölkrisen schienen Vergangenheit, der Katalysator sollte die Umwelt retten und der drohende Golfkrieg war noch kein Ernstfall: die Frankfurter Automesse bot 1989 noch einmal die Plattform für ein Powerplay der Superlative mit dem Premierenstar BMW 850i (E31) im Mittelpunkt. Dieses erste deutsche Zwölfzylinder-Coupé der Nachkriegszeit trug denselben 220 kW/300 PS starken 5,0-Liter unter der monumental breiten und keilförmig aggressiven Front wie bereits die Flaggschiff-Limousine 750i. "Von den besten Autos der Welt kommen nun zwei aus München", aber auch "Porsche auf der Pelle", meinte die Fachpresse dazu. Tatsächlich erreichte der 135.000 Mark teure BMW 850i die Preisregionen von Porsche 928 und Ferrari Mondial, nicht aber deren Vmax, denn die Bayern regelten bei politisch korrekten 250 km/h ab. Allerdings genügte dieses Tempo, um den Jaguar XJS als einzigen V12-Konkurrenten zu deklassieren und auch, um dem Mercedes 560 SEC davonzufahren. Wichtiger als Vollgas waren BMW die vielfältigen Komfort- und Fahrwerksinnovationen, die den 850i zur letzten High-Tech-Ikone mit aufblendenden Klappscheinwerfern stilisierten. Ein exklusives Prestigecoupé, das anfangs viele begehrten, das aber am Ende seiner Produktionszeit ohne Nachfolger blieb. Zu rasch war das Käuferinteresse an dem kostspieligen Zweitürer abgeflaut. Weshalb sich BMW erst 2018 an einen Relaunch der 8er-Reihe wagte und diese erstmals in drei Varianten anbietet als Coupé, Cabrio und Gran Turismo. In diesem Portfolio soll jeder Kunde seinen achten Sinn der Fahrfreude entdecken, wie die amerikanische Werbung für "The 8" erklärt.

Cabrio und M8 blieben Protoypen

Tatsächlich hatte es schon bei der Baureihe E31 nicht an Versuchen gefehlt, weitere Varianten nachzulegen, darunter ein aufregendes 850i Cabrio als Herausforderer von Cadillac Allanté oder Mercedes SL (R129). In die Serienfertigung schaffte es dieser exklusivste bayerische Sonnenplatz dennoch nicht. Der 1991 vorgestellte Prototyp benötigte zu viele Versteifungen, wie so oft, wenn Coupés nachträglich in Cabriolets transformiert werden. Auch ein anderer adrenalinhaltiger Geniestreich brachte es nicht zur Serienreife, bereitete aber den Boden für eine Welle neuer Supersportwagen: das BMW M8 Concept wurde 1991 von einem auf sechs Liter Hubraum vergrößerten V12 befeuert, der mindestens 368 kW/500 PS freisetzte. "Jetzt schlägt’s 300" kommentierten die Medien das Kraftwerk kurz danach, vertraute doch der McLaren F1 als Le-Mans-Sieger und damals schnellstes Serienauto der Welt auf das Münchner V12-Muskelpaket, wenn auch in modifizierter Form. Ein Vierteljahrhundert später feierte der 8er dann seinen eigenen Le-Mans-Auftritt, denn 2018 debütierte beim Langstreckenklassiker die neue BMW-Baureihe G15.

Darin weicht der feudale V12 einem V8, denn der neue 8er soll den Spagat zwischen Sportrenner á la Porsche 911 und Komfortcoupé á la Mercedes S-Klasse souveräner bewältigen als sein Vorgänger, der vor allem die luxuriöse Gran-Turismo-Herrlichkeit der 1990er zelebrierte. Lediglich einige wenige Kunden kamen damals in den Genuss von 300 km/h schnellen 8ern. Kenner ahnen es bereits: Diese 306 kW/408 PS starken V12-Dampfhämmer trugen Alpina-Signets und den Typencode B12 5.7.


30 Jahre BMW 8er

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Alle anderen Käufer des kolossal breiten (1,86 Meter und damit dicker als die S-Klasse) und bis 2,2 Tonnen schweren BMW 850i sollten sich durch "More Smiles per Hour", wie die Werbung versprach, ins BMW-Lager locken lassen. Tatsächlich handelte es sich meist um Neukunden, denn der vom 850i abgelöste zierliche 635 CSi (E24) war nur ein Sechszylinder und fast um die Hälfte billiger. Beim V12-Coupé verließ sich der BMW- Vorstand vollkommen auf das Faszinationspotential futuristischer Hightech. "Neue Ansichten zum Fortschritt" versprach deshalb auch die Einladung zur IAA-Weltpremiere des unter Wolfgang Reitzle (Entwicklungsleiter) und Claus Luthe (Gesamt-Design) projektierten BMW-Flaggschiffs.

Mit vor 30 Jahren einzigartigen technischen Meilensteinen sollte der 850i alle vorausgegangen blauweißen Coupés überstrahlen, darunter so unterschiedliche Typen wie das ultrateure V8-Coupé BMW 503 (ab 1955) und das Vierzylinder-Hardtop 2000 CS von 1965. So neu die aerodynamische Linie des 850i war mit extrem flachem Kühlergrill und sanft gerundeter und langgestreckter Motorhaube: Bei der IAA-Premiere musste sich die von Klaus Kapitza konturierte Karosserie mit einem unerwarteten Konkurrenten messen, denn der profane Opel Calibra wurde in ähnlicher Silhouette enthüllt. Überdies zeigte der Opel, wohin die Scheinwerfer-Entwicklung bei Sportwagen ging, nämlich weg von aufklappenden Strahlern, wie sie der BMW trug, hin zu extrem flach bauenden strahlend hellen Lichtleisten. Den Premierenglanz des 850i konnten derartige Petitessen allerdings nicht dimmen. So kolportierten Medien die Zahl von über 30.000 Vorbestellungen für den zweitürigen Zwölfender. Am Ende entlarvte sich diese Verkaufszahl als maßlose Übertreibung. Aber sie spiegelte die Euphorie, die Hochleistungsautos damals noch entfachten. Tatsächlich war das bei der Pressefahrvorstellung des 250-km/h-Autos kommunizierte Produktionsvolumen von jährlich bis zu 8.000 Coupés realistischer, denn bereits damit gelang es dem 8er auf die Pole Position seines Segments zu sprinten.

Viele technische Spielereien

Ganz vorne auf dem Sprung ins 21. Jahrhundert schien der 8er zudem durch seinen Aluminium-V12, die automatische Stabilitäts- und Traktionskontrolle, die mitlenkende Hinterachse mit fünf Raumlenkern, elektronisches Fahrwerk und elektronisches Gaspedal, die erstmals im Autobau eingesetzte Multiplextechnik, sitzintegrierte Sicherheitsgurte sowie die automatisch absenkenden Seitenscheiben bei Betätigung der Türen. Mit diesen ergaben sich deutlich weniger lästige Windgeräusche als bei anderen Fahrzeugen mit rahmenlosen Scheiben. "More Smiles" beziehungsweise Grinsen im Gesicht garantierte zudem das erstmals mit dem V12 kombinierbare manuelle Sechsganggetriebe, alternativ gab es eine Viergangautomatik.

"Wahnsinn, was dieser BMW alles kann", meinten die Medienvertreter nach ersten Testfahrten mit diesem Technologieträger und Vorboten des neuen Jahrtausends. Trotzdem alterte der 8er schneller als viele andere Avantgardisten, wie die einbrechenden Verkaufszahlen zeigten. Vielleicht war es der Respekt vor der geballten Technikladung oder nur die für Coupés typische rasche Vergänglichkeit der Formensprache.

Diesen vorzeitigen Alterungsprozess des 8ers konnten weitere Varianten wie die V8-Version 840i (ab 1993), der stärkere Typ 850 CSi (ab 1992) oder ein Artcar des Künstlers David Hockney (1995) nur verzögern, aber nicht verhindern. Nach zehn Jahren verabschiedete sich der 8er endgültig mit einem leisen Servus und es sollte bis 2013 dauern, ehe die "8" wieder aufgeladen wurde. Diesmal als Plug-in-Hybrid BMW i8, der aber Pioniergeist für die Elektromobilität verlangt. Heute – passend zum 30. Jubiläum des 850i – ist es dagegen noch einmal ein Verbrenner, der in den Verkaufsstatistiken demonstriert, welche Anziehungskraft die Nummer 8 auf alle Sinne entfaltet.

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