Von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat
Die Halbierung der Bemessungsgrundlage für die private Nutzung – sie soll für Elektro- und Hybridfahrzeuge vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021 Realität werden. Gegenwärtig finden dazu in Berlin finale Gespräche in einschlägigen Gremien statt. Darüber, über Politik und Diesel, über eine Unternehmenssteuerreform, die sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die Verwendung der Steuermehreinnahmen 2019 von bislang 50 Milliarden Euro sprach AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat in Berlin mit Fritz Güntzler. Der CDU-Politiker ist Mitglied des Deutschen Bundestages, Mitglied im Finanzausschuss, sowie Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Göttingen.
Gesetzes-Intention
AH: Woher kommt und wer ergreift die Initiative für eine Halbierung der Bemessungsgrundlage bei privater Nutzung eines Elektro- oder Hybridfahrzeuges?
Fritz Güntzler: Wir haben uns als Union von CDU und CSU bei den Koalitionsverhandlungen dafür stark gemacht, die Elektromobilität in Deutschland deutlich voranzubringen. Daher haben wir mit der SPD vereinbart, die bestehende Förderkulisse über das Jahr 2020 hinaus aufzustocken und zu ergänzen. Eine der Maßnahmen, die Halbierung der Bemessungsgrundlage bei der pauschalen Dienstwagenbesteuerung für Elektro- und ausgewählte Hybridfahrzeuge. Darüber hinaus ist im Koalitionsvertrag noch eine auf fünf Jahre befristete Sonderabschreibung von 50 Prozent bei gewerblich genutzten Elektrofahrzeugen vorgesehen.
Beratungs-Procedere
AH: Wie muss sich der Normalbürger das gesetzliche Procedere vorstellen, bis eine Regierungsvorlage dann schließlich Gesetzeskraft erhält?
F. Güntzler: Das fachlich zuständige Ministerium macht zunächst einen Vorschlag. Dieser so genannte Referentenentwurf wird mit den betroffenen Interessensverbänden im vorpolitischen Raum diskutiert, bevor er im Bundeskabinett beschlossen und dem Deutschen Bundestag zugeleitet wird. Dort wird der Regierungsentwurf im zuständigen Fachausschuss beraten. Dabei findet auch immer eine Sachverständigenanhörung statt. Die Beratungsergebnisse führen erfahrungsgemäß immer zu Veränderungen in der Gesetzgebung.
Gesetzliche Befristung
AH: Das besagte Halbierungs-Gesetz soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten und für zwei Jahre gelten. Wie kommt es zu dieser zeitlichen Befristung? Wäre da ein längerer Bogen nicht sinnvoller, zumal ja der Umweltbonus in Höhe von 4.000 Euro für E-Autos bzw. 3.000 Euro für Plug-in-Hybride Ende Juni 2019 auslaufen soll?
F. Güntzler: Mit dieser milliardenschweren Förderung von Elektroautos als Dienstwagen wollen wir vor allem den schleppenden Verkauf der Stromer ankurbeln. Wir setzen dabei bewusst kurzfristig auf schnelle Kaufanreize, um die Marktdurchdringung durch E-Fahrzeuge und ausgewählte Hybride so zu beschleunigen.
Politk & Diesel
AH: Die uferlose Dieselmalaise führte die Politik in eine Dilemma-Situation. Der Eindruck ist entstanden, dass die Politik in ihren Entscheidungen nicht mehr unabhängig agieren kann. Oder gar industrieabhängig agiert. Wie sehen Sie das?
F. Güntzler: Man muss aufpassen, dass wir hier nicht zwei verschiedene Sachverhalte miteinander vermischen, nur weil das in der Öffentlichkeit gut ankommt. Bei den aktuellen Fragen zu sauberer Luft und Fahrverboten geht es ja nicht um die illegal manipulierten Fahrzeuge. Ich finde hier hat sich die Bundesregierung mit der Einigung beim Diesel-Gipfel handlungsfähig gezeigt und ein Konzept auf den Weg gebracht, um die Luft in den Städten besser zu machen. Besitzer älterer Diesel in Regionen mit besonders schmutziger Luft sollen neue Angebote zum Kauf sauberer Wagen oder für Motor-Nachrüstungen bekommen. Vorgesehen ist das für Dieselfahrer, die in Städten mit hohen Grenzwertüberschreitungen bei der Luftbelastung mit Stickstoffdioxid (NOx) wohnen oder regelmäßig in diese pendeln.
Zum anderen ist da die Frage, wie wir vom Diesel-Skandal betroffene Autofahrer entschädigen wollen. Hier wurde für die Hersteller nach Bekanntwerden der Manipulationen 2015 ein verpflichtender Rückruf angeordnet. Auch eine Hardware-Nachrüstung sollte erneut geprüft werden. Wichtig bleibt dabei nach wie vor, dass die Verbraucher nicht über Gebühr belastet und die Hersteller in angemessener Weise beteiligt werden. Dementsprechend sind wir noch nicht am Ende der Debatte. Ich sehe die Politik aber nicht durch die Industrie getrieben.
Abschaffung des Soli
AH: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier spricht sich aktuell für eine sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlages aus. Der Soli sollte gesetzeskonform ohnehin 2019 auslaufen. Wo bleibt das beherzte Ja für die gesetzeskonform geregelte Abschaffung? Und die Kanzlerin meinte als Reminiszenz zur Bayernwahl: Es müsse dringlich wieder politisches Vertrauen aufgebaut werden.
F. Güntzler: Auch hier verweise ich auf die Koalitionsverhandlungen. Wir konnten uns in den Verhandlungen nicht mit der Forderung nach einer kompletten Abschaffung des Solis durchsetzen. Das wollte die SPD nicht mitmachen. Der jetzige Vorschlag, in einem ersten Schritt 90% der Soli-Zahler zu entlasten kann nur der Anfang sein. Der zweite Schritt mit der vollständigen Abschaffung muss zügig folgen. Daher unterstütze ich persönlich den Vorschlag von Peter Altmaier nach einer kompletten Abschaffung. Zum politischen Vertrauen gehört es aber auch, vertragstreu zu sein. Weil die komplette Abschaffung nicht im Koalitionsvertrag steht, müssen wir mit der SPD noch einmal über diesen Punkt verhandeln. Da reden wir aber über zehn Milliarden Euro pro Jahr weniger Einnahmen des Bundes.
Sprudelnde Steuereinnahmen – Steuerreform
AH: Bis September wurde über die Steuern für dieses Jahr ein Einnahmeüberschuss von 50 Milliarden Euro erwirtschaftet. Was passiert mit diesem Geld? Wer befindet darüber? Weshalb fließt nicht zumindest ein Teil an die zurück, die es erwirtschaftet haben?
F. Güntzler: Die Haushaltshoheit liegt beim Parlament. Die Entscheidung über die Verteilung der Staatsausgaben trifft also der Deutsche Bundestag. Die Arbeitsteilung funktioniert dabei so, dass Finanzpolitiker wie ich für die Einnahmen verantwortlich sind. Zum Beispiel über die Steuergesetze. Die übrigen Fachpolitiker, allen voran die Haushaltspolitiker, geben das Geld dann wieder aus. Aber ganz im Ernst: Das Bundesministerium der Finanzen legt der Bundesregierung in jedem Jahr einen Haushaltsentwurf sowie eine mittelfristige Finanzplanung vor. Auch dieser Entwurf wird vom Kabinett beschlossen und anschließend im Bundestag zur Beratung weitergegeben. Bei diesen Beratungen kommt es immer wieder dazu, dass deutlich mehr Geld ausgegeben wird, als vom Bundesfinanzminister vorgeschlagen. In der Steuerpolitik herrscht seit Jahren Stillstand. Die Union pocht auf ihre Forderung, die Steuern nicht zu erhöhen. Die SPD indes wehrt sich seit Jahren dagegen, mit uns eine umfassende Unternehmenssteuerreform anzugehen. Diese brauchen wir meines Erachtens dringend.
Für die Jahre 2018 bis 2021 sind nach der Finanzplanung des Bundes für die Haushaltsaufstellung Ausgaben von 1,392 Billionen Euro vorgesehen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, über die dort eingeplanten Maßnahmen hinaus, den absehbaren finanziellen Spielraum der nächsten vier Jahre für prioritäre Ausgaben in den folgenden Schwerpunkt-Bereichen zu nutzen: Investitionen in die Zukunft: knapp sechs Milliarden Euro für Bildung, Forschung, Hochschulen und Digitalisierung. Zwölf Milliarden für Investitionen in Familien, Kinder und im Bereich Soziales. Vier Milliarden sind für den Bereich Bauen und Wohnen vorgesehen und zwölf Milliarden für gleichwertige Lebensverhältnisse, Landwirtschaft, Verkehr und Kommunen. Außerdem noch zwei Milliarden zur Erhöhung des Verteidigungsetats und weitere zehn Milliarden zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Das sind alles große politische Aufgaben, die zu gestalten sind. Und das ist nur mit einer soliden Finanzbasis zu gestalten. Die besagten Steuer-Mehreinnahmen beruhen auf Schätzungen. Auch die erfreulichen Steuer-Mehreinnahmen haben zeitliche und dimensionale Begrenzung.
AH: Herr Güntzler, vielen Dank für das Gespräch! Auf eine Vereinfachung der Steuergesetzgebung!