Digitaler Mahnprozess: Workflow aus der Wolke

Telefonate, E-Mails, handschriftliche Notizen, der zuständige Kollege nicht erreichbar - die interne Klärung von offenen Debitorenrechnungen bindet zeitliche und personelle Ressourcen. Denn kein Autohaus möchte den Kunden mit einer Mahnung verärgern, wenn der Grund für die offene Forderung nicht beim Käufer, sondern innerhalb des eigenen Unternehmens liegt. "Unser Prozess ist zwar grundsätzlich sehr gut, da wir wenige Forderungsausfälle haben. Aber die interne Klärung war bisher trotzdem noch zu manuell", erklärt Michael Bründl, Leiter Finanzen und Controlling West Österreich bei Porsche Inter Auto (PIA). Aus diesem Grund suchte der 39-Jährige nach einer Lösung, um die auf die zwei Standorte Salzburg und Wien aufgeteilte Debitorenbuchhaltung für die 51 österreichischen Niederlassungen zu automatisieren. Fündig wurde er Mitte 2018 beim Münchener Start-up Bilendo. "Mir hat die Lösung sehr gut gefallen, weil Bilendo Mahnwesen und Buchhaltung wirklich versteht und nicht nur die IT-Anwendung", erklärt Bründl. Ursprünglich war die cloudbasierte Software jedoch für kleine und mittlere Unternehmen konzipiert. Gemeinsam entwickelten die beiden Partner das Produkt deshalb in den vergangenen eineinhalb Jahren weiter. Nun ist es vor allem für mittlere und große Unternehmen mit einer eigenen Konzernbuchhaltung und hohen Umsätzen beziehungsweise vielen Rechnungen geeignet. Intelligenter Workflow Über eine Schnittstelle wird Bilendo an SAP angedockt, so dass die Software weiß, welche Rechnungen gezahlt wurden und welche nicht. Die offenen Rechnungen gehen dann in einen automatisierten Mahnprozess: Wurde bisher von der Buchhaltung in anderen Abteilungen aufwendig hinterher recherchiert, warum der Kunde die Rechnung noch nicht beglichen hat, ist bei Bilendo nun ein intelligenter Workflow hinterlegt, der entscheidet, was passieren soll. Ein Beispiel: Ist ein Neuwagen noch nicht bezahlt, schickt Bilendo eine E-Mail mit einem Link an den zuständigen Vertriebsmitarbeiter. Über den Link kommt der Mitarbeiter auf eine Maske, in der er aus vordefinierten Antworten den Grund für die offene Forderung auswählen kann. Die Ausgangsrechnung steht dann so lange auf Mahnstopp, bis die interne Klärung abgeschlossen ist. Erst dann wird die Rechnung wieder an den Mahnprozess übergeben und dem Kunden geschickt. "Durch diese Automatisierung läuft der gesamte Prozess schneller ab und Mahnungen können früher verschickt werden", beschreibt Florian Kappert, Geschäftsführer von Bilendo, den Vorteil. Die Effizienz der Buchhaltung werde dadurch erhöht, der Zahlungseingang beschleunigt und insgesamt die Liquidität des Unternehmens verbessert. Zudem findet der Mahnprozess nicht in Intervallen alle zwei oder drei Wochen mit einem konzentrierten hohen Arbeitsaufwand statt, sondern täglich. Das Forderungsmanagement wird so zu einem laufenden Prozess, der in der Buchhaltung nebenher läuft. "Das bedeutet, dass wir dadurch effizienter und schneller in der Abwicklung werden", erklärt Bründl. Ein weiteres Argument für den Finanzleiter: Bei 38 Prozent der Rückrufe von Kunden nach einem Mahnlauf wird nur um eine Rechnungskopie gebeten. Das bedeutete ein weiterer Zwischenschritt bis zum Zahlungseingang. Bilendo verschickt dagegen mit der Mahnung automatisch eine Rechnungskopie, so dass keine zusätzliche Kommunikation notwendig ist. Eine Million Rechnungen im Jahr Gestartet ist PIA Anfang März 2020 mit dem ersten Autohaus im Bundesland Salzburg, Ende Juni folgte das zweite, bis Ende des ersten Quartals 2021 soll Bilendo bei allen 51 Niederlassungen in Österreich im Einsatz sein. Etwa 350 der rund 4.000 Mitarbeiter aus den Abteilungen Buchhaltung, Vertrieb, Service und dem Management werden dann mit der Software arbeiten, die im Jahr rund eine Million Rechnungen abwickelt. Zudem ist im Herbst der Roll-out in Italien geplant, weitere Länder sollen zeitnah folgen. Für die Pilotautohäuser in Österreich hat Bründl extra Standorte mit einer überschaubaren Größe ausgewählt. "Ich leite seit über 20 Jahren IT-Projekte und achte bei der Einführung neuer Software immer darauf, dass eine gute Mischung aus IT-affinen Mitarbeitern, die offen für solche Themen sind, und eher kritischen Mitarbeitern beteiligt sind, die sich trauen, konstruktiv Feedback für Verbesserungen zu geben", erklärt der Finanzleiter. Bei all den Vorteilen hat auch Bründl noch zwei Wünsche offen, die er gemeinsam mit dem Start-up realisieren möchte. Schon jetzt bietet die Software ein Reporting, das unter anderem den Umsatz, die Anzahl der offenen Rechnungen, die Höhe der offenen Forderungen insgesamt und nach Belegart unterteilt für die Holding oder runtergebrochen auf einzelne Autohäuser darstellt. Der Finanzleiter möchte künftig in diesem Dashboard Soll-Werte vorgeben, die innerhalb des Unternehmens den Benchmark definieren. "Damit lassen sich die Autohäuser untereinander vergleichen und wir können im operativen Bereich etwas bewegen", ist er überzeugt. Und der zweite Wunsch? Bisher können nur Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens mit Bilendo arbeiten. Bründl wünscht sich nun eine Erweiterung, so dass Klärungsanfragen direkt an den Kunden verschickt werden können. Antwortet dieser auf die Mail, wird sie automatisch wieder in Bilendo der Forderung zugeordnet und der Prozess kann weiterarbeiten. Die Kosten für Bilendo setzen sich, wie in der Cloud-Software-Branche üblich, aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen gibt es eine monatliche Gebühr für jeden User, der mit Bilendo arbeitet. Zum anderen berechnet Bilendo eine vom Forderungsvolumen abhängige Lizenzgebühr. Zusätzliche Kosten für Wartung und Software-Pflege entstehen dabei nicht. "Ausgaben, die sich dank der Effizienzsteigerung in jedem Fall lohnen", betont Bilendo-CEO Kappert.

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