Ausgabe 04/2008: Zukunftsfragen

CAR-Symposium I / 800 Fachbesucher diskutierten in Bochum über Zukunftsmärkte und Zukunftstechnologien – AUTOHAUS war Medienpartner ZukunftsfragenVon Thomas Seidenstücker und Manuel EderGastgeber Prof. Ferdinand Dudenhöffer meldete zur Eröffnung des 8. Internationalen CAR-Symposiums in Bochum einen Rekord: Mit 92 Unternehmenspartnern und über 800 Teilnehmern war das vom Center Automotive Research der FH Gelsenkirchen veranstaltete Symposium so gut besucht wie nie zuvor. Kernthemen waren in diesem Jahr Märkte und Technologien von morgen. Schwerpunkt ist dabei nach Einschätzung der Referenten vor allem Osteuropa und Russland: Ein kräftiger Anstieg des Automobilabsatzes auf den dortigen Märkten, die bessere Infrastruktur und Kostenvorteile seien die Hauptgründe, so Dudenhöffer. Und weiter: "Die Produktion läuft eindeutig dahin, wo der Verkauf ist". Zahlen von B&D Forecast untermauern diese Einschätzung: Bis zum Jahr 2010 werde Russland mit einem voraussichtlichen Absatz von jährlich 3,48 Millionen Pkw den deutschen Markt überholen und hinter USA und China zum drittgrößten Automarkt der Welt aufsteigen.Magna: Zukunftsmarkt RusslandSiegfried Wolf, Chef des großen Automobilzulieferers und Auftragsfertigers Magna, steuerte als einer der drei Hauptredner Erfahrungen aus erster Hand bei: Nach dem Einstieg eines russischen Milliardärs bei Magna sieht er sein Unternehmen gerüstet für den Markt im Osten. Doch auch von Problemen weiß er zu berichten, etwa bei der Suche nach geeigneten Fach- und Führungskräften, der überbordenden Bürokratie oder protektionistischen gesetzlichen Auflagen. Daher betrete Magna diese Märkte nur mit einem starken, lokalen Partner. Doch der Vorteil, als "First Mover" den Markt noch entscheidend mitgestalten zu können, rechtfertige die großen Anstrengungen, ist Wolf überzeugt.Toyota und BMW: Mobilität von morgenDem zweiten großen Thema Zukunftstechnologien und Mobilität der Zukunft widmeten sich BMW-Chef Dr. Norbert Reithofer und der Präsident von Toyota Motor Europe, Tadashi Arashima. Schnell wurden die ersten Unterschiede in der Strategie deutlich: BMW sprach vor allem über das hauseigene Effizienzprogramm "Efficient Dynamics", das die letzten Effizienzreserven bei heutiger Otto- und Dieselmotorentechnologie mobilisieren soll. Für die Zukunft setzt BMW dagegen weiter auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Hybridtechnologie wird als ein weiterer Baustein in einem Gesamtkonzept gesehen. Das stellt sich bei Toyota-Chef Arashima etwas anders dar: Hier spielt der Hybrid als Leuchtturm-Technologie die erste Rolle – vor allem auch als effizientes Marketinginstrument. Als zweites Standbein setzt Toyota in Europa auf den Diesel – und stellt sich damit den Marktrealitäten hierzulande. Einig waren sich hingegen beide Redner, dass im Zuge der Umweltdiskussion, des demografischen Wandels in Europa und der Frage der Mobilität in Schwellenländern der Druck auf das "Luxusgut" individuelle Mobilität mit dem Auto zunehmen werde.AUTOHAUS: Drängende FragenMit nicht weniger drängenden Fragen beschäftigten sich Ralph Meunzel (Chefredakteur AUTOHAUS), Susanne Krüger (Chefredakteurin VerkaufsProfi) und Manfred Schlegel (Chefredakteur ServiceProfi) im AUTOHAUS Workshop, der erstmals im Rahmen des CAR-Symposiums stattfand. Denn auch am Ende der Wertschöpfungskette, beim Handel, gilt es sich Herausforderungen zu stellen. Die Referenten näherten sich zusammen mit ihren Diskussionsteilnehmern den vier Themenkreisen "Prozesse verbessern", "Online-Vertrieb stärken", "Umsatzmotor Finanzdienstleistungen" und "Erfolgsfaktor Service und Kundenbindung". Gerade bei den Prozesskosten sieht Referent Schlegel noch Handlungsbedarf: "Während sich höhere Preise oder höhere Stückzahlen kaum durchsetzen lassen dürften, ist die einzige Chance, kurzfristig wieder mehr Geld zu verdienen, die Vertriebskosten zu senken." In den letzten Jahren haben sich die Prozesse in der Vertriebslandschaft im Umfeld der Betriebe viel stärker geändert als in den Betrieben selbst, so sein Befund. Leistungsfähige Dealer Management Systeme könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten: Systemintegration von Mehrmarkenbetrieben, besseres GW-Management und die Verknüpfung von Verkauf und Service sind nur einige Beispiele.Online-Vertrieb und FinanzdienstleistungenGerade beim Online-Vertrieb seien die starken Marktveränderungen greifbar, ist Susanne Krüger überzeugt: "War der Preis noch vor einigen Jahren eine elitäre Information des Handels, sorgen heute Fahrzeugbörsen im Netz für völlige Transparenz", so Krüger. Die richtige Reaktion darauf sei jedoch nicht, um jeden Preis der Günstigste sein zu wollen. Viel wichtiger seien die professionelle Vermarktung und die hochwertige Präsentation im Netz, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Das Fahrzeug einfach nur einzustellen sei nur der erste Schritt, danach müsse der aktive Vertrieb kommen, so das Fazit. Einige Kernforderungen: Schnelle Reaktion auf Kundenanfragen, ein Internet-Profi in jedem Autohaus und aktiver Zukauf zur Pflege des eigenen GW-Portfolios. Beim nächsten Thema "Finanzdienstleistungen und Leasing" wurden Licht und Schatten deutlich: Zwar sei Leasing ein echtes Kundenbindungsinstrument, das die Kunden automatisch ins Autohaus zurückführe. Aber niedrige Raten würden allzu oft mit einem unhaltbaren Restwert erkauft, so die Teilnehmer. Der positive Effekt der Kundenbindung werde durch eine Enttäuschung des Kunden am Laufzeitende schnell ins Gegenteil verkehrt. Gefragt seien daher sehr verantwortungsvoller Umgang mit jedem einzelnen Leasingkunden und alternative Modelle: Als Beispiele wurden Full-Service-Pakete mit Wartungs- und Versicherungsangeboten genannt, mit denen sich auch eine etwas höhere Rate argumentieren lasse. Treue Kunden sind RenditebringerKundenbindung im Service reicht zu oft nicht über die Zwangsbindung durch die Neuwagengarantie des Herstellers hinaus, so die nüchterne Erkenntnis beim Themenkomplex "Service". Zudem seien erschreckende Tendenzen erkennbar, auch im Service verstärkt über den Preis zu verkaufen. Eine Garantieverlängerung sei ein erster Schritt für mehr Kundenloyalität. Bessere Qualifizierung der Servicemitarbeiter für den Verkauf ihrer Leistungen ist eine weitere Aufgabe: "Kunden sehen Service meist als notwendiges Übel. Als Fachhandel müssen wir weg vom Preisargument und stärker unsere Leistung und Qualifikation verkaufen.CAR-Symposium II / Der Elektronik-Workshop verdeutlichte Trends und Herausforderungen der FahrzeugentwicklungElektronik-Workshop: KonfliktlösungenDem CAR-Symposium voraus ging in diesem Jahr ein ausführlicher Workshop zum Thema Fahrzeugelektronik und Fahrzeugentwicklung. Auch hier wurde deutlich: Das Thema Emotionalität und Differenzierung spielt beim Auto noch immer eine größere Rolle als rationale Gesichtspunkte. Doch: Die Prioritäten verschieben sich. Das Thema Verbrauch und damit CO2-Emission rückt in den Vordergrund. Komfort, Fahrspaß, Sicherheit und Bezahlbarkeit – bei diesen Punkten will sich der Autofahrer trotz CO2-Diskussion auch künftig nicht einschränken.Die wichtigsten Thesen der Referenten:Prof. Dr. Henning Wallentowitz, RWTH Aachen:d Gewichtsreduktion der Fahrzeuge durch Leichtbau auf Niveau eines Golf I (ca. 800 kg) anstrebend Mensch/Maschine-Schnittstelle vereinfachend Car-to-Car-Kommunikation vorantreibend intelligente Motorauslegung um in optimalen Betriebspunkten (wenig Spritkonsum) fahren zu könnend Low-Cost-Cars (wenig Elektronik, einfacher Lack, einfache Einspritztechnik) werden Märkte erobern d Fahrzeugelektronik nimmt zu, wird aber kein KostenproblemVolker Wilhelmi, Leiter Elektronikarchitektur Daimlerd Potenzial Low-Cost-Fahrzeuge ca. 16 Mio. bis 2020d bedingte Kundenbereitschaft für neue Technologie zu bezahlend Rohstoffe (Stahl, Kupfer, Öl) verteuern sich drastischd Entwicklungszeiten verkürzen sich (durchschnittl. 25 Monate)d neue Funktionen müssen Nutzwert haben, einfache Bedienungd anfängliche Reifegradprobleme der Elektronik sind gelöstd Höhere Zuverlässigkeit: digitale Prototypen und Simulationen d Baugruppenübergreifende Module (Gleichteile) anstreben, Differenzierung nicht durch Hard-, sondern durch Softwared gemeinsame Elektronikentwicklung mit anderen OEMs bei nicht-differenzierenden Komponentend Bootzeiten der Elektronik verringernd zentrale Messwertdatenbank und Datenlogger-Technik bei Prototypen und Testfahrt ermöglicht weltweit einen 24-Stunden-Zugriff und verbessert/verkürzt die EntwicklungDr. Rainer Kallenbach, Bereichsvorstand Elektronik Robert Bosch GmbHd Verkehrsdichte steigt, Unfälle sinken (aktive/passive Sicherheit)d auch bei Low-Cost-Fahrzeugen dürfen Airbag/ESP nicht fehlend Fahrer bei der Fahraufgabe umfassend unterstützend Vision: Sensitives Fahrzeug, (erhält Infos aus der Umgebung)d Problematik aktuell: Rechenleistung, Softwareintegration im Fahrzeug und Mensch/Maschine-Schnittstelled Kamera- und Sensorinformationen können Situationen teils besser erkennen und bewerten als der Fahrerd Kombination von aktiver und passiver Sicherheitd automatische Notbremsfunktion ab 2009/2010 denkbarDr. Alois Seewald,Direktor Elektronik TRW Automotive:d direkte und indirekte Unfallkosten im Jahr ca. 160 Mrd. Euro d Suche nach Wegen zur Entlastung der Verkehrsteilnehmerd Sensoren, Radar, Video können Verkehr optimal erfassend Einbindung von Navigationsdaten können Systeme optimierend Datenfusion und Vernetzung von aktiver und passiver Sicherheit beeinflusst die Sicherheit positiv oder reduziert UnfallschwereDr. Frank Rottmann, Vorstand Vertrieb und Entwicklung ELMOS AGd nur 7 Prozent der Halbleiterentwicklung gehen ins Automobild Durchschnittsfahrzeug benötigt 35 Prozent weniger Sprit als 1978, wiegt aber 330 kg mehr und hat 28 kW mehr Leistungd Elektronik im Auto zieht heute fünf Prozent der Energie und benötigt ca. 0,1 Liter Sprit /100 kmd Elektronik nimmt weiter zu, deshalb muss Energieverbrauch optimiert werden (z. B. Ruheströme reduzieren)d mechanische Komponenten durch elektrische ersetzen und bedarfsgerecht steuerndSensoren übernehmen mehrere Funktionen (z. B. Klimasteuerung und Luftgütebewertung in einem)d Komfort wird sich dank Halbleiterverwendung verbessern, Schadstoffausstoß und Energieverbrauch vermindernSteigende Komplexität erfordert TeamworkDie Aussagen der Symposiumsreferenten machen deutlich, dass mit steigender Elektronisierung die Komplexität zunimmt und eine engere Zusammenarbeit zwischen Zulieferern und Fahrzeugherstellern erfordert. Probleme mit der Zuverlässigkeit scheinen weitgehend im Griff, doch erst die Felderfahrungen zeigen, ob man richtig simuliert hat. Bemerkenswert ist auch die offene Bereitschaft der Industrie und der Zulieferer, mit Wettbewerbern gemeinsam über Projekte und standardisierte Plattformen nachzudenken und die jeweilige Markenprägung anschließend per Software zu modellieren. Kernthesen des AUTOHAUS Workshopsd Prozesse verbessern – Kosten senken - Den größten Kostenblock bilden neben den Einkaufskosten nach wie vor die Personal-, sprich Prozesskosten.- Revolutionsartig haben sich die Paradigmen geändert. Eine ähn- lich tief greifende Prozessänderung im Autohaus blieb jedoch aus. d Mehr Erfolg im Online-Vertrieb- Kunden profitieren von der großen Markt- und Preistransparenz: das erfordert umso mehr Überzeugungskraft bei den Verkäufern.- Der Online-Verkauf ist kein Notnagel, sondern ein Vertriebsweg mit Strategie. Entscheidend ist jedoch nicht nur der Preis. d Umsatzmotor Leasing - Full-Service-Leasing legt den Grundstein für eine gesteigerte Kundenbindung – hier gibt es noch ungenutzte Potenziale!- Die Restwertproblematik erfordert professionelles Gebraucht- wagenmanagement, das mit allen Bereichen im AH verknüpft ist.d Erfolgsfaktor Service und Kundenbindung- Kundenbindung ist die wichtigste Renditechance. Aber: Weg von der "Kundenbindung" hin zur "Kundenloyalität".- Durch den nur am Preis orientierten Wettbewerb verliert der Automobilvertrieb zweifach: an überlebensnotwendigem Ertrag und an emotionaler Kundenbindung. Besser: Leistung verkaufen.

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