Ausgabe 13/2008: Wirbelwind

Porträt / Seit einem Jahr ist sie Chefin von über 100 Männern: Die 29-jährige Martina Stoppanski führt den Familienbetrieb in Ettlingen mit Können, Enthusiasmus und unbändiger Energie.Wirbelwind im Autohausvon Frank SelzleArtig stehen die Männer im Halbkreis um ihre Chefin. Geschniegelte Verkäufer mit altrosa Krawatten, kernige Mechaniker mit ölverschmiertem Gesicht, hochgeschossene Azubis im Blaumann. Gespannte Mienen ringsum und nervös wippende Füße. In schönstem Badisch trägt Martina Stoppanski die Lobeshymne der "Autozeitung" vor: Man ist Sieger beim Werkstatttest. Jubel bricht los. "Dass wir so toll dastehen, dafür arbeiten wir alle hier jeden Tag", ruft die Chefin in den Lärm. Dann gratuliert sie den Getesteten, Serviceberater Jörg Grünwald und Mechaniker Tomislav Brnada. Die beiden lächeln verlegen, rudern mit den Armen als wollten sie sagen: Alles nicht so wild, ist doch unser Job. Es folgt anerkennendes Raunen, Schulterklopfen von den Kollegen. Dann gibt es Eis am Stiel – zur Belohnung. Die Chefin hat es vorher extra noch schnell besorgt. Alles sehr spontan, improvisiert. Am Morgen erst hatte Martina Stoppanski vom Test erfahren. "Ein Kunde hat uns angerufen und gratulierte, wir hätten sonst gar nicht mitbekommen, dass wir in der Zeitung stehen." Lachend schüttelt sie den Kopf. Verrückte Welt.Martina Stoppanski ist selbst Symbol für diese Welt voller Überraschungen, in der Höhen und Tiefen oft ganz eng beieinander liegen. Als die Mutter letztes Jahr schwer erkrankte, pflegte sie der Vater bis zu ihrem Tod. Tochter Martina übernahm den Betrieb. Schnell musste sich die 28-Jährige in die neue Rolle einfinden. Ihr Wirtschaftsstudium hatte sie gerade abgeschlossen, wollte eigentlich noch ein paar Jahre in der Branche hospitieren. Stattdessen stürzte sie sich ins Tagesgeschäft. Gerade am Anfang war es nicht leicht, sich als neue Chefin durchzusetzen. Vor allem die Altgedienten hatten Angst, die BWLerin würde den Betrieb komplett umkrempeln. Aber Martina Stoppanski räumte die Zweifel aus. "Sie nahm sich viel Zeit, sprach mit den Mitarbeitern, erläuterte ihre Pläne, bewies Führungsgeschick", erzählt Serviceleiter Andreas Häring. Damit zog sie alle auf ihre Seite. "Bewahren, was meine Eltern geschaffen habe", das sei ihr Motto, sagt die Tochter gerne. Die enge Bindung an das Familienunternehmen und die Liebe zum eigenen Beruf geben ihr die Kraft, die man heutzutage in der Branche braucht. Denn: "Ohne Enthusiasmus läuft hier gar nichts." Und den hat die quirlige, 1,63 Meter große Frau im Übermaß. Respekt und LeistungAls "beeindruckende Nachwuchs-Führungskraft" erhielt Martina Stoppanski jüngst den "Junior Award" einer Fachzeitschrift. Die Auszeichnung würdigt nicht nur die persönliche Leistung, sondern auch den Mut, sich als junge Frau für dieses herausfordernde Gewerbe entschieden zu haben. Auch wenn die Branche statistisch immer noch eine Männerdomäne ist: Martina Stoppanski fühlt sich wohl, hört viel Lob. Mit Kollegen, Kunden und Mitarbeitern kommt sie sehr gut zurecht. Das hat auch mit ihrem Führungsstil zu tun: Freundschaftlicher Respekt und Leistung, nur das zählt bei der Chefin. "Jeder ist in seinem Bereich Fachmann und übernimmt dort Verantwortung. Wenn ich etwas nicht weiß, scheue ich mich nicht, meine Mitarbeiter zu fragen. Umgekehrt erwarte ich, dass man zu mir kommt, wenn es Probleme gibt." Kein klassischer Boss sei sie, bestätigt Andreas Häring, "eher ein Coach, der motiviert und die Spieltaktik vorgibt." Ob Frauen einen anderen Führungsstil haben, öfter mal tricksen müssen? "Hmm", macht sie, "muss das nicht jeder mal?" Sie wiegt ihren Kopf mit den schwarzen Stachelhaaren unschlüssig hin und her. Dann erklärt sie grinsend: "Manchmal muss man seinen Leuten neue Ideen eben so verkaufen, dass sie denken, es seien ihre." Jeden Tag voller EinsatzIhr Vorbild, sagt Martina Stoppanski, sei Thomas Häßler. "Der kleine Wendige, der unter den Beinen der anderen hindurchfetzt Richtung Tor. So bin ich auch: ein kleiner Wirbelwind." Ihr 14-Stunden-Tag verlangt vollen Einsatz. Neben der kaufmännischen Führung kümmert sich die Chefin ums Marketing, um Kunden und Zulieferer. Heute gilt es außerdem, den Audi-Tag vorzubereiten. Der Mann vom TÜV baut gerade seinen Stand auf, Kinderspielzeug muss verteilt werden. "Ihr staubt noch die Autos ab?" Die Serviceassistenten nicken. Ein Kunde möchte mit der Chefin sprechen. Er freut sich über seinen neuen Wagen, will plaudern. "Der Mann mit der neuen Kaffeemaschine ist da", flüstert jemand Martina ins Ohr. Der Vertreter quasselt, man probiert. Gut. Unterschrift. Ab zum täglichen Kontrollgang in die Werkstatt.Junge Generation am ZugAls wäre das nicht schon genug, engagiert sich Martina Stoppanski bei den Wirtschaftsjunioren und im Lions Club. Dreimal im Semester lehrt sie Rhetorik und Präsentationskompetenz an der Uni Mannheim. Senioren-Tanztee im Autohaus und Arbeit mit Schulklassen gehören ebenfalls zum Pensum. Und in der Freizeit? "Gehe ich tanzen." Latein, Standard. "Da kann ich entspannen, mich fallen lassen. Außerdem genieße ich es, auch mal geführt zu werden." Die junge Frau grinst schelmisch. Die Pointe kommt ihr offensichtlich nicht zum ersten Mal über die Lippen.Auch das tägliche Mittagessen mit Vater Rolf ist eine Verschnaufpause im Alltagsstress. Martina hat den Tisch gedeckt, es gibt Brot, Wurst, Käse. Vater und Tochter nehmen am rustikalen Eichentisch Platz. Rolf Stoppanski legt Jagdwurst auf sein Brötchen. Die Mitarbeiter haben ihm den Ehrentitel "Präsident" gegeben, als graue Eminenz. "Jetzt ist die junge Generation am Zug", nickt er viel sagend Richtung Tochter. "Keine leichte Aufgabe, denn heute ist das Geschäft viel härter als früher." Spürsinn sei wichtig, den bekomme man freilich nur durch Erfahrung. Rolf Stoppanski reibt Daumen und Zeigefinger aneinander, eine knifflige Angelegenheit eben. "Aber ich habe keine Sorge, Martina hat die richtigen Anlagen." Der Vater lacht, lehnt sich zurück und beißt herzhaft in die Stulle. Martina weiß, welches Vertrauen sie genießt. Das bestärkt.

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