Ausgabe 11/2008: Vorsprung

Audi Retail / Derzeit ist die Audi AG an fünf Standorten in Deutschland in insgesamt 18 Betrieben als Händler tätig. Steht eine Umstrukturierung des Netzes an?VorsprungVon Doris PlateAudi ist derzeit die "Winner-Marke" auf dem deutschen Markt. Auf der Jahrespressekonferenz verkündete Vorstandschef Rupert Stadler für 2007 ein Rekordergebnis: Umsatzsteigerung um 7,9 Prozent auf 33,6 Milliarden Euro, Ergebnissteigerung um fast 50 Prozent (!) auf 2,9 Milliarden Euro, Umsatzrendite vor Steuern von 6,2 Prozent auf 8,7 Prozent gesteigert. Mit einer Kapitalrendite von nunmehr 18,6 Prozent gehören die Ingolstädter zu den ertragsstärksten Unternehmen im internationalen Automobilgeschäft.Alles Zahlen, von denen die Händler nur träumen können. "Dass 2007 nicht die Wunschrendite erreicht wurde, ist kein Geheimnis", kommentierte Vertriebsleiter Jörg Felske im AUTOHAUS-Interview verharmlosend. Dramatische ZahlenHinter vorgehaltener Hand hört man wesentlich dramatischere Zahlen: 140 Audi-Händler seien derzeit gefährdet. Zu hohe Restwerte von Fahrzeugen, die aus dem Leasing zurückkommen, die Rabattschlacht, die selbst den begehrten A 5 schon mit elf bis zwölf Prozent Nachlass anbietet, teure Vorführwagen vom A 6 und A 8, die schwer absetzbar sind, und die Einkaufsfinanzierung machen ihnen zu schaffen. Und weitere Investitionen werden erwartet: Noch wird der Hangar mit der CI-Marge unterstützt, das Terminal-Konzept ist aber schon im Anmarsch. Keine zehn Jahre hatten die Händler Zeit, ihre Hangar-Investition zu amortisieren, da wird schon wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Bleibt nur zu hoffen, dass das Terminal-Konzept noch eine ganze Weile freiwillig bleibt.Aber: Die Zahl der angebotenen Modelle soll um ein Drittel auf 40 erhöht werden und fordert mehr Platz bei den Händlern. Doch wovon sollen die das bezahlen? "Dabei könnte die Audi Retail GmbH helfen", unkte im Mai 2007 das Wirtschaftsmagazin "Capital". Die Anfang 2007 gegründete Audi Retail GmbH, ausgestattet mit einem Stammkapital von drei Millionen Euro, hat die Kontrolle über fünf Standorte in Deutschland: Berlin, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Stuttgart mit insgesamt 18 Betrieben. Nicht dazu gehört das Leipziger Audi-Zentrum. Es ist ein Tochterunternehmen der VW Retail und soll nach Aussagen einer Unternehmenssprecherin aufgrund seiner geringen Bedeutung nicht in die Audi Retail eingegliedert werden. Die Zugehörigkeit zur Volkswagenbeteiligungsgesellschaft ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Denn im Herbst 2005 gingen die Volkswagen Synco GmbH und die Audi Synco GmbH in der Volkswagen Retail GmbH auf. 2006 übernahm diese die Aktivitäten der Kamps-Gruppe, zu der das Audi-Zentrum gehörte.Der damalige VW-Chef Bernd Pischetsrieder wollte mit der Zusammenlegung von VW und Audi Synco "die Marktbearbeitung der jeweiligen Konzernmarken steigern und die Profitabilität durch die Schaffung von Synergien stärken." Kaum war er weg, stellte Nachfolger Martin Winterkorn, der zuvor Audi regierte, die alten Verhältnisse wieder her. Kontinuität Fehlanzeige. Auch das ein Beweis für die Schnelllebigkeit unserer Branche in diesen Zeiten.Exklusivitätsstrategie50 Millionen Euro Eigenkapital führe die Audi AG der Audi Retail GmbH zu, heißt es bei Capital im Mai 2007. Darüber hinaus sei die Übernahme weiterer Standorte inklusive zusätzlicher Finanzmittel im Rahmen der "Audi-Exklusivitätsstrategie" ausdrücklich vorgesehen. Davon wollen die Ingolstädter ein Jahr später nichts mehr wissen. "Die Audi AG ist mit der aktuellen Struktur des Netzes sehr zufrieden. Eine Erweiterung der Zahl eigener Handelsbetriebe wird derzeit nicht angestrebt", heißt es auf Anfrage. 6.795 Neuwagen wurden 2007 über die Audi Retail vermarktet. Hamburg gehörte damals noch nicht dazu, der Standort wurde erst am 1. Januar 2008 übernommen. Angesichts von 254.000 Auslieferungen im letzten Jahr sind das knapp 2,7 Prozent. Hinzu kommen 5.828 Gebrauchtwagen. Hohe ZieleBei den Neuwagen sind die Ingolstädter unter Druck. Stadler will bald 300.000 Fahrzeuge in Deutschland vermarkten. "Unsere Aufgabe wird es nun sein, die erreichte Ergebnis- und Renditequalität nachhaltig fortzuschreiben", erläutert Finanzvorstand Axel Strotbeck. Zehn Prozent Umsatzrendite heißt das Ziel. Und der Marktanteil muss mindestens gehalten, wenn möglich aber verbessert werden. Eine Lösung könnte ein Vertriebsnetz à la Mercedes-Benz sein: Zirka 100 Händler bleiben als Vertreter aktiv, die anderen werden den Retail-Betrieben angeschlossen und vermitteln "nur" noch. Bei so einem Konzept könnte die Mutter den Verkauf viel besser steuern. Und Geld ist ja vorhanden – siehe oben. In den Metropolen kann das Geschäft sowieso kaum noch anders gehandelt werden. Zwar gibt es aktuell offenbar keine weiteren Übernahmekandidaten, aber wenn ein Großer ins Wackeln kommen würde, würde die Retail sicher eingreifen.Mercedes-Konzept?Für die Fläche ist das Mercedes-Konzept auch für die Händler möglicherweise gar nicht so eine schlechte Lösung. Unterstützung bei Vorführwagen, Einkaufsfinanzierung und Marketing wäre so garantiert.Besser als die Internet-Variante, die zumindest in dieser Generation wohl nicht mehr zum Tragen kommt: Nachdem der Kunde sein Fahrzeug per Mausklick zusammengestellt hat, bestellt er seine Probefahrt beim Hersteller und erhält online einen Voucher für eine Probefahrt mit einem Mietwagen. Die Vermieter halten alle Modelle vor. Die Auslieferung erfolgt über die beiden Audi-Foren in Ingolstadt und Neckarsulm und vielleicht kommen in der Autostadt in Wolfsburg noch weitere Türme hinzu. Service- und Garantiearbeiten könnten dann über die Stop+Go-Betriebe abgewickelt werden, die Volkswagen gerade flächendeckend aufbaut. HorrorszenarienFür die Zukunft kann das nicht ausgeschlossen werden. In absehbarer Zeit will Michael Lamlé aber von diesen Horrorszenarien nichts wissen. Der Präsident des Volkswagen- und Audi-Händlerverbandes räumt zwar ein, dass die Audi-Händler in 2007 eine "völlig unbefriedigende Rendite" hatten. Stop+Go sei aber ein "blitzsauber durchgestyltes Franchisekonzept, über das vor allem Volkswagen-Modelle aus dem Segment III und Fremdmarken gewartet und repariert werden sollen". Dennoch: Auch er hält das Audi-Servicenetz in bestimmten Märkten für völlig überbesetzt. Nach Inkrafttreten der derzeit geltenden GVO hätten viele Volkswagen-Betriebe den Audi-Service noch hinzugenommen. Ergebnis: Jetzt gibt es 1.386 Audi-Servicebetriebe. Mehr als doppelt so viel wie die 618 Vollfunktionsbetriebe. Eine deutliche Reduzierung wäre wirtschaftlich sinnvoll. Aber wie soll das geschehen? Höhere Standards sind wohl kaum noch möglich. Die wären auch laut Händlerverband nicht mehr tragbar. Dennoch wird eine Kündigung des Servicenetzes befürchtet. Vielleicht könnte die Lösung sein, dass wieder der Bau einer separaten Werkstatt für Audi Pflicht wird. Es bleibt spannend.

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