Best Practice: Von bleifreiem Benzin und Elektroautos

Exakt 4.322 Renault Zoe wurden im Jahr 2017 in Deutschland neu zugelassen. Angesichts von gut 3,4 Millionen Neuzulassungen insgesamt ist das eine recht überschaubare Zahl. Heruntergebrochen auf die rund 25.000 neu zugelassenen E-Autos, wird der Zoe jedoch plötzlich zum Marktführer - eine absolute Ausnahme in den hierzulande von deutschen Marken dominierten Zulassungsranglisten. Dass das möglich wurde, liegt auch an Händlern wie Guido Vorndran. In seinem Autohaus im fränkischen Bad Neustadt an der Saale hat er im vergangenen Jahr zusammen mit seinen 43 Mitarbeitern mehrere hundert Zoe verkauft. Rund ein Zehntel der 2017 in Deutschland verkauften Exemplare stammt aus seinem Autohaus. Hinzu kamen noch einige Nissan Leaf, Nissan E-NV200 sowie Renault Kangoo Z.E. "Rund 70 Prozent der bei uns verkauften Neuwagen sind Elektroautos", sagt Vorndran. Bis zu fünf Elektroautos pro Tag In diesem Jahr sollen es sogar noch etwas mehr werden. Grund dafür ist die neue Generation des Nissan Leaf, die seit Jahresbeginn ausgeliefert wird. Insgesamt rechnet Unternehmer Vorndran mit rund 150 Leaf. Zusätzlich soll auch die Zahl der Zoe, der Kangoo Z.E. und E-NV200 weiter steigen. Hinzu kommen außerdem noch rund 120 gebrauchte Elektroautos. An manchen Tagen finden bis zu fünf E-Auto-Übergaben statt. Deren Käufer reisen zum Teil aus Hamburg oder München an - ohne dass Vorndran dort jemals eine Anzeige geschaltet hätte. Möglich macht das der Ruf, den sich das Autohaus über die Jahre erarbeitet hat: Seit 2011 verkaufen Vorndran und seine Mitarbeiter bereits Elektroautos. "Ich war überzeugt: Diese Technologie wird sich durchsetzen", erklärt Vorndran den Entschluss. Damit war er lange Zeit allein auf weiter Flur. Das hatte zur Folge, dass Interessenten aus dem gesamten Bundesgebiet bei der Suche nach Beratung in Bad Neustadt an der Saale landeten. Die oft sehr enthusiastischen Kunden wiederum gaben ihre Erfahrungen über Mund-zu-Mund-Propaganda sowie in Online-Foren zum Thema Elektromobilität weiter. Ähnlich wie ein Schneeball, der den Berg hinabrollt, wächst seitdem der Kundenstrom. "Viele Händler haben sich mit Elektromobilität lange nicht befasst. Davon profitieren wir", sagt Vorndran. E-Autos nicht wie Benziner verkaufen Funktionieren konnte das nur, weil sich das Unternehmen an die Eigenheiten der neuen Klientel angepasst hat. Anders als etwa bei Verbrennern, spielen beispielsweise Ausstattungsvarianten oder die Farbe so gut wie keine Rolle. Die Kunden fordern stattdessen ausführliche Beratung zu Ladetechnik oder Ladeinfrastruktur sowie zu kurz- und langfristigen Kosten, berichtet Vorndran. Im Gespräch müssen die Berater daher nicht nur theoretisch über die Technik Bescheid wissen, sondern auch Praxiserfahrung beweisen. Beispielsweise indem sie mit dem Kunden alle Ladepunkte in der Region durchgehen, Kosten und Dauer eines Ladezyklus vorrechnen und die Kunden darüber aufklären, dass das "Tanken" eines E-Autos nur selten öffentlich, sondern in mehr als 90 Prozent der Fälle am Zielpunkt stattfindet. Ergänzt wird das durch einen 24- Stunden-Dauertest, bei dem die Interessenten das "Gelernte" selbst ausprobieren können. Erst dann legt sich die Reichweitenangst, die nach wie vor viele Menschen abschreckt. Dafür stellt das Autohaus permanent 23 Testfahrzeuge bereit. "Wir haben die Erfahrung gemacht: Räumen wir nicht alle Ängste aus oder bleibt nur eine einzige Frage offen, kauft der Kunde nicht", sagt der Geschäftsführer. Das sei einer der zentralen Unterschiede im Vergleich zum Verkaufsprozess eines Verbrenners. Dort spiele es beispielsweise kaum eine Rolle, wenn der Verkäufer nicht wisse, wie weit man mit einer Tankfüllung kommt. Bei einem E-Auto sei das jedoch eine K.o.-Frage. Das sei manchen Verkäufern vielleicht noch nicht bewusst, vermutet er. Massiv in Infrastruktur investieren Neben den Verkäufern musste sich aber auch die Autohaus-Infrastruktur an das neue Geschäftsmodell anpassen: Auf dem Unternehmensgelände gibt es derzeit vier Ladepunkte im öffentlichen Bereich, sechs in der Werkstatt sowie zwei weitere im Auslieferungsbereich. Demnächst kommen außerdem vier weitere öffentliche Ladepunkte sowie eine Photovoltaikanlage mit 200 Kilowatt Leistung hinzu. Sie soll das Laden umweltfreundlicher machen und die beiden 160-Kilowatt-Stromanschlüsse des Autohauses entlasten. "Wir müssen unsere Autos derzeit zeitversetzt laden. Bei den Stadtwerken sind wir schon dafür bekannt, dass wegen uns in der Vergangenheit ein paar Mal ungewollt die Lichter ausgegangen sind", erzählt Vorndran lachend. Die Ladestationen und der Stromanschluss sind aber nicht die einzigen Infrastruktur-Investitionen, die nötig waren. Um die Werkstatt fit für die Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen zu machen, waren 18.000 Euro für Spezialwerkzeuge, Hebebühnen und Co. fällig. Zudem mussten sich die Mechaniker auf Hochvoltarbeiten spezialisieren und dafür etliche Schulungen besuchen. "Den ölverschmierten Schrauber, der alles kann, gibt es bald nicht mehr", sagt Vorndran. Das gelte leider auch für einen großen Teil des Umsatzes im Servicebereich. Was bleibe, seien letztlich Fahrwerk und Karosserie. Mitarbeiter überzeugen Grund für Pessimismus ist das aber nicht, findet Vorndran - Technologischen Wandel habe es schließlich schon immer gegeben. Und stets habe er neue Chancen eröffnet. So gebe es künftig wesentlich mehr Elektrobauteile, die repariert, Updates, die installiert, und Ladestationen, die verkauft werden müssen. "Der Übergang zu alternativen Antriebstechnologien ist so unaufhaltsam wie der Wechsel von verbleitem zu bleifreiem Benzin. Für mich als Händler ist daher die einzige Frage: Will ich dabei sein oder nicht?", sagt Vorndran. Ist diese Entscheidung gefallen, müsse vor allem die Unternehmensführung vorangehen und interne Widerstände überwinden. Während die Mechaniker bei Vorndran begeistert waren, gab es zum Beispiel in der Verkaufsmannschaft große Bedenken, ob E-Autos verkäuflich sind. "Die dachten, ich will mit E-Autos meine persönlichen Verkaufszahlen senken und so auf den Ruhestand hinarbeiten. Denen hab ich's gezeigt!", sagt Vorndran, grinst spitzbübisch und verabschiedet sich zur nächsten Fahrzeugübergabe. Kurzfassung Elektroautos machen rund 70 Prozent des Neuwagenabsatzes aus. Pro Tag übergibt das Autohaus im Moment durchschnittlich fünf E-Autos. Damit der Verkaufsprozess reibungslos funktioniert, gibt es im Autohaus derzeit zwölf Ladepunkte, 23 Testfahrzeuge sowie auf E-Mobilität geschultes Personal in Showroom und Werkstatt.

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