Wirtschaftlicher Totalschaden: Restwert und Schadensminderungspflicht

Immer wieder kommt es vor, dass ein Unfallfahrzeug ins Autohaus gebracht wird und sich ein nicht reparaturwürdiger wirtschaftlicher Totalschaden herausstellt. Es wird dann insbesondere zur Ermittlung des Restwerts ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Zu dessen Bestimmung holt der Sachverständige drei Angebote von Restwertaufkäufern ein. Von daher stellt sich nachfolgend die Frage, ob das Fahrzeug zu diesem Restwert sofort veräußert werden kann, ohne dass vorher der Haftpflichtversicherung des Unfallschädigers die Möglichkeit gegeben wird, eventuell ein höheres Restwertangebot zu unterbreiten. Gegebenenfalls möchte das Autohaus das Unfallfahrzeug für den Verkauf eines Neu- oder Gebrauchtwagens selbst zu dem vom Sachverständigen festgestellten Restwert in Zahlung nehmen. In der Praxis geschieht es wiederholt, dass die Haftpflichtversicherung des Unfallschädigers nach dem Verkauf gemäß Restwert ein höheres Restwertangebot unterbreitet und auf dieser Basis abrechnet. Dem ist das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Berufungsverfahren zum Az. 3 U 46/15 entgegengetreten.Grundsätzliches zur SchadensabwicklungEin Geschädigter kann im Totalschadensfall nur Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwerts verlangen. Die Ersatzbeschaffung als Variante der sog. Naturalrestitution steht unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Im Hinblick darauf hat der Geschädigte bei der Schadensbehebung im Rahmen des ihm Zumutbaren unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen. Dies gilt auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung zu berücksichtigen ist. Denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss sich der Geschädigte grundsätzlich im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten. Dem postulierten Wirtschaftlichkeitsgebot leistet der Geschädigte im Allgemeinen Genüge und bewegt sich damit in den gesetzlich vorgegebenen Grenzen für die Schadensbehebung, wenn er das Unfallfahrzeug auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens und des darin ausgewiesenen Restwerts verkauft - oder in Zahlung gibt. Das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen ist hierbei "in aller Regel" die geeignete Grundlage für die Bemessung des Restwerts und die Schadensberechnung. Dies schließt allerdings nicht aus, dass bei Vorliegen besonderer Umstände der Geschädigte verpflichtet sein kann, im Rahmen der allgemein bestehenden Schadensminderungspflicht eine günstigere Verwertungsmöglichkeit wahrzunehmen.Die Regel und die AusnahmeNach dem gesetzlichen Leitbild zum Schadensersatz ist der Geschädigte "Herr des Restitutionsgeschehens". Insbesondere dürfen ihm bei der Schadensabwicklung nicht die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgezwungen werden, dies ist die Regel und durch die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeurteilt.Es sind allerdings dann Ausnahmen zu machen, wenn eine bestimmte Art der Schadensrestitution für den Geschädigten ohne weiteres und ohne besondere Anstrengung möglich ist. Dies gilt beispielsweise für die im Sachverständigengutachten aufgeführten Stundenverrechnungssätze. Der Sachverständige nimmt hierbei grundsätzlich Bezug auf die Verrechnungssätze einer Fachwerkstatt. Weist die Haftpflichtversicherung eine Möglichkeit zur einwandfreien und fachgerechten Reparatur zu günstigeren Stundensätzen nach, so hat sich der Geschädigte hierauf verweisen zu lassen. Eine solche Ausnahme ist auch für die Restwertermittlung in einem Sachverständigengutachten möglich. Dass der Sachverständigenschätzwert nicht ausnahmslos der Schadensabrechnung zu Grunde gelegt werden darf, ist etwa für den Fall anerkannt, dass der Geschädigte bei dem Verkauf oder der Inzahlunggabe ohne besondere Anstrengung tatsächlich einen höheren Restwert erzielt hat. Einen solchen tatsächlich erzielten höheren Restwert hat sich der Geschädigte zurechnen zu lassen. Es gibt also im Einzelfall Umstände, die einen Geschädigten im Sinne der Schadensminderungspflicht auch dazu verpflichten können, von einer durch den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung angebotenen günstigeren Verwertungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Dies jedenfalls dann, wenn eine solche Möglichkeit dem Geschädigten ohne weiteres zugänglich ist und ein einschränkungslos annahmefähiges Angebot darstellt. Der diesbezüglichen Schadensminderungspflicht könne ein Geschädigter allerdings erst dann entsprechen - so einige Instanzgerichte bis in die jüngste Vergangenheit und so auch das vom OLG Köln aufgehobene vorgängige Urteil des LG Köln -, wenn der Schädiger überhaupt Gelegenheit erhalten habe, ein besseres Restwertangebot zu unterbreiten. Dies könne konsequenterweise aber erst nach der Übersendung des vom Geschädigten eingeholten Gutachtens und der darin enthaltenen Restwertangebote erfolgen. Habe der Geschädigte der Haftpflichtversicherung des Schädigers aber keine Möglichkeit zur Überprüfung und Abgabe eines besseren Restwertangebots innerhalb zumutbarer Frist gegeben, so müsse er sich auf ein späteres höheres Restwertangebot der Haftpflichtversicherung verweisen lassen.Das Urteil des OLG KölnIn dem Verfahren vor dem OLG Köln ging es um ein mit der Berufung angegriffenes erstinstanzliches Urteil des Landgerichts (LG) Köln. Das LG hatte über genau den Fall zu entscheiden, dass der Geschädigte vor Geltendmachung gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallschädigers sein Fahrzeug zu dem Restwert gemäß Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen veräußert hatte, ohne vorher der Haftpflichtversicherung die Möglichkeit zur Abgabe eines eigenen Restwertangebots einzuräumen. Das Landgericht legte der Schadensabwicklung das spätere - höhere - Restwertangebot der Haftpflichtversicherung zu Grunde. Die Klage auf Bezahlung des Restwert-Differenzbetrags wurde vom LG abgewiesen. Das OLG sah die Sache anders und erteilte in der Berufungsverhandlung den Hinweis, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, der Haftpflichtversicherung die Möglichkeit zur Abgabe eines höheren Restwertangebots zu geben. Das OLG Köln nahm Bezug auf die Rechtsprechung des BGH und führte aus, dass eine entsprechende Verpflichtung des Schädigers nicht besteht, weil anderenfalls die ihm nach § 249 BGB zustehende "Ersetzungsbefugnis" unterlaufen würde. Auch durfte der Geschädigte auf die Feststellung des Restwerts durch den Sachverständigen vertrauen, weil es den vom BGH aufgestellten Anforderungen an ein Sachverständigengutachten entsprach. Hiernach sind drei konkret bezeichnete Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt ausreichend. Darüber hinaus stammte das von der Haftpflichtversicherung vorgelegte höhere Restwertangebot nicht vom allgemeinen regionalen Markt, so dass dieses ohnehin nicht berücksichtigungsfähig war. Nach den erteilten Hinweisen erkannte die Haftpflichtversicherung schließlich den Anspruch des Geschädigten an. Es bleibt zu hoffen, dass sich zukünftig ausnahmslos sämtliche Haftpflichtversicherungen in ihrer Regulierungspraxis besserer Einsicht beugen werden.Kurzfassung1. Im Totalschadensfall kann der Geschädigte nur Ersatz des Wiederbeschaffungswerts abzüglich Restwert verlangen. Auch bei der Verwertung des Unfallfahrzeuges gemäß Restwert hat der Geschädigte das für die Schadensabwicklung generell geltende Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten.2. Der Geschädigte kann sein Fahrzeug zu dem von seinem Sachverständigen festgestellten Restwert veräußern, ohne vorher der Haftpflichtversicherung des Unfallschädigers die Möglichkeit zur Abgabe eines eigenen Restwertangebots zu geben.3. Hat die Haftpflichtversicherung allerdings vor dem Verkauf des Unfallfahrzeuges ein sofort annahmefähiges höheres Restwertangebot aus dem regionalen Markt abgegeben, muss sich der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht hierauf verweisen lassen.KommentarJe höher der Restwert, umso geringer der Betrag, den die Haftpflichtversicherung zur Schadensregulierung zu bezahlen hat. Der Restwert ist hierbei nur eine Position in dem Bemühen der Haftpflichtversicherer, die Schadensersatzzahlungen flächendeckend möglichst niedrig zu halten. Dass eine Schadensregulierung auf erste Anforderung gemäß Gutachten vorgenommen wird, ist beileibe nicht mehr der Regelfall. Es werden Abzugspositionen aufgebaut, die schnell einmal zehn Prozent des gesamten Schadens ausmachen. Beispielhaft seien als verweigerte oder reduzierte Positionen neben dem Restwert genannt: Stundenverrechnungssätze, Nutzungsausfall, Kosten der Beilackierung und Lackiervorbereitung, Funktionstests, Verbringungskosten, Sachverständigenhonorar ... Entgegenstehende Rechtsprechung wird bei den vorgenommenen Abzügen oftmals schlicht außer Acht gelassen. Es ist wohl kaum eine Unterstellung, dass die Versicherer - allzu häufig zu Recht - damit rechnen, dass den Geschädigten die Durchsetzung der diversen Abzugspositionen zu lästig ist und sie auf eine - gegebenenfalls gerichtliche - Geltendmachung verzichten.Rechtsanwalt Walter Sattler

Wirtschaftlicher Totalschaden: Restwert und Schadensminderungspflicht

MEISTGELESEN

Auszeichnung: Mazda ehrt Spitzenverkäufer

Exzellenz im Autohaus: Die besten Partnerbetriebe von Mazda

VW: Drei neue Elektroautos für China

STELLENANGEBOTE

Kfz-Mechatroniker (m/w/d)

Kfz-Mechatroniker, Service- / Diagnosetechniker oder Hochvolttechniker (m/w/d)

Student (m/w/d) Duales Studium Maschinenbau

BMW Serviceleiter (m/w/d)

Garantie - Sachbearbeiter (m/w/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER