Ausgabe 23-24/2010: Langsam, aber gewaltig!

marktLangsam, aber gewaltig!indien E Das Autoland Indien hat noch eine geringe Pkw-Dichte, wächst aber inzwischen stärker als geplant. Der Vertrieb ist die größte Herausforderung.von ralph m. meunzelMit rund 1,2 Milliarden Einwohnern ist Indien nach China die Volkswirtschaft mit den größten Wachstumsperspektiven. Der Automobilmarkt ist derzeit allerdings noch ein Zwerg. So kommen erst 15 Autos auf 1.000 Einwohner. In diesem Jahr werden rund 2 Millionen Pkw-Neuzulassungen erwartet. Das sind 30 Prozent mehr als in 2009 und entspricht in etwa dem Zulassungsvolumen von Frankreich. Bis 2018 werden auf dem Subkontinent bereits fünf Millionen Einheiten jährlich erwartet. Klar ist, dass sich die Autohersteller heute schon die Klinke in die Hand geben. „Wir haben bereits jetzt trotz des starken Wachstums einen intensiven Wettbewerb“, sagt Anil S. Parasharami, General Manager Business Excellence Services, Tata Motors, anlässlich eines Besuchs im Tata-Werk in Pune. Die 22 Teilnehmer der exklusiven Businesstour „AUTOHAUS goes India 2010“ konnten sich ausführlich in Chennai, Mumbai, Pune, Agra und Delhi über den Automarkt auf dem Subkontinent informieren. Nano für 2.400 EuroTata ist die Nummer 2 der Pkw-Hersteller in Indien und die Nummer 1 bei Nutzfahrzeugen. Die Autosparte des Mischkonzerns erregte vor zwei Jahren mit der Einführung des Minicars „Nano“ für ursprünglich 100.000 Rupien (1.600 Euro) weltweit Aufsehen. Inzwischen musste man den Preis des Grundmodells laut Preisliste um 50 Prozent erhöhen. Wartezeiten wie zum Start gibt es nach Auskunft eines Händlers allerdings keine mehr. Rabatte sind beim Autokauf trotz des starken Wettbewerbs der 15 Hersteller nicht üblich. Dafür sind die Händlermargen mit ca. drei Prozent auch viel zu gering. Neues VW-WerkAnders als in China können die Hersteller in Indien Werke und Vertrieb aufbauen, ohne Joint Venture mit ortsansässigen Unternehmern eingehen zu müssen. So hat beispielsweise Volkswagen im Mai 2009 die Serienproduktion in seinem neuen Werk in Pune aufgenommen. 580 Millionen Euro hat man investiert. Die 2.500 Mitarbeiter bauen pro Tag 220 Polo, Vento sowie Skoda Fabia. Damit produziert die Fabrik derzeit die Hälfte der möglichen Kapazität von 110.000 Fahrzeugen pro Jahr im 2-Schicht-Betrieb. Im kommenden Jahr soll dann die volle Auslastung erreicht werden. Zu Beginn der Produktion wurden dabei rund 50 Prozent der Komponenten in Indien hergestellt, heute sind es über 60 Prozent. Eine Steigerung auf 75 Prozent ist in weiteren Stufen geplant. Für importierte Fahrzeuge wird ein Zoll von 60 Prozent fällig, was den Preis für den Audi Q 7 beispielsweise auf über 130.000 Euro klettern lässt. „In diesem Jahr werden wir unseren Absatz gegenüber dem Vorjahr mit 19.000 Autos mehr als verdoppeln und voraussichtlich 45.000 Fahrzeuge verkaufen“, so Volkswagen-Sprecher Kurt Rippholz. Bereits per Oktober waren in Indien über 20.000 VW, 2.500 Audi und 12.000 Skoda neu auf die Straße gekommen. Die Volkswagen-Gruppe wird damit inklusive der Exportmodelle in 2010 einen Marktanteil von 2,25 Prozent erreichen. Der Polo als günstigstes Modell ist ab 8.000 Euro inklusive Klimaanlage erhältlich. Volkswagen ist derzeit im wichtigsten indischen Segment, dem A 00-Segment (Preise zwischen 3.500 und 4.300 Euro), nicht vertreten. Spätestens in zwei Jahren will die Marke aber ein solches Fahrzeug mit Unterstützung von Maruti Suzuki auf den Markt bringen. VW hat sich nicht umsonst an Suzuki beteiligt. Aufgrund der niedrigen Kaufkraft bleibt die größte Demokratie der Welt zunächst ein Markt für Klein- und Kleinstwagen. Im Jahr 2009 wurden allein in diesem Segment 872.000 Fahrzeuge abgesetzt und damit 54 Prozent des Gesamtmarkts. Ein noch günstigeres Fahrzeug, vergleichbar etwa mit dem Nano, wird es aufgrund der fehlenden Sicherheitsstandards nicht geben, stellt der Europamarktführer klar.Marktführer Maruti SuzukiMit einem Marktanteil von fast 45 Prozent hat sich Maruti Suzuki (MS) in den vergangenen 28 Jahren in Indien einen komfortablen Vorsprung erarbeitet. Nachdem Volkswagen Anfang der 80er Jahre auf ein Engagement verzichtet hat, ist erfolgreich Suzuki in die Bresche gesprungen. Mit Kleinstwagen wie dem Maruti 800 hat man die Verkäufe in den vergangenen Jahren deutlich steigern können. Inzwischen fahren neun Millionen Autos dieser Marke auf dem maroden und oft hoffnungslos verstopften indischen Straßennetz. Das meistverkaufte Modell ist der Alto, der für 4.300 Euro erhältlich ist und auch nach Deutschland exportiert wird. Der Absatz dieses Modells beläuft sich auf 33.000 Einheiten pro Monat. Für Suzuki hat Indien inzwischen eine größere Bedeutung als der japanische Heimatmarkt. Mit 830 Verkaufs- und 2.740 Servicestützpunkten verfüge der Hersteller über ein Vertriebsnetz, das größer ist als die Betriebe aller Wettbewerber zusammen, so Puneet Dhawan, Senior Manager Maruti Suzuki in Delhi. Wie alle Hersteller in Indien will MS noch deutlich stärker wachsen. Zwei weitere Werke sind in Planung. Das Vertriebsnetz soll bis 2015 auf 1.500 Betriebe ausgebaut werden. Die Service-Stützpunkte sollen auf 4.200 erweitert werden. MS ist klar, dass sich das geplante Wachstum nur mit einem entsprechend ausgebauten Netz realisieren lässt. Die Autohersteller werden in Indien nur dann Erfolg haben, wenn es gelingt, Investoren zu finden und die notwendigen Händler zu installieren. So ist der Boden gerade in den Ballungsräumen sehr teuer und die Besitzverhältnisse teilweise ungeklärt. Eine weitere Herausforderung ist die Ausbildung der Mitarbeiter. Entsprechende Schulungseinrichtungen und Trainingscenter müssen von der Autoindustrie gegründet und betrieben werden.Kopf an Kopf bei PremiumDoch nicht nur die zitierten Minis boomen, auch der Premiummarkt wächst in diesem Jahr deutlich schneller, als von den Fachleuten erwartet. Hier haben die Deutschen die Nase vorn: Audi, BMW und Mercedes-Benz sind mit Montagewerken in Aurangabad, Chennai und Pune vertreten. Die Stückzahlen sind im Vergleich zum Gesamtmarkt zwar noch klein. Die Performance überrascht allerdings. „Wir konnten uns bisher um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern“, sagte Dr. Andreas Schaaf, Präsident von BMW India im größten Premiumautohaus „Bird Automotive“ Gurgaon in der Nähe von Neu-Delhi. Der Betrieb wurde erst im September eröffnet. Die Münchner Automarke verfügt damit über 19 selbstständige Händlerbetriebe, die von 13 Unternehmern betrieben werden. Im kommenden Jahr sollen es 22 Betriebe sein, so Schaaf. Der BMW-Chef geht in diesem Jahr von 5.400 Verkäufen aus. Bird Automotive will laut Inhaber Gaurav Bhatia im kommenden Jahr 1.000 BMW-Modelle absetzen. Derzeit liefern sich die Münchner mit Mercedes ein Kopf-an-Kopf-Rennen über die Marktführerschaft. BMW produziert seit 2007 in Chennai, derzeit 3er- und 5er-Modelle. „Wir werden den X1 als zusätzliche Modellreihe spätestens im Januar 2011 einführen“, sagte Schaaf. Der Preis soll unter dem des 3er als derzeit erfolgreichstem Modell liegen (250.000 Rupien, ca. 42.000 Euro). Mercedes-Benz konnte im vergangenen Jahr 3.200 Autos absetzen und geht für 2010 vor allem aufgrund des Erfolgs der E-Klasse ebenfalls von mehr als 5.000 Verkäufen aus. Im Februar 2009 wurde in Pune ein neues Werk für Pkw und Nutzfahrzeuge eingeweiht.Audi baut Q5Audi hat die Montage des Q5 im Juli in Aurangabad gestartet. Künftig werden dort jährlich bis zu 1.500 Einheiten des Q5 vom Band laufen. Der SUV ist neben dem Audi A4 und A6 das dritte Audi-Modell, das in Indien gefertigt wird. Damit steigt das Produktionsvolumen in diesem Jahr auf mehr als 2.400 Einheiten, gegenüber 732 Fahrzeugen im Vorjahr. Insgesamt hat Audi seit dem Produktionsstart im September 2007 rund 2.000 Automobile in Indien gefertigt. Bis 2015 sollen es bis zu 6.000 Einheiten jährlich sein. Der Wettbewerb wird also weiter anziehen. zKurzfassungReiseeindrücke vom indischen Automobilmarkt in Kennzahlen: 1. 2010 werden 2 Millionen Pkw in Indien neu zugelassen, im Jahr 2018 werden es 5 Millionen Pkw sein.2. Maruti Suzuki (MS) ist in Indien mit 45 Prozent Marktanteil der Pkw-Marktführer vor Tata.3. MS verfügt derzeit über 830 Verkaufs- und 2.740 Servicestützpunkte.4. Der VW-Konzern schafft 2010 mit rund 45.000 Neuzulassungen ca. 2,25 Prozent Marktanteil in Indien.5. BMW und Mercedes liefern sich mit jeweils gut 5.000 Pkw-Neuzulassungen im Premiumbereich ein Kopf-an-Kopf-Rennen.6. Für importierte Fahrzeuge wird ein Zoll von 60 Prozent fällig.7. Die deutschen Hersteller sind bereits mit eigenen Montagewerken vertreten.8. Die Margen der Händler liegen in Indien bei ca. 3 Prozent.9. Auch wegen dieser niedrigen Handelsmarge sind Rabatte trotz starken Wettbewerbs in Indien bisher unüblich.Lesen SIe hier...... Impressionen von der Reise „AUTOHAUS goes India 2010“. Das Potenzial dieses Automarkts zeigen drei aktuelle Zahlen: 15 Autos pro 1.000 Einwohner, von denen es derzeit rund 1.200.000.000 gibt.marktmarkt

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