Gebrauchtwagen-Bewertung: Sitzt, passt, wackelt und bringt Ertrag

Die Gebrauchtwagenbewertung kann man nicht isoliert betrachten. Einen passenden Verkaufswert findet man zwar relativ leicht, GW-Börsen und Kalkulationshilfen wie z. B. Eurotax oder DAT geben da schnell Auskunft. Man muss aber den komplexen Zusammenhang zwischen Sortimentsstrategie, Verwendungsentscheidung, Bewertungsstandards und Kalkulation sehen, erst dann wird "ein Schuh" daraus. Zu Beginn ist ein Gebrauchter vor der Hereinahme dahingehend zu bewerten, ob er in die vom Autohaus klar erstellte Sortimentsstrategie passt. Diese muss genau definiert werden und nur Fahrzeuge, die in einer Vorabprüfung zu dieser Vorgabe passen, können in einen Bewertungsprozess genommen werden. So vermeidet man Risiken, die letztlich aus Sicht der Standkosten nicht kalkulierbar sind und regelmäßig zu großen Verlusten führen. Ein Praxisbeispiel für ein GW-Sortiments-Management, das gezielte Einkaufskriterien nach Absatzchancen schafft: (GW-Einkaufskriterien eines erfolgreichen GW-Händlers: Fahrzeuge, die bei der ersten Verwendungsentscheidung nicht in das folgende Schema passen, werden an Wiederverkäufer abgegeben oder das Geschäft wird komplett abgelehnt): - deutsches Auto - Verkäufer ist letzter Besitzer - Haltedauer > 9 Monate - maximal 2 Vorbesitzer - unfallfrei - Fahrzeug ist angemeldet - Scheckheft vorhanden, vollständig - Reparaturrechnungen vorhanden - optisch technisch OK - HU fällig, maximal 12 Monate - Kilometer maximal 80.000 - Fahrzeugalter max. 60 Monate ab EZ - Farben nach aktueller Vorgabe - Reifenprofil > 50 % - Zahnriemen getauscht (Beleg Rechnung) Erste Verwendungsentscheidung Hereingenommen werden also nur Fahrzeuge, die in die GW-Sortimentsstrategie passen. Eine Bewertung reduziert sich dann lediglich auf grundsätzliche Funktionskriterien, die vom Aufkäufer vorgegeben werden. Eine preisliche Einschätzung basiert ebenfalls auf diesen Vorgaben. In dieser Phase beginnt schon ein Gesetz des ertragreichen Handelns im GW-Business, nämlich das Gesetz der Geschwindigkeit und konsequenten Sortimentsgestaltung und -pflege. Geschwindigkeit bedeutet Standkosten durch Standtage konsequent vermeiden! Fahrzeuge, die ins Sortiment genommen werden, können bei Anwendung einer durchschnittlichen Kostenbetrachtung ca. 60 Tage mit Ertrag im Angebot vorgehalten werden, dann beginnt die Verlustzone. Deshalb empfiehlt es sich, nur Gebrauchte im Angebot zu halten, deren Absatzchancen man innerhalb der genannten Frist positiv einschätzen kann. Mit Geschwindigkeit ist gemeint, dass man möglichst alle Kosten - z. B. die Standkosten - so gering wie möglich hält. Schon die Sammlung von Fahrzeugen, die beispielsweise über Wochen hinweg zur Abgabe für Wiederverkäufer vorgesehen sind, verursachen unnötige Kosten. Zweite Verwendungsentscheidung Die Bewertung eines Ankauf- oder Eintauschangebotes ist Grundlage der zweiten Verwendungsentscheidung, nachdem das Angebot das erste Kriterium, das der Sortimentsbeurteilung, positiv überstanden hat. Zu diesem Prozessschritt müssen genaue interne GW-Einkaufsstandards festgelegt sein. Idealerweise bedient man sich vorgefertigter Checklisten oder digitaler Hilfsmittel zur peniblen Überprüfung des Fahrzeugzustandes. Sollte es sich um einen GW-Hereinnahmefall handeln, ist diese Aufgabe von einem Techniker durchzuführen, im Idealfall gemeinsam mit dem Kunden, dem dabei - aus neutraler Sicht der Technik - mögliche Schäden aufgezeigt werden können. In der Praxis sieht man immer noch viele Fälle (zu viele!), in denen der Verkäufer diesen Technik-Check durchführt. Dass hier zumindest der Verdacht aufkommt, dass die Überprüfung etwa zugunsten des Verkaufs und zulasten der tatsächlichen möglichen Instandsetzungskosten ausfallen kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Dritte Verwendungsentscheidung Bis zu dieser Phase sind außer den internen zurechenbaren Kosten für den Personalaufwand weder direkte noch indirekte GW-Kosten angefallen, das Fahrzeug ist noch nicht angekauft und ein Vermarktungsrisiko ist ausgeschlossen. Es geht nun darum, festzustellen, ob man die Kalkulation - also die Kosten für Instandsetzung und Aufbereitung - bei diesem Geschäft durchsetzen kann. Aufgabe ist, die entstehenden Aufwendungen zur Verkaufsbereitstellung unter Berücksichtigung des relativ fix feststehenden Verkaufspreises (kalkuliert unter Zuhilfenahme der Daten aus den GW-Kalkulationshilfen wie z. B. Schwacke, DAT, diverse Börsen) inklusive der Einberechnung des vorgesehenen Gewinnaufschlages, zu realisieren. Kommt man zur Erkenntnis, dass diese Kriterien nicht erfüllt werden können, so muss hier eine Verwendungsentscheidung analog wie anfangs erwähnt getroffen werden: Entweder geht das Fahrzeug zum Wiederverkäufer, der so zu erzielende Preis wäre dann (evtl. auch mit einem geringen Aufschlag versehen) der mögliche Einkaufspreis für den anbietenden Kunden oder das Geschäft kommt eben nicht zustande. Auch in dieser Phase gelten die strengen Vorgaben des Sortimentsmanagements: Kein Fahrzeug wird übernommen, das nicht in die Sortimentsstrategie passt. Ein weiterer Grundsatz soll hier als fixer Standard erwähnt sein: die "Top-Down- Kalkulation". Das bedeutet, dass am Anfang der mögliche GW-Verkaufspreis fixiert wird. In Abzug kommen dann die Gewinnmargen, die direkten und indirekten Kosten. So ergibt sich ein möglicher Preis für den Erwerb des Fahrzeuges. In diesem Zusammenhang sei als Controlling-Instrument im GW-Handel die Nachkalkulation genannt. Nicht nur die, welche aufzeigt, ob der kalkulierte Verkaufspreis in Einklang mit den erzielten Werten übereinstimmt. Besonders wichtig ist dabei auch die "Nachkalkulation II", die zwölf Monate nach dem Verkauf die Gewährleistungsanforderungen für das Fahrzeug aufzeigt. Mit diesem Instrument kann man jederzeit die interne Qualität der technischen Tests und Instandsetzungskriterien überprüfen. Bewertung und Kalkulation Nach der technischen Überprüfung erfolgt die Kalkulation der Instandsetzung und Aufbereitung. Auch dafür sind interne Standards zu erstellen: Was wird auf welche Art und Weise instand gesetzt? Wie wird auf welche Art und Weise aufbereitet? Klare Regeln schaffen Sicherheit und führen zu den gewünschten Ergebnissen. Die Regeln umfassen die Aufbereitung und Instandsetzung - festgelegt z. B. nach Fahrzeugalter -, die klare Entscheidung darüber, mit welchen Ersatzteilen instand gesetzt wird (OET oder Identteile) oder auch, welche optischen Schäden evtl. toleriert und welche kompromisslos repariert werden. Fahrzeugübernahme und Verkaufsbereitstellung Ein weiteres Kriterium der internen GW-Kalkulations- und Bewertungsstandards sind folgende Festlegungen: - Falls die Bewertung und die Übernahme zeitlich z. B. 30 Tage oder mehr auseinanderliegen (der Zeitraum muss festgelegt sein) - in welchem Umfang erfolgt dann eine Nachbewertung? - Sind mit dem Kunden Vereinbarungen getroffen worden, wie viele Kilometer maximal seit der Erstbewertung gefahren werden durften? Welche Preiskorrekturen sind zur Hereinnahme anzurechnen? Wenn der Übernahme des Gebrauchten nichts mehr im Wege steht, wird sofort der Auftrag zur Instandsetzung und Aufbereitung an die Werkstatt erstellt. Der Verkauf gibt einen klaren Werkstattauftrag vor, der im Rahmen der üblichen Vorlaufzeiten wie ein normaler Kundenauftrag termingerecht erledigt wird. Sollte eine Vorlaufzeit zur Erledigung des internen Auftrages über drei Tage hinausgehen, so sind Zeitpolster im Werkstattplaner für den besten und größten Kunden einzuplanen, den es für die Werkstatt gibt: den Verkauf! Zeitverzögerungen bei der Instandsetzung/Aufbereitung sind nicht zu akzeptieren. Bei langwierigen Instandsetzungen im Karosserieund Lackbereich sind die zusätzlichen Kosten der "Standzeit 0" bei der Hereinnahmekalkulation zu berücksichtigen und zu kalkulieren.

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