Gehen wir gleich in Medias Res und nehmen Platz: Der Nio-Innenraum macht einen sehr hochwertigen Eindruck. Die Materialien, wie das satt gepolsterte Lenkrad, fassen sich ausnahmslos angenehm an und sehen erlesen aus. Viele Teile sind weich und schmeicheln Augen und Händen. Hier knarzt nichts, hier scheppert nichts, hier knirscht nichts. Ein gigantisches Panorama-Schiebedach (laut Nio das größte seiner Klasse) sorgt für stimmungsvolles Lichtambiente im Interieur. Mit einer Länge von 4,85 Metern, einer Breite von 2,0 Metern, einer Höhe von 1,70 Metern und einem Radstand von 2,91 Metern bietet der EL6 den Insassen großzügigen Platz, gleich, wo ob man vorne oder hinten sitzt.
Die Rücksitze können im Verhältnis 40/20/40 umgeklappt werden, um einen (für die Größe dann doch eher überschaubaren) Stauraum von bis zu 1.430 Litern (sonst 579 Liter) zu schaffen. Einen Frunk bietet der wuchtige Chinese dagegen nicht. Fuhrparkmanager und Dienstwagenfahrer gleichermaßen werden die vielen stabil wirkenden Verzurrösen ebenso goutieren wie den doppelten Ladeboden und die in der Öffnungshöhe individuell einstellbare Heckklappe.
Nio EL6 Test (2024)
BildergalerieNio EL6: Komfortables Sitzen und innovative Bedienung
Nio legt großen Wert auf komfortables Gestühl: Die Sitze sind mit einem mehrschichtigen Komfortsystem ausgestattet, das aus neun Lagen unterstützender Materialien besteht und zudem Ventilation bietet. Die extrem weich gepolsterten Kopfstützen lassen sich auch in Längsrichtung arretieren. Das Ergebnis: Selten hat man so entspannt in einem Fahrzeug gesessen; eine Empfehlung für jeden Vielfahrer.
Sehr schick gelöst: Die Lüftungsdüsen sind quasi unsichtbar unter der Verkleidung des Armaturenbretts (das aus nachhaltig gewonnenem Rattan besteht) und verteilen den Luftstrom so leise, dass nur mit einem Blick auf die Anzeige erkennbar wird, dass die Lüftung eingeschaltet ist. Auch das generell sehr reduzierte Bedienkonzept ist schick, verlangt aber eine gewisse Eingewöhnung.
Nio EL8
BildergalerieDer stilvoll wirkende Walzen-artige Automatikwählhebel erfordert noch das geringste Einfühlungsvermögen. Die Spiegel sind nur umständlich einstellbar, es gibt keine Tasten dort, wo man sie vermutet. Zunächst muss im Menü des sehr klar abzulesenden und schnell reagierenden Touchscreens das "Spiegel"-Menü gefunden und aktiviert werden. Sodann lassen sich die Spiegel über die beiden Kreuze der Lenkradbedienung einstellen.
Ähnliches gilt für das Laden des Fahrzeugs: Auch hier muss die Klappe über der Ladebuchse via Bildschirmmenü angesteuert und geöffnet werden – umständlich. Der oval gestaltete Funk-Öffner des Fahrzeugschlüssels ist von so glatter und weicher Oberfläche, dass er gerne mal aus der Hand rutscht.
Bedienkonzept im Nio EL6 erfordert Eingewöhnung
Generell – das ist wohl der größte Kritikpunkt – bietet das System (viel zu) viele Menüs, Untermenüs, Aktivierungs- und Deaktivierungsmöglichkeiten, Optionen und Einstellmöglichkeiten. So viele, dass man nach dem dritten Anlauf kaum mehr Lust hat, sich mit diesen schier unendlichen Optionen näher zu beschäftigen. Immerhin funktioniert die Steuerung per Sprachbefehl oft sehr gut und schneller, sodass nicht im Menü gekramt werden muss. Die digitale KI-Assistentin ("Hey, Nomi!") setzt die meisten Befehle prompt um – das gelingt oft und beindruckt zuweilen.
Watchtower sorgt nicht immer für den vollen Durchblick
Eine optische Besonderheit sind die beulenartigen Ausbuchtungen auf dem Dach oberhalb der Frontscheibe: Das "Watchtower-Layout" verschmilzt nahtlos mit dem Fahrzeugdach. Mithilfe dieses Super-Sensing-Systems arbeitet das Lidar mit den Frontkameras zusammen, um die Straßenbedingungen automatisch zu erkennen und das Lichtsystem entsprechend anzupassen.
Nio ET9
BildergalerieDie Verkehrszeichenerkennung funktioniert oft, aber nicht immer: Mal wird das Aufheben des Tempolimits nicht erkannt, mal interpretiert das System das Verkehrsschild einer parallel verlaufenden Spur oder Straße. Dafür wird jeder noch so entfernt sich bewegende Fußgänger erfasst, solange er sich im Blickfeld der Kameras befindet. Vorbildlich: Der EL6 ist serienmäßig mit einem Head-up-Display und intelligenten Adaptive Driving Beam Matrix-Scheinwerfern ausgestattet.