Führungskäfte: Mehr Raum für strategische Themen

KURZFASSUNG Formulieren Sie klare Ziele: Was sind Voraussetzungen dafür, um den Betrieb am Laufen zu halten? Setzen Sie Prioritäten bei den Zielen. Ein wichtiger Hebel, um im Fahrersitz zu bleiben, ist die effektive Delegation von Aufgaben. Holen Sie sich bei der Übertragung von Aufgaben die "Zustimmung" der Mitarbeitenden zum Ziel ab. Binden Sie Mitarbeiter bei der Entwicklung von Lösungen ein. Führungskräfte im Autohaus sind meist stark gefordert. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Themen, die oft mit einer Dringlichkeit einhergehen - zusammen mit einer hohen Erwartungshaltung von Kunden, Mitarbeitenden und Herstellern. Führungskräfte sind in dieser Gemengelage oft ihr bester eigener Mitarbeiter, der selbst mit Hand anlegt und - verbunden mit einer hohen Arbeitslast - für die Erledigung der Aufgaben sorgt. Was im ersten Moment und in Stresssituationen gut funktioniert und auch notwendig ist, wird schnell zum Dauerläufer. Damit verbunden sind zwei Risiken: Das Team gewöhnt sich an die Führungskraft im Rettergewand und passt sein Handeln an: Die Mitarbeitenden lernen, bei ersten Anzeichen von Schwierigkeiten zum Chef zu gehen, anstatt selbst nachzudenken. Je öfter das passiert, desto mehr entsteht daraus ein Automatismus und desto höher wird die Hürde zum eigenständigen Handeln. In der Konsequenz ist die Führungskraft unermüdlich selbst am "wegschaffen". Ehe wir uns versehen, fallen wichtige strategische Themen und Führungsaufgaben unter den Tisch, bspw. die Verbesserung von Prozessen oder das Entwickeln von Mitarbeitenden. Diese Themen sind zwar wichtig, aber nicht dringend. Eine Endlos-Spirale entsteht, in der die Führungskraft immer weiter von Agieren ins Reagieren kommt. Um dauerhaft den Platz hinter dem Steuer einzunehmen, sind Klarheit über Ziele und Prioritäten sowie effektive Delegation essentiell. Die Frage nach dem Ziel Oft erlebe ich es, dass Führungskräfte auf die Frage, was ihr wichtigstes Ziel ist, mit "den Laden am Laufen halten" antworten. Das ist zwar richtig, hilft aber nicht, um Orientierung zu geben: Mit diesem Ziel ist es gleich wichtig, ob ich Prozesse verbessere oder einen Wagen umparke. Hier ist es notwendig, nachzuschärfen: Was sind Voraussetzungen dafür, um den Betrieb am Laufen zu halten? Woran merke ich, dass es nicht läuft? Was muss ich dafür verändern, wo habe ich Einfluss? Als Führungskraft gestalte ich nicht nur meine Arbeit, sondern ich nehme auch Einfluss auf die Arbeitsabläufe und Rahmenbedingungen für meine Mitarbeitenden. Die Frage nach dem Ziel kann ich folglich zuspitzen: Was ist die eine Sache (meinetwegen drei, aber nicht mehr), die ich machen kann, damit alles andere besser wird? Wagen umparken hat auch einen Effekt - der allerdings eher wie ein Pflaster wirkt und nicht die Ursache abstellt. Arbeite ich an einer Prozessverbesserung, beispielsweise mit dem Ziel vollständig ausgefüllter Aufnahmebögen im Service, erhöhe ich die Arbeitsqualität, sorge für Transparenz, verhindere unnötige Nachfragen oder gar nachträgliche Klärung beim Kunden. Bestenfalls wird dadurch sogar die notwendige Zeit bei den Mitarbeitenden frei, damit diese das Auto umparken. Effektive Delegation Der zweite Hebel, um im Fahrersitz zu bleiben, ist die effektive Delegation von Aufgaben. Wahrscheinlich kennen Sie das Phänomen: Sie haben es Ihrem Mitarbeiter haarklein erklärt und das Ergebnis entspricht dennoch schlichtweg nicht Ihren Vorstellungen. Hier bestehen aus meiner Sicht zwei Herausforderungen: Das Ziel wird nicht geteilt. Der Mitarbeiter hat die Umsetzungsidee nicht selbst entwickelt. Der erste Punkt mag Verwunderung auslösen - vollständige Dokumentation der Aufträge ist doch ein eindeutiges und klares Ziel? Ja, das ist es. Nicht annähernd so klar ist jedoch, ob der Zweck der Aufgabe auch als notwendig angesehen wird. Für die Führungskraft ist es offensichtlich: Herstelleranforderungen, Absicherung gegen Reklamationen, Qualitätssicherung. Für den Mitarbeiter allerdings ist es das noch lange nicht. Gerade bei der Umstellung von Papierformularen, die auch mal nur stichpunktartig zu befüllen waren, auf digitale Lösungen, ist die Notwendigkeit für viele nicht immer erkennbar. Hier hilft es, sich bei Übertragung von Aufgaben die "Zustimmung" der Mitarbeitenden zum Ziel abzuholen. Im Alltag bedeutet das, dass Sie Ihre Mitarbeiter fragen, ob ihnen klar ist, warum eine Tätigkeit wichtig und sinnvoll ist. Ob es nun um das Fegen des Hofes, das korrekte Beschildern von Autos oder zügige Kundenrückmeldungen geht - wenn die Mitarbeitenden das allenfalls für nettes Beiwerk halten und nicht als betriebliche Notwendigkeit sehen, dann werden sie es nicht umsetzen. Als Führungskraft ist das zunächst zeitintensiv, dennoch ist es wichtig, nicht locker zu lassen, immer wieder nachzufragen und nachzuschärfen. So stellen Sie sicher, dass die Mitarbeitenden die Aufgaben ernst nehmen und gewissenhaft erledigen. Mitarbeiter einbinden Der zweite Punkt zielt darauf ab, dass Menschen verbindlicher und in der Regel auch sorgfältiger agieren, wenn etwas aus ihnen selbst heraus geschieht, das heißt, sie selbst eine Lösung entwickelt haben. Wenn Sie also einen Mitarbeiter bitten, noch ein Auto fertigzustellen, und Sie dabei auf Widerstand stoßen ("Ich hab heute noch a und b, das schaffe ich nicht."), ist es besser, nicht selbst Wege aufzuzeigen, sondern den Mitarbeiter zu fragen, wie es aus seiner Sicht gehen könnte: "Dennis, ich versteh dich, aktuell liegen viele Aufträge an. Dieser ist aus den Gründen 1 und 2 sehr wichtig. Wie siehst du das?" - Antwort Dennis; Zielklärung: "Was denkst du denn, wie es gehen könnte? - Antwort Dennis; Guter Vorschlag. Kann ich dich dabei noch unterstützen?" - Antwort Dennis; "Gut, gib mir bitte Rückmeldung, wenn die Aufgabe erledigt ist. Bis wann schaffst du das?" Damit sitzt Dennis im Fahrersitz und Sie dürfen unterstützend im Beifahrersitz Platz nehmen. Durch das Nachdenken über eine Lösungsmöglichkeit entsteht Verbindlichkeit bei Dennis - nun ist es sein Vorschlag und nichts, was ihm übergestülpt wird. Durch die Frage an ihn sehen Sie zugleich auch, ob es in die richtige Richtung geht. Falls nicht, können Sie direkt eingreifen und nachsteuern. Zeit investieren lohnt sich Sowohl die eigene Zielklärung und Prioritätensetzung als auch die sorgfältige Delegation von Aufgaben sind nicht immer leicht und kosten im Alltag zunächst vor allem Zeit. Klarheit über Ziele und wesentliche Einflussmöglichkeiten entsteht nicht in 15 Minuten auf dem Nachhauseweg. In der Zeit, in der Sie mit dem Mitarbeitenden das Warum klären, haben Sie den Hof schon längst gefegt. Dennoch lohnt es sich, diese Zeit zu investieren, denn damit kommen Sie zur aktiven Gestaltung Ihres Arbeitsfelds und entwickeln Ihre Mitarbeitenden. Je mehr Zeit Sie am Anfang einbringen, desto weniger brauchen Sie später für Fehlerklärung und Nacharbeit. Probieren Sie es aus. DIE AUTORIN Prof. Dr. Claudia Schmidt hat selbst lange in der Wirtschaft gearbeitet. Mit Führungssache unterstützt sie Führungskräfte und Unternehmen dabei, Zusammenarbeit zu verbessern und eigenverantwortliches Arbeiten weiter zu fördern. Zudem lehrt und forscht sie als Professorin an der IU Internationalen Hochschule. Kontakt:c.schmidt@fuehrungssache.de

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