Digitalstudie 2022: Schlüsselmomente an den Touchpoints

AH: Die Digitalstudie 2022, welche das IfA im Auftrag des TÜV Nord sowie mit AUTOHAUS dieses Jahr zum vierten Mal durchgeführt hat, durchleuchtet die Kundenkontaktpunkte über die gesamte Customer Journey in Verkauf und Werkstatt. Hat sich dabei gegenüber dem Vorjahr etwas verändert?B. Maier: Es gibt einige Verschiebungen während des Kaufprozesses. Zum Beispiel nimmt der Anteil derjenigen ab, die ihr Auto aus einem Impuls heraus kaufen, also schnell zuschlagen, wenn sie ein spannendes Modell oder attraktives Angebot sehen. Lediglich zwölf Prozent tun dies noch. Vielmehr kaufen die Kunden aus einer Notwendigkeit heraus. Meines Erachtens ist das maßgeblich auf die Warenknappheit, die wirtschaftlichen Unsicherheiten und die Inflation zurückzuführen. Wir sehen auch, dass weniger über Preise verhandelt wird, wenngleich sich dieser Wert mit 83 Prozent weiterhin auf einem hohen Niveau bewegt.AH: Welche Erkenntnisse haben Sie im Werkstattgeschäft gewonnen?H. Abeln: In diesem Bereich haben wir den Punkt der Zahlweise von Rechnungen neu aufgenommen, weshalb sich in der Gesamtstudie nun 16 statt der bisherigen 15 Kundenkontaktpunkte finden. Hier hat sich herausgestellt, dass über ein Drittel der Kunden freier Werkstätten ihre Rechnungen vor Ort begleichen und dafür Bargeld präferieren. Bei den Vertragswerkstätten ist es nur jeder fünfte. Es wurde außerdem abgefragt, ob die Betriebe auch SB-Kassen einsetzen und wie diese angenommen werden. 29 Prozent der Werkstätten haben eine solche Lösung zu bieten, aber lediglich zwei Prozent aller Werkstattrechnungen der Vertragswerkstätten wurden hierüber beglichen. Damit spielt Bargeld nach wie vor eine wichtige Rolle und viele Kunden verhalten sich generell konservativ, wenn es ums Bezahlen geht.AH: Mit über 80 Seiten hat das IfA die bisher umfangreichste Arbeit der Studien-Reihe erstellt. Wie viele und welche Teilnehmer haben Sie dafür befragt?B. Maier: Wir haben 540 Kunden im April mittels Online-Fragebögen interviewt, die vor maximal zwölf Monaten ein Fahrzeug beschafft haben. Diese teilen sich auf in 51 Prozent Neuwagen- und 49 Prozent Gebrauchtwagenkäufer. Aufseiten der Händler haben wir die Entscheider aus 244 Marken-Autohäusern unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlichen Verkaufsvolumina im Zeitraum von April bis Juni befragt.AH: Welche neuen Aspekte an den Touchpoints haben Sie untersucht?B. Maier: Wir haben dieses Mal gezielt abgefragt, in welchen Momenten entlang des Kaufprozesses die Kunden tatsächlich mit jemandem persönlich sprechen möchten. Dabei haben wir nach Antriebsarten unterschieden. Die Gliederung erfolgte nach Neu- und Gebrauchtwagen-Verbrenner sowie Elektro-Neuwagen. Über alle ist in zwei Schlüsselmomenten der persönliche Kontakt stark gefordert: bei der Preisverhandlung und der Fahrzeugübergabe. In beiden Situationen wünschen das Gebrauchtwagenkäufer noch stärker als Neuwagenkäufer.AH: Jedes Jahr widmet sich die Studie auch speziellen Themen, die im Handel aktuell oder von besonderem Belang sind. Welche sind es dieses Jahr gewesen?H. Abeln: Dieses Jahr hat sich das Institut zwei großen und höchst aktuellen Sonderthemen gewidmet. Das erste sind die einschlägigen Bewertungs-Plattformen. Die Leser erhalten eine Übersicht über elf Portale, ihre Reichweite, Bewertungslogik, Bewertungsablauf und die Branche, auf die sich die Anbieter ausrichten. Daneben wurden die Spezifika für Autohäuser durchleuchtet und wie sie auf Bewertungen reagieren können. Es wird unter anderem dargelegt, welche Portale die Kunden einsetzen und welche Relevanz sie den Bewertungen innerhalb ihres Entscheidungsprozesses beimessen. Eine klare Aussage ist dabei, dass sie Fünf-Sterne-Bewertungen nicht präferieren, sondern eher Werte zwischen 4,5 bis 4,8.Auch die Reaktionszeiten der Händler auf Kundenbewertungen hat das IfA ergründet. Die Frage "Was erwarten Kunden, wie schnell muss ich als Unternehmen auf eine negative Bewertung reagieren?" wurde Käufern und Händlern gestellt. Ergebnis ist, dass die Autohäuser ein hohes Tempo vorlegen und auf negative Bewertungen schneller reagieren, als es die Kunden erwarten. Das ist sehr positiv.B. Maier: Zusätzlich liefern wir eine How-to-Liste für den Umgang mit diesen Portalen, wie Autohäuser ihre Kunden zu Bewertungen motivieren und wie auf negative Bewertungen zu reagieren ist. Wie das konkret aussieht, wird anhand eines Worst- und Best-Practice-Beispiels verdeutlicht. Auch ein Zehn-Punkte-Plan für ein erfolgreiches Reputationsmanagement ist dabei.Des Weiteren liegt der Studie eine Customer-Touchpoint-Map bei. Diese können die Autohäuser und Werkstätten einsetzen, um die Verhaltensweisen einzelner Kunden und Gruppen entlang der Customer Journey im Verkauf besser zu verstehen und damit zu arbeiten. Verantwortliche in den Autohäusern sind eingeladen, dieses Template auf konkrete Kundengruppen anzuwenden. Es zeigt auf und visualisiert, mit welchen KPI Erfolg gemessen wird und welche Medien und Formate diesem Zweck dienen.AH: Mit welchem anderen Sonderthema haben Sie sich noch beschäftigt?B. Maier: Das Zweite ist der Online-Vertrieb und die Bereitschaft der Kunden, diesen Kanal zu nutzen. Hierfür wird nach Neuwagen- und Gebrauchtwagen-Online-Kauf unterschieden. Demnach können sich 25 Prozent der GW-Käufer vorstellen, ihr nächstes Auto komplett online zu kaufen - ohne persönlichen Kontakt und ohne das Fahrzeug live zu erleben. Bei den Neuwagenkunden sind es 47 Prozent. Überdies haben wir allen die Frage gestellt: "Was sind die Argumente für einen Online-Kauf?" Darauf haben alle Käufer am häufigsten den Preisvorteil genannt. Darüber hinaus sagen 51 Prozent der Neuwagen-Kunden, dass das Online-Angebot günstiger sein muss. Bei den Gebrauchtwagenkunden sind es 48 Prozent. Diese Gruppen wurden wiederum befragt: "Welcher Preisvorteil wäre bei Online-Kauf angemessen?" Gebrauchtwagenkäufer sagen, dass online 16 Prozent günstiger sein sollte, die Neuwagenkunden 17 Prozent.AH: Büßen die Autohäuser damit an Bedeutung ein?H. Abeln: Keinesfalls. Denn die Online-Interessierten setzen im Interview etwa auf die weitere Frage "Wie attraktiv sind einzelne Anbietergruppen, um ein Fahrzeug rein online zu kaufen?" die Vertragshändler aus der Region mit stationärem Kontaktpunkt auf Platz eins. 69 Prozent der Gebrauchtwagen- und 78 Prozent der Neuwagenkäufer halten diese für sehr respektive eher attraktiv. Auf Platz zwei folgt der Automobilhersteller.AH: Welche weiteren neuen Themen gibt es?B. Maier: Ein Novum ist auch die Analyse zur Netzdichte. Im Zentrum stand die Frage, wie engmaschig müssen Vertriebsund Werkstattnetze sein, damit Kunden nicht das Autohaus oder die Marke wechseln. Die Befragung hat ergeben, dass 46 Prozent der Neuwagenkunden bereit sind, für den Kauf einen Umweg respektive eine Fahrtzeit von maximal 60 Minuten mit dem Auto zurückzulegen. Ist ein Händler nicht innerhalb von 60 Minuten erreichbar, wandern 54 Prozent ab. Für den Werkstattbesuch sind immerhin 37 Prozent der Neuwagenkunden bereit, einen Umweg oder eine Fahrzeit bis 45 Minuten in Kauf zu nehmen. Wird es länger, wandern 63 Prozent ab. GW-Fahrer sind dagegen nicht so fahrbereit.AH: Was folgt aus den Ergebnissen für die Kundenansprache?B. Maier: Kurz gefasst: Die Autohäuser und Werkstätten müssen einfach massiv ihre Online-Sichtbarkeit erhöhen. Dass die Betriebe im Verkauf diesen Weg auch tatkräftig beschreiten, zeigen die Auswertungen zu den Marketing-Ausgaben. Dort fließen inzwischen 57 Prozent des Budgets in Online-Aktivitäten. Das ist der höchste Wert innerhalb der Studienreihe. 2021 sind es 52 Prozent, 2017 erst 31 Prozent gewesen. Die Entwicklung weist also in die richtige Richtung.H. Abeln: Im Vergleich zum Vertrieb hängt der Werkstattbereich weiter auf der digitalen Reise hinterher. Aber auch in dieser Sparte wird das Online-Marketing intensiviert. Das dürfte mit rückläufigen Umsatz- und Ertragsentwicklungen sowie dem gesteigerten Wettbewerb zu tun haben. Auch Werkstätten machen daher stärker online auf sich aufmerksam und bieten mehr Möglichkeiten der Online-Kommunikation. Sie setzen zum Beispiel öfter Chatbots ein. Während das 2021 nur zehn Prozent der Händler getan haben, sind es dieses Jahr schon 38 Prozent. Das ist ein beachtlicher Sprung.AH: Welches Fazit ziehen Sie generell?B. Maier: Grundsätzlich müssen sich die Entscheider in Zeiten des Fachkräftemangels überlegen, was muss wirklich mit eigenem Personal besetzt werden und was kann man den Kunden selbst machen lassen, unabhängig vom eigenen Zutun. Ob das erfolgreich gelingt, ist eine Frage der Automatisierung und des Outsourcings. Hier kommt der richtige Einsatz der Online-Medien ins Spiel. Dies sollte meines Erachtens stark mitgedacht und als Chance begriffen werden.AH: Vielen Dank für das Gespräch!Webinar Zur StudieDie Erkenntnisse aus der Digitalstudie 2022 von TÜV Nord in Kooperation mit dem IfA Institut für Automobilwirtschaft und AUTOHAUS stellen Prof. Dr. Benedikt Maier, Hartmut Abeln und Ralph M. Meunzel in einem Online-Seminar vor.Teilnehmer erhalten die Studie kostenfrei! 8. November 2022, 14.00 Uhr bis 15.30 Uhr Weitere Informationen und Anmeldung unterwww.autohaus.de/digitalstudie2022

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