Ausgabe 17/2008: Mangelhaft

Servicevertragskündigung / Die Audi Werkstätten sollten die Vertragskündigung zurückweisenMangelhaftVon Ralph M. MeunzelAls erster Hersteller hat Audi vor dem Hintergrund der sich ändernden GVO flächendeckende Kündigungen ausgesprochen. Betroffen hiervon sind alle Audi Werkstätten in Europa. Doch diese Kündigungen kommen nicht gut an. Viele Audi Servicepartner reagieren mit Unverständnis auf die Maßnahme aus Ingolstadt, da zudem nicht ansatzweise klar ist, was künftig kommen soll. Für die Händler spielt es eine große Rolle, dass die Unternehmen in den vergangenen Jahren erheblich in den Ausbau ihrer Autohäuser investiert haben und dabei überwiegend auf die Finanzierung durch Banken angewiesen sind. Aus Bankenkreisen ist zwischenzeitlich auch eine gewisse Unruhe zu verspüren, gerade vor dem Hintergrund, dass Audi keine Zusagen macht, ob der einzelne Betrieb künftig Audi Servicepartner bleiben werde und welche weiteren finanziellen Belastungen damit verbunden wären. So ist es verständlich, dass sich Widerstand regt. Wir baten Rechtsanwalt Uwe Brossette aus Köln im Interview die Kündigungen rechtlich zu bewerten.Begründung unzureichendAH: Herr Brossette, wie schätzen Sie die Kündigungen der Audi AG rechtlich ein?U. Brossette: Die Kündigungen müssen sowohl den vertraglichen als auch den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. In beiden Feldern gibt es rechtliche Probleme. In vertraglicher Hinsicht muss die Kündigung ausführlich objektiv und transparent begründet werden, woran es fehlt. In gesetzlicher Hinsicht ist zu beachten, dass Audi für die Erbringung von Servicedienstleistungen an Audi-Fahrzeugen ein Monopol an dem technischen Know-how hat und daher kartellrechtlich einem Kontrahierungszwang unterliegt. Vor diesem Hintergrund ist das Kündigungsrecht gesetzlich engeren Grenzen unterworfen, als das bei nicht marktbeherrschenden Unternehmen der Fall ist.AH: Wie begründet die Audi AG die Kündigungen?U. Brossette: Die Begründung ist sehr pauschal. Audi schreibt lediglich, dass die steigende Komplexität und Modellvielfalt der Audi-Fahrzeuge sowie die gestiegenen Ansprüche ihrer Kunden das Servicegeschäft anspruchsvoller mache und daher eine Neudefinition der qualitativen Servicestandards erforderlich sei. Dabei wird auf die Erfahrungen mit den derzeit gültigen Servicepartnerverträgen abgestellt. Eine vertiefte Auseinandersetzung, geschweige denn ein Beleg für diese überraschenden Behauptungen, wird nicht angeführt. Es wird auch nicht ansatzweise ausgeführt, welche Standards die Kundenerwartungen enttäuscht hätten und deshalb angepasst werden müssten.AH: Reicht das aus?U. Brossette: Ich meine nicht. Denn die vertraglichen Vorgaben der Objektivität und Transparenz der Kündigungsgründe werden dadurch nicht erfüllt. Erforderlich ist vielmehr, dass die Motive des Kündigenden richtig und vollständig wiedergegeben werden. Der Kündigungsempfänger muss sich ein lückenloses Bild über die Hintergründe machen können und hierüber nicht rätseln müssen. Deshalb müssen die angegebenen Gründe mit Tatsachen belegt sein und dürfen sich nicht in subjektiven Empfindungen verlieren. Zudem müssen die Gründe klar verständlich und empirisch zu beweisen sein. Hieran fehlt es auch. Die enttäuschten Erwartungen der Kunden sind ebenso wenig bewiesen wie die unzureichende Qualität der Servicestandards. Viele Werkstätten vor Ort machen genau umgekehrte Erfahrungen mit ihren Kunden, die eine hohe Service-Zufriedenheit ergeben. Zudem fehlt es völlig an einer Begründung, warum auch der Vertrieb von Originalteilen durch die Werkstätten zukünftig entfallen soll.Anforderungen unklarAH: Was ist mit Blick auf den Kontrahierungszwang zu sagen?U. Brossette: Wenn ein Unternehmen so marktstark ist, dass es einem Kontrahierungszwang unterliegt, ist es in seinen Möglichkeiten zur ordentlichen Kündigung stark eingeschränkt. Es muss stets ein besonderes sachliches Erfordernis hinzutreten, da sonst das marktbeherrschende Unternehmen den Markt abschotten und die Kunden (z. B. durch Marktaufteilung und künstliche Verknappung des Angebots) benachteiligen könnte. Ein besonderes Interesse könnte in der Unzulänglichkeit der Servicestandards liegen. Dafür müsste Audi aber definieren, welche Anforderungen die Werkstätten zukünftig zu erfüllen haben. Dies hat Audi nicht getan, so dass nicht feststellbar ist, ob tatsächlich diese Notwendigkeit besteht. Eine sachliche Rechtfertigung ist daher nicht dargelegt.AH: Was sollen die Werkstätten nun unternehmen?U. Brossette: Sie sollten die Kündigung zurückweisen, gegebenenfalls ein Schiedsverfahren einleiten oder gerichtlich gegen die Kündigung vorgehen. Daneben ist zu bedenken, dass die GVO gerade deshalb die Begründungspflicht enthält, um die wahren Hintergründe der Kündigung zu erfahren und um Marktabschottungstendenzen zu unterbinden. Ein Verstoß hiergegen führt zum Verlust der Freistellung des qualitativen Servicevertrags, ein Umstand, der durchaus auch mit der Kommission besprochen werden könnte.AH: Danke für das Gespräch.

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