Ausgabe 20/2009: „ Kurzarbeit hatten wir nicht auf dem Schirm“

„ Kurzarbeit hatten wir nicht auf dem Schirm“Kurzarbeit E Das geeignete Werkzeug, um Kündigungen zu vermeiden, wird vom Autohandel noch zu zögerlich genutzt. Ein Bericht aus der Praxis aus der Sicht des Beraters. von Peter Bühner *Nach einem katastrophalen Start ins Jahr 2009 war uns bereits im Frühjahr klar, dass es nur mit großen Kraftanstrengungen gelingen wird, ein halbwegs ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen. Und auch beim Blick über das Jahresende hinaus kam wenig Optimismus auf“, so Hans M., Geschäftsführer eines Autohauses mit vier Betrieben und gut 160 Mitarbeitern und Azubis. Nicht jeder hat im Ausnahmejahr 2009 von der Abwrackprämie profitiert. Gerade bei den Premiumherstellern liegt das Geschäft vielfach am Boden.„Wie schnell das alles ging!“, so M. weiter. „Während unsere Kollegen nebenan ihre Jahresziele im Neuwagenvertrieb bereits im Sommer erreichten, mussten wir Rückgänge von bis zu 30 Prozent in einzelnen Monaten verkraften. Und auch das Nutzfahrzeuggeschäft schuf keinen Ausgleich. Im Gegenteil, die Auftragseingänge zeigten deutlich nach unten. Trotz aller Versuche gegenzusteuern!“, resümiert Hans M.Der Tritt auf die Kostenbremse war unvermeidlich. Alle bereits mit der Jahresplanung 2009 genehmigten Investitionen – von Ersatzbeschaffungen bei der Werkstattausrüstung bis zur Reparatur des Hallendaches – wurden unter Genehmigungsvorbehalt gestellt und, soweit möglich, ins Jahr 2010 verschoben. Aber das reichte natürlich nicht. „Uns war klar, dass wir auch an die Personalkosten mussten, und zwar konsequent“, so Hans M.Die Sicht des BeratersDie Ausgangslage war aus Beratersicht typisch: Es ging um Personalkosteneinsparung um 15 Prozent, möglichst durch Verzicht der Mitarbeiter auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld und um betriebsbedingte Kündigungen. Nach einer Woche lag unsere Analyse vor: Der vollständige Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld würde ein Einsparungspotenzial von ca. 9 Prozent bringen. Die Umsetzung hätte mangels Tarifbindung nur durch einvernehmliche Änderung aller Arbeitsverträge erreicht werden können. Durch den realisierbaren Abbau von 13 Arbeitsplätzen hätten sich weitere 6 bis 7 Prozent Personalkosten einsparen lassen, ganz überwiegend durch den Auslauf von Zeitverträgen. Wer muss gehen...?Mit der Forderung des Betriebsrats, bei einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Urlaubs- und Weihnachtsgeld zumindest teilweise nachzuzahlen und auf betriebsbedingte Kündigungen – zeitlich befristet auf ca. ein Jahr – zu verzichten, war zu rechnen. Das Thema Kurzarbeit haben wir als Berater ins Spiel gebracht, als Details des Personalabbaus in der Disposition besprochen werden sollten. Es waren vier Disponenten/Disponentinnen, davon zwei über 50 Jahre alt, der Dritte war der Betriebsratvorsitzende. Somit war klar, wer gehen musste: Die junge Mitarbeiterin mit ihrem auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag, auch wenn das die Alters- und Leistungsstruktur des Teams in Mitleidenschaft zog.Der Denkanstoß zur Kurzarbeit, womit alle Mitarbeiter gehalten werden könnten, lief zunächst ins Leere. Die Entscheider im Unternehmen dachten, dass Kurzarbeit nur etwas für die Industrie und der Einspareffekt in Relation zum Verzicht auf die Arbeitsleistung der Mitarbeiter gering sei. Emotionale Vorbehalte waren spürbar. Erinnerungen an die frühen 90er Jahre wurden wach, als die IG-Metall versuchte, den Problemen auf dem Arbeitsmarkt durch die Einführung der „35-Stunden-Woche“ zu begegnen. „Bei Problemen weniger zu arbeiten, war noch nie richtig“, brachte es der Nfz-Verkaufsleiter des Unternehmens auf den Punkt. „Die Verkäufer sollen schneller laufen – jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen.“„Weg vom Push, hin zum Pull“ ist zwar eine oft gehörte Forderung der Branche an die Mengenpolitik der Hersteller – in der täglichen Autohauspraxis werden vorsichtige Ansätze, sich vom Markt ziehen zu lassen, jedoch oft rasch mit einem Denkverbot belegt.Was ist das überhaupt?Aufgrund unserer beharrlichen Beratung blieb die Kurzarbeit als Handlungsoption auf dem Tisch. Eine konstruktive Auseinandersetzung mit diesem Thema war erforderlich. Zu diesem Zeitpunkt fehlte der Führungsmannschaft nicht nur das Wissen um die Voraussetzungen der Einführung von Kurzarbeit, sondern auch die Kreativität zur Umsetzung.Nun wurde Aufklärungsarbeit geleistet. Mit dem Konjunkturpaket II (Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009) sind die Bedingungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld stark verbessert und das Antragsverfahren erheblich vereinfacht worden. Die mögliche Bezugsdauer wurde auf 24 Monate erweitert. Bedingungen und Rahmen für Kurzarbeit siehe AUTOHAUS 16/2009, Seite 24.Sinnvolle Alternative Die Verkaufsleiter Pkw und Nfz sowie der Serviceleiter sahen als Erste die Chance auf erhebliche Kosteneinsparungen. So eröffnet die Dienstanweisung der Bundesagentur für Arbeit bei provisionsabhängig beschäftigten Verkäufern die Möglichkeit, zur Ermittlung des Kurzarbeitergeldes auf die Bruttoeinkommen (Provisionen, Fixum, Ausgleichszahlungen) eines Vergleichszeitraums vor der Einführung der Kurzarbeit zurückzugreifen, was gerade in Phasen hoher Auslieferungen, aber geringer Auftragseingänge sinnvoll ist – sicher die bessere Alternative zur Stabilisierung von Verkäufereinkommen als die Entlassung von qualifizierten Jungverkäufern oder die Anhebung von Fixum oder Garantieeinkommen. Die preiswertere ist sie ebenfalls, insbesondere wenn es gelingt, die Verkürzung der Arbeitszeiten flexibel zu gestalten.Und im Service? „Mir war nicht klar, dass Kurzarbeitergeld bereits dann beantragt werden kann, wenn in einem Monat der Saldo von täglichen Mehr- oder Minderstunden die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von normalerweise 170 Stunden bei einigen Kollegen in der Werkstatt um 10% unterschreitet“, sagt Serviceleiter Frank D. 30% einer definierten Gruppe von Mechanikern müssen es allerdings sein, und es muss gelingen zu begründen, dass es sich um einen konjunkturell bedingten, vorübergehenden Arbeitsausfall handelt.Einigung mit dem BetriebsratNach knapp vier Wochen waren die Vereinbarungen mit dem Betriebsrat unter Dach und Fach. Die flexible Arbeitszeitverkürzung in der Werkstatt wurde natürlich von den beratenden Gewerkschaftern als „Arbeit auf Zuruf“ gebrandmarkt. Auch waren von der Geschäftsführung Abstriche zu machen, so dass im Ergebnis eine durchschnittliche Arbeitszeitverkürzung von ca. 18% nicht zu einer Einsparung in gleicher Höhe führte, aber doch zu 14,3% unter Einbeziehung von zwei Zeitverträgen, die zum Jahresende auslaufen.„Kurzarbeit hatten wir zunächst nicht auf dem Schirm. Drei Dinge waren es aber, die uns überzeugt haben“, so Geschäftsführer Hans M. und sein Pkw-Verkaufsleiter Manfred S. „Da ist zum einen die sofortige Kostenentlastung. Durch die Zeitverträge in unserem Hause und deren Auslauffristen hätten wir in diesem Jahr fast gar keinen Kosteneffekt gehabt. Dazu kam, dass wir in den zurückliegenden Jahren viel in die Qualifizierung gerade der jungen Mitarbeiter investiert und diese erfolgreich zu Leistungsträgern aufgebaut haben. Niemand hatte Lust, diese nun als Erste an den Wettbewerb zu verlieren.“ Und schließlich waren es die flexiblen Lösungen für die Verkäufer und die im Prämienlohn stehenden Werkstattmitarbeiter, insbesondere in unserer Nfz-Werkstatt.“Wichtig ist eine offene Kommunikation mit den Mitarbeitern über Ursachen und Auswirkungen der Krise so wie die Einführung von Kurzarbeit als notwendige Maßnahme. Das Feld sollte nicht Betriebsräten und Gewerkschaftern überlassen werden. Hans M.: „Uns ist es gelungen, der Belegschaft klarzumachen, dass die Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze sichert und die Nettobelastungen für sie deutlich geringer sind als bei einer Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Damit waren auch die Weichen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und – nach sicherlich zähen Verhandlungen – eine erfolgreiche Umsetzung durch Betriebsvereinbarungen gestellt.“Letztlich positivWer sich über die Reaktionen seiner Kunden Gedanken macht, sollte Folgendes bedenken: Das konjunkturelle Kurzarbeitergeld ist in aller Munde. Allein diesem Arbeitsmarktinstrument ist es zu verdanken, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Krisenjahr 2009 bisher moderat verlaufen ist. Es auch im Automobilhandel und -handwerk einzusetzen, zeugt von betriebswirtschaftlichem Sachverstand und sozialer Verantwortung – welcher Geschäfts- bzw. Privatkunde sollte dagegen etwas haben? zVeranstaltungstippAUTOHAUS Akademie„Kurzarbeit – Flexible Personalkosten nach Maß“Rechtsanwalt Peter Bühner macht die Teilnehmer fit in Sachen Kurzarbeit und zeigt ihnen auf, wie sie Personalkosten sparen, ohne sich die Zukunft zu verbauen. 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