Ausgabe 07/2007: Mehrmarken-Management / Folge 1: Die Aufnahme ...

Mehrmarken-Management / Folge 1: Die Aufnahme weiterer Marken muss man sorgfältig prüfen. Und die neuen Spielbälle wollen beherrscht sein.Ball-Beherrschungvon Manfred SchlegelWill ein Autohaus eine Automarke erfolgreich am Markt etablieren, so steckt mehr dahinter als die bloße Erfüllung von Herstellerstandards. Die Marke muss am lokalen Standort sehr deutlich mit der notwendigen Eigenständigkeit etabliert und geführt werden. Dies erfordert sehr gezieltes Management, was den Unternehmer von Betrieben, die bislang keine oder nur eine Marke vertreten haben, vor neue, erfolgskritische Herausforderungen stellt – das Mehrmarken-Management. Es umfasst die Integration der Marken untereinander, die Realisation der geplanten Synergie-Effekte, das Marketing (für wen steht das Autohaus von nun an?) und nicht zuletzt die mentale Neuorientierung des Managements und der Mitarbeiter.In einer losen Serie zeigt AUTOHAUS die verschiedenen Aspekte des Mehrmarken-Managements auf. Die Serie stellt gelungene Praxisbeispiele aus Service und Vertrieb vor. Ein weiterer Aspekt gilt der Konsolidierung der Einzelmarken zum Gesamtbetrieb unter Realisierung der möglichen Synergien. Der erste Beitrag hat die Auswahl des richtigen Markenmixes zum Thema. Die Bestimmung der (richtigen!) Marke hat für die Führung des Mehrmarkenbetriebes strategische Bedeutung. Diese sensible Auswahl ist ein äußerst komplexer Prozess. Zur Vereinfachung wurde vom Autor ein Entscheidungsbaum (siehe Grafik) entwickelt, welcher als Basis der weiteren Ausführungen dient.Perspektive formulierenJeder ist gefordert, für sich und seinen Standort, seine Kompetenzen, Ressourcen und Zukunftspläne individuelle Zukunftsperspektiven zu formulieren. Die Basis dafür bilden Szenarien möglicher Chancen und Risiken. Auch muss in diesem Schritt schon entschieden werden, welche Marken wirklich (von Herzen) vertreten werden können. Es geht um die Frage der Einstellung. Wurde in der Vergangenheit mit höchster Loyalität und persönlicher Identifikation genau die eine Marke vertreten, so kann die Entscheidung für den Mehrmarkenbetrieb bedeuten, die bisher am stärksten umkämpfte Wettbewerbermarke mit zu vertreten. An dieser Stelle dürfen auch die betroffenen Mitarbeiter keinesfalls vergessen werden. Es muss geschafft werden, diese Marke künftig auch nach außen hin zu vertreten. Schon an dieser Stelle sollte überlegt werden, wie auf diesbezügliche Anspielungen gekontert wird. Die halbherzige Aufnahme eines weiteren Fabrikates wird nicht zum Erfolg führen. Die neue Marke muss zunächst Chefsache sein – und zwar aus voller Überzeugung. Die Zukunftsperspektive muss klar zum Ausdruck bringen, welchen Raum sie für die Realisierung einer Mehrmarkenstrategie lässt und welche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden wollen.Die liberalisierte Möglichkeit der Aufnahme weiterer Marken wird überwiegend Chancen für das Kfz-Gewerbe mit sich bringen. Doch diese Chancen dürfen nicht blenden. Mit der Aufnahme einer weiteren Marke werden auch Risiken aufgenommen. Diese gilt es sich bewusst zu machen, gegen die Chancen abzuwägen und durch gezieltes Vorgehen zu minimieren.MarkenwahlMit der deutlichen Konzentration der Automobilhersteller in den vergangenen Jahrzehnten sind die meisten Konzerne heute mit mehreren Marken am Markt präsent. So liegt es auf den ersten Blick nahe, sich für eine Konzernmarke zu entscheiden. Doch auch die Entscheidung für eine Nicht-Konzermarke bietet besondere Chancen.Für die Aufnahme einer Konzermarke spricht auf den ersten Blick vieles. Zum einen lassen sich durch die innerhalb eines Konzerns oftmals angewandte Plattformstrategie offensichtlich viele Synergien hinsichtlich Qualifikation, Lagerhaltung und teilweise auch bezüglich EDV nutzen. Ebenso fällt die Identifikation mit einer Marke aus der "Familie" meist leichter. Jedoch müssen auch eventuelle Nachteile ins Kalkül gezogen werden. So bleibt die Abhängigkeit zum Konzern und dessen Erfolg weiterhin in großem Maße bestehen. Des Weiteren ist genau zu prüfen, ob die Marke in das angestrebte Portfolio passt und ob die organisatorischen Anforderungen umgesetzt werden können. Als Beispiel sei ein ländlicher 150 Einheiten Ford-Händler angeführt, welcher in Erwägung zieht, seinen Marktauftritt durch den Abschluss eines Jaguar Servicevertrages auszubauen. Jaguar, ein Fabrikat der Luxusklasse, bedingt ein gänzlich anderes Kundenklientel, welches wiederum andere Ansprüche an den Automobilservice stellt als das Gros der Ford-Fahrer. Es bedarf in diesem Fall einer starken Umstellung, um den geänderten Kundenbedürfnissen der Fahrer der neuen Marke gerecht zu werden. Für zahlreiche Automobilkonzerne ist es typisch, dass sie mit einer Hauptmarke mit hohem Marktanteil am Markt vertreten sind und weitere "kleine" Marken mitführen (vgl. Mercedes-Benz – Chrysler, Ford – Jaguar, Volkswagen – Skoda). Bei solchen Konstellationen kann es fraglich erscheinen, ob die Auswahl einer Konzernmarke die chancenreichste Alternative darstellt. Die Aufnahme einer Fremdmarke stößt in den wenigsten Fällen auf den Zuspruch der Hersteller. Weitere Nachteile sind geschmälerte Synergieeffekte zu den anderen vertriebenen Marken und eventuell höhere Kosten für Lagerhaltung und Herstellerkommunikation (Werkstattinfo etc.). Vorteilhaft baut die Aufnahme einer Fremdmarke den Grad der Unabhängigkeit zu einem Hersteller aus. Ebenso kann das Portfolio durch die größere Auswahl an Marken besser gestaltet werden. Die Werkstatt kann sich beispielsweise klar als Spezialist für Volumenmarken, für Geländefahrzeuge, für japanische Fahrzeuge etc. positionieren.Die "richtige" MarkeDem Markenportfolio kommt neben der Ertragsprognose die größte Bedeutung im Entscheidungsprozess zu. Das Markenportfolio ermöglicht, die strategische Positionierung der Marken und des Unternehmens anschaulich zu planen und darzustellen. Damit erlangt das Portfolio eine hohe Bedeutung hinsichtlich der grundsätzlichen Entwicklung und Zielsetzung des Unternehmens.Die Kombination von Marken unterschiedlicher Segmente (Volumen- und Premiummarke) bietet dem Autohaus Möglichkeiten, neues Kundenklientel zu gewinnen. So kann beispielsweise neben der Mittelschicht auch die Oberschicht und umgekehrt angesprochen werden. Die zusätzlichen Umsatzchancen, welche die Erweiterung des Portfolios für neue Zielgruppen mit sich bringen, lassen sich schnell erkennen. Bauen die Zielgruppen direkt aufeinander auf, so ermöglicht dies, einen Kunden, welcher in eine andere Zielgruppe wechselt, auch weiterhin mit den Leistungen des Autohauses bedienen zu können (Bindung von Aufsteigern). Hinsichtlich des Mehrmarken-Managements steckt in der segmentübergreifenden Kombination die größte Herausforderung. Im Extremfall müssen Premium- und Discountansprüche unter ein Dach gebracht werden.Der Spezialist: Stärke im SegmentGanz anders stellt sich die Situation dar bei der Kombination von Marken aus dem gleichen Segment. Als Beispiele für mögliche Kombinationen lassen sich VW + Opel + Ford oder BMW + Mercedes oder Skoda + Fiat anführen. Diese Kombinationsmöglichkeiten bieten dem Autohaus die Chance, den Marktanteil innerhalb einer Zielgruppe auszubauen und hier schnell zum mit Abstand bedeutendsten Händler zu wachsen. Ab einem Marktanteil von 40 Prozent in einem Segment – und das ist mit wenigen starken Marken schnell erreicht – kommt das Unternehmen in den Genuss der mit der Marktführerschaft verbundenen Stabilität und Sicherheit. Aus Sicht der Organisation und des Marketings eines Unternehmens schafft die Kombination ähnlich orientierter Marken erhebliche Erleichterungen und führt zu Synergien in diesen Bereichen. Jedoch stellen sich Synergien hinsichtlich Lagerhaltung, Qualifikation und Ausrüstung oft nicht ein, da zumindest in Europa wenige Konzerne Marken führen, die ähnliche Segmente besetzen.In strategischer Hinsicht steckt in der Auswahl und Kombination der Automobilmarken die größte Herausforderung. Doch jede Strategie macht erst dann Sinn, wenn sie auch rechnerisch zu wirtschaftlichem Erfolg führt. Mit den Besonderheiten der Ertragspotenziale im Mehrmarken-Betrieb befasst sich der nächste Beitrag aus dieser Reihe.manfred.schlegel@autopro-online.com

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