Fernabsatzrecht: Stolpersteine beim Online-Handel

Der Autohandel im Internet ist in der Praxis nicht mehr wegzudenken. Zuletzt war er in Anbetracht der pandemiebedingten Betriebsschließungen sogar die einzige Möglichkeit, überhaupt Fahrzeuge an den Mann oder an die Frau zu bringen. Bedauerlicherweise ist das Internet aber auch ein Betätigungsfeld mit zahlreichen Stolpersteinen gerade im Verbrauchergeschäft. Die Vielzahl der zu beachtenden Bestimmungen macht den Internethandel besonders fehlerträchtig mit dem Risiko ungewollter vertraglicher Nachteile des Händlers einerseits und drohender wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen andererseits. Risiken Verbraucher genießen beim Fernabsatz besonderen Schutz. Denkansatz ist hier der Unterschied zum Ladenkauf vor Ort, insbesondere eine fehlende Prüfungsmöglichkeit der Ware vorab und ein Schutz vor Übereilung in Anbetracht des relativ einfachen Vertragsabschlusses. Voraussetzung für den Schutz ist, dass die Vertragsverhandlungen und der Vertragsabschluss ohne jeden persönlichen Kontakt stattgefunden haben, also beispielsweise ausschließlich über Telefon, Fax, E-Mail oder Internet. Für diesen Fall bestehen besondere Pflichten zur Information und zur Dokumentation des Vertragsinhaltes, darüber hinaus sind bei Vertragsabschlüssen im elektronischen Geschäftsverkehr weitere Regeln zu beachten. Erfüllt der Händler seine Verpflichtungen nicht, drohen ihm neben Abmahnungen auch erhebliche Nachteile im Vertragsverhältnis. Der in der Praxis häufigste Fall ist die nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung mit der Folge einer Verlängerung des 14-tägigen Widerrufsrechts um maximal ein Jahr. Prioritäten Grundsätzlich im Auge behalten werden sollte, im Verbrauchergeschäft Fernabsatzverträge nach Möglichkeit auch dann zu vermeiden, wenn die Kontakte über Internetangebote geknüpft wurden. Vor allem, wenn der Kunde sein Fahrzeug ohnehin selbst abholen wird, ist es sinnvoll, die Abläufe so zu steuern, dass der Kaufvertrag letztlich vor Ort bei der Fahrzeugabholung unterschrieben wird. Vorangehend kann beispielsweise eine Reservierungsvereinbarung angeboten werden, um den Kunden abzusichern. Bei Fahrzeugverkäufen unmittelbar über Online-Plattformen bestehen solche Steuerungsmöglichkeiten nicht, da der Kaufvertrag mit dem Verbraucher bereits abgeschlossen ist, ohne dass der Käufer vorangehend mit dem Verkäufer persönlich Kontakt aufgenommen hat. Wenn allerdings in einem solchen Fall vor Ort nochmals verhandelt und die Bedingungen geändert werden, kann dies in einem aktuellen Kaufvertrag vor Ort neu niedergelegt werden. So zum Beispiel wenn der Kaufpreis noch mal geringfügig geändert oder zusätzlich ein Satz Räder verkauft oder mitgeliefert wird. Der geändert vor Ort unterzeichnete Kaufvertrag stellt dann kein Fernabsatzgeschäft mehr dar und es entfällt beispielsweise das Widerrufsrecht. In zweiter Linie zu bevorzugen ist ein Vertragsabschluss durch individuellen Schrift-, Fax- oder E-Mail-Verkehr, da hier weniger strenge Anforderungen gelten als beispielsweise im Online-Handel. In allen Fällen ist der Händler jedoch nicht von der Verpflichtung entbunden, im Rahmen der Geschäftsanbahnung die notwendigen Vorschriften einzuhalten. Zu beachtende Vorgaben Die beim Fahrzeugverkauf an Verbraucher im Fernabsatz zu beachtenden Vorgaben sind in §§ 312 a ff. BGB geregelt. Bezogen auf den reinen Fahrzeugverkauf sind dies im Wesentlichen folgende: Im Fall der Telefonakquise muss der Anrufer zu Beginn des Gesprächs seine und die Identität der Firma bekannt geben, ferner den Zweck seines Anrufes. Bei jeder Form des Fernabsatzes zu erfüllen sind "in klarer und verständlicher Weise" die Informationspflichten nach Art. 246a EGBGB (Einführungsgesetz zum BGB). Zu bezeichnen sind: - die wesentlichen Eigenschaften des Kaufgegenstandes, also eine taugliche Beschreibung des Fahrzeuges und sinnvollerweise auch der Ausstattung - die vollständige Identität des Händlers mit Adresse, Telefonnummer, Fax und E-Mail, ebenso Identität und Anschrift des tatsächlichen Verkäufers bei Handeln im fremden Auftrag - eine evtl. abweichende Geschäftsadresse, an welche sich der Verbraucher mit jeder Beschwerde wenden kann - der Gesamtpreis des Fahrzeuges einschließlich aller Steuern und Abgaben. Nur wenn dies im Voraus nicht möglich ist, reicht die Mitteilung der Berechnungsgrundlagen. Fracht-, Liefer- oder Versandkosten sowie alle sonstigen Kosten sind gleichfalls mit in den Gesamtpreis einzubeziehen. Können diese nicht vorhergesehen und berechnet werden, ist der Hinweis auf diesbezüglich weiter anfallende Kosten ausreichend. - Kosten, die dem Verbraucher für den Einsatz des zum Vertragsabschluss genutzten Kommunikationsmittels berechnet werden, wenn sie über seine Kosten für die bloße Nutzung des Kommunikationsmittels hinausgehen - geltende Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, der Liefertermin sowie die Adresse für Beschwerden und die Art der Behandlung solcher Reklamationen. - das Bestehen gesetzlicher Sachmängelhaftungsrechte und eventueller Kundendienstleistungen oder Garantien mit deren Bedingungen - bestehende Verhaltenskodizes, denen der Händler unterworfen ist mit der Quelle, wo diese zu erhalten sind - ein Schiedsverfahren, dem sich der Händler außergerichtlich unterwirft mit Bekanntgabe der Zugangsvoraussetzungen Die Informationspflichten nach Art. 246a EGBGB umfassen darüber hinaus das dem Verbraucher nach § 312g BGB zustehende Widerrufsrecht, konkret. - die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung und Abwicklung des Widerrufsrechts sowie die gegebenenfalls bestehende Möglichkeit, das gesetzliche Muster-Widerrufsformular oder eine andere vorgegebene Erklärung zu verwenden - eine Verpflichtung, im Widerrufsfall die Kosten für die Rückgabe des Fahrzeuges zu tragen und - nachdem das Fahrzeug nicht auf dem normalen Postweg zurückgesendet werden kann - in welcher Höhe solche Kosten anfallen können. Beim Vertragsabschluss online bestehen weitere Verpflichtungen, die unter anderem von der Zurverfügungstellung von Korrekturhilfen, der unverzüglichen Bestätigung des Bestelleingangs, die Möglichkeit zur Abberufung und Speicherung der Vertragsbestimmungen und der AGBs über die Angabe von Lieferbeschränkungen und Mitteilung der akzeptierten Zahlungsmittel bis zur besonderen Gestaltung des Zahlungspflichtigen Bestellvorganges reichen. Formelle Erfordernisse Der Händler ist verpflichtet, dem Verbraucher den Vertragsabschluss innerhalb angemessener Frist, spätestens aber mit der Lieferung der Ware zu bestätigen, wobei auch der Vertragsinhalt auf einem dauerhaften Datenträger vollständig wiedergegeben zur Verfügung zu stellen ist. Hierbei sind auch oben aufgeführte, verpflichtende Informationen wiederzugeben, sofern und soweit sie dem Verbraucher nicht bereits vorangehend vor Vertragsabschluss in dieser dauerhaft verfügbaren Form überlassen wurden. Sanktionen Die Nichtbeachtung einzelner Vorgaben kann für den Händler zu Schadensersatzansprüchen und Rücktritt führen. Nicht ordnungsgemäß ausgewiesene Kosten für Lieferung, Versand etc. können nicht eingefordert und vom Kunden auch zurückverlangt werden. Darüber hinaus beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist erst nach einem Jahr ab Lieferung zu laufen, solange die Widerrufsbelehrung fehlerhaft oder unterblieben ist. Die Widerrufsbelehrung ist komplex und in der Praxis äußerst fehlerträchtig. Selbst die gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrung wurde in der Vergangenheit zweimal in kurzer Folge vom BGH als fehlerhaft "gekippt". Weil der Verwender des Muster-Widerrufsformulars zwischenzeitlich vom Gesetzgeber auch im Falle von aktuellen Fehlern so behandelt wird, als habe er ordnungsgemäß belehrt, empfiehlt sich dessen Verwendung uneingeschränkt, sofern außer den vorgesehenen Bausteinvarianten keine Veränderungen vorgenommen werden. Kurzfassung 1. Die nach den gesetzlichen Vorgaben im Fernabsatzgeschäft mit Verbrauchern einzuhaltenden Vorschriften sind nicht nur äußerst zahlreich, sondern für den Händler auch eine häufige Fehlerquelle.2. Die nicht ordnungsgemäße Erfüllung bestehender Informations- und Dokumentationspflichten kann neben wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen insbesondere auch zu vertraglichen Nachteilen führen.3. Vor allem Fehler im Bereich einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung können empfindliche Folgen haben und geben dem Verbraucher die Möglichkeit, ein Fernabsatzgeschäft bis zu der Dauer von einem Jahr und 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Kommentar Das Internet hat dem Autohandel in vielen Teilen ein neues Gesicht und neue Strukturen gegeben. Die Zeiten, dass in den Wochenendausgaben der Tageszeitungen die Anzeigen zum Fahrzeugmarkt überquollen, sind lange vorbei. Mit Fahrzeugangeboten im Internet ist so gut wie jeder Interessent erreichbar. Dies ist natürlich ein immenser Vorteil, auch wenn damit eine größere Konkurrenzsituation verbunden ist. In der juristischen Praxis bedeuten Fahrzeugverkäufe im Internet vor allem, dass die Käufer ihren Sitz oft in großer räumlicher Entfernung haben. Dies erschwert im Konfliktfall für beide Seiten faktisch zunächst einmal die Erledigung der Sachmängelhaftung und macht sie wegen anfallender Transportkosten vor allem auch teurer. Bei Uneinigkeit über die Voraussetzungen der Rückabwicklung müssen Rechtsstreitigkeiten häufig bei weit entfernt liegenden Gerichten geführt werden. Das größte Schreckgespenst eines jeden Autohändlers stellt beim Fernabsatz aber das Widerrufsrecht im Verbrauchergeschäft dar. Die damit verbundenen Risiken lassen sich nicht vorhersehen und vor allem unter der bestehenden Konkurrenzsituation auch wirtschaftlich beim Verkauf nur schwer einkalkulieren. Trotzdem führt am Fernabsatz im Autohandel kein Weg vorbei. Ziel muss es also sein, die Chancen des Fernabsatzes zu nutzen und die damit verbundenen zusätzlichen Risiken zu minimieren.Rechtsanwalt Robert Glocker

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