Ausgabe 23-24/2007: Knifflige Klausel

Klauselkontrolle / Rücknahmeverpflichtungen des Herstellers für Ersatzteile in Händlerverträgen sind eng nach dem Wortlaut auszulegenKnifflige KlauselAutohaus-Juristen Rechtsanwälte G. Haug und PartnerMit dem Urteil des BGH vom 18.07.2007 (VIII ZR 227/06; Vorinstanz Oberlandesgericht Frankfurt am Main) wurde eine Entscheidung zugunsten der Händlerschaft getroffen, die im Einzelfall ein sehr erhebliches finanzielles Gewicht haben kann. Es ging konkret um eine Formularklausel in einem Kfz-Händlervertrag, nach der sich der Hersteller verpflichtet, von dem Händler bei Beendigung "dieses" Vertrages auf Verlangen fabrikneue Ersatzteile zurückzukaufen. Die "Master"-Frage war, ob der Rückkaufsanspruch entfällt, wenn der ehemalige Händler im Anschluss an den Händlervertrag für den Hersteller aufgrund eines Service-Partner-Vertrages tätig bleibt. Der BGH hat dies im konkreten Fall verneint. Zum SachverhaltDer klagende Händler war auf der Grundlage eines Formularvertrages vom 01.12.1996/05.06.1997 Kfz-Vertragshändler des beklagten Herstellers. Der Vertrag wurde durch die Kündigung des Herstellers zum 30.09.2003 beendet. In Artikel 7 der Zusatzbestimmungen zum Händlervertrag für Vertrieb und Service ist folgende Regelung enthalten: 7.1 Rechte und Pflichten von O. (Beklagte) zum Kauf rücknahmefähiger GegenständeBei Beendigung dieses Vertrages ist O. auf Verlangen des Vertragshändlers verpflichtet, die rücknahmefähigen Gegenstände zu den in nachstehendem Artikel 7.2 bestimmten Preisen zu kaufen. …7.2 Rücknahmefähige GegenständeDie rücknahmefähigen Gegenstände und deren Preis sind: fabrikneue O.-Teile die sich noch in zum Wiederverkauf geeigneten Originalverpackungen und nicht angebrochenen Lieferpartien befinden …; und die in den bei Vertragsbeendigung gültigen Preislisten für Teile als lieferbar aufgeführt sind …; und die der Vertragshändler direkt von O. oder einer von O. bezeichneten anderen Bezugsquelle gekauft hat.Die Pflichten des Vertragshändlers zur Aufstellung einer Teileliste und zur Bereitstellung beziehungsweise Übersendung der rücknahmefähigen Teile sowie die Bezahlung durch den Hersteller wurden in dem seit 01. Oktober 2003 abgeschlossenen Service-Partner-Vertrag im Weiteren geregelt: "Tatsächliche Beendigung der ZusammenarbeitDie Rücknahmepflicht von O. nach Artikel 20.4 dieses Vertrages gilt nur, wenn und soweit mit der Beendigung dieses Vertrages auch ein tatsächliches Ende der Zusammenarbeit zwischen O. und dem Service-Partner verbunden ist. Sie gilt insbesondere dann nicht, wenn und soweit der Service-Partner aufgrund eines sich anschließenden Folge-vertrages in der Lage ist, rücknahmefähige Gegenstände weiter zu verwenden (...).Soweit dies in diesem Vertrag nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, werden durch diesen Vertrag alle früheren Vereinbarungen zwischen den Parteien ersetzt, die die in diesem Vertrag geregelten Bereiche betreffen. Dies gilt insbesondere für einen früheren O.-Händlervertrag für Vertrieb und Service, sofern ein solcher zwischen den Parteien bestanden hat."Mit Schreiben vom 29. 3. 2004 verlangte der ehemalige Händler vom Hersteller unter Vorlage einer Ersatzteilbestandsliste zum Stichtag 30. September 2003 die Übernahme des Teilebestands gegen Zahlung eines Bruttokaufpreises von 229.467,86 Euro. Der Hersteller lehnte dies unter Hinweis auf die fortdauernde Tätigkeit des vormaligen Händlers als Service-Partner ab. Veränderte wirtschaftliche BedingungenBekannt ist die bisherige Rechtsprechung des BGH, wonach unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch des Händlers auf Rücknahme von Ersatzteilen im Falle einer Beendigung des Händlervertrages gegeben sein kann, ohne dass eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung existiert; Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist "lediglich" eine nachvertragliche Treuepflicht des Herstellers oder – wenn der Hersteller die Vertragsbeendigung (mit-)verschuldet hat – ein Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller wegen eines solchen (Mit-)Verschuldens. Mit dieser bisherigen Rechtsprechung des BGH ist der Grundgedanke verbunden, dass mit der Beendigung des Händlervertrages Sinn und Zweck einer dem Händler auferlegten Lagerhaltung entfallen sind und dem Händler im Allgemeinen eine Veräußerung des Lagerbestandes nicht mehr zumutbar sein wird. Schließlich müsste eine solche Veräußerung unter völlig veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen erfolgen, wobei diese für den Händler entweder überhaupt nicht mehr möglich oder jedenfalls mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Rechtsprechung des BGH hatte bisher solche Fallgestaltungen zum Gegenstand, in denen von einer Beendigung jeglicher Vertragsbeziehung zwischen dem Händler und dem Hersteller auszugehen war. Nach den Ausführungen des BHG und entgegen der Rechtsauffassung des Herstellers rechtfertigt die bisherige Rechtsprechung des BGH jedoch nicht ohne weiteres den Umkehrschluss, dass bei Abschluss eines Service-Partner-Vertrages die Vorhaltung des Ersatzteillagers aufgrund des vormaligen Händlervertrages auch weiterhin in vollem Umfang für den nunmehrigen Service-Partner sinnvoll und die Verwertung des Lagers ohne Einschränkung möglich ist. Unklarheiten zu Lasten des HerstellersDer Hersteller machte geltend, die Absatz- und Amortisationsmöglichkeiten des Händlers im Hinblick auf die bevorrateten Ersatzteile seien nach wie vor vorhanden. Der Händler könne nämlich den während der Dauer des Vertragsverhältnisses geworbenen Kundenstamm weiter im Servicebereich nutzen und neue Kunden unter anderem dadurch gewinnen, dass er Gebraucht-fahrzeuge verkaufen und den Verkauf von Neufahrzeugen vermitteln könne. Diesem Argument erteilte der BGH eine Abfuhr. Dadurch ändert sich nämlich nichts daran, dass dem Service-Partner jedenfalls ein wichtiger Bereich, in dem er als Vertragshändler Kunden an seine Werkstatt binden kann, nicht mehr zur Verfügung steht. Es kann zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass Art und/oder Umfang des Ersatzteilbestandes, wie er im Rahmen des Vertragshändlerverhältnisses vorhanden war, für den nunmehrigen Service-Partner ganz oder teilweise ihren Sinn verloren haben und dass sich der Absatz dieser Ersatzteile in der neuen Situation für ihn schwieriger gestaltet. Schon diese Unsicherheit schließt es aus, dass ein "durchschnittlicher" Vertragshändler die streitige Vertragsklausel in jedem Fall dahin versteht oder verstehen muss, dass ein Rückkaufsanspruch gegenüber dem Hersteller nur dann besteht, wenn im Anschluss an den Händlervertrag kein Service-Partner-Vertrag geschlossen wird. Der Hersteller vertrat die Position, es sei im ursprünglichen Händlervertrag eine Regelungslücke vorhanden, die bei sachgerechter Ausfüllung dahingehend zu ergänzen sei, dass ein Rückkaufs-anspruch nicht besteht. Schließlich hätten die Parteien bei Abschluss des Händlervertrages die Möglichkeit einer Beendigung dieses Vertrages bei teilweiser Fortsetzung der Zusammenarbeit auf der Grundlage eines Service-Partner-Vertrages nicht bedacht. Dieser Umstand macht nach Auffassung des BGH den Händlervertrag aber noch nicht ergänzungsbedürftig. Der Regelungsgedanke im Händlervertrag ging nämlich dahin, für alle Fälle einer Beendigung der Zusammenarbeit den ehemaligen Händlern einen Anspruch auf Rückkauf der Ersatzteile einzuräumen. BGH: "Dahinter steht der Gedanke, dass die Vorhaltung des Ersatzteillagers sinnlos wird, wenn das Vertragshändlerverhältnis endet, und dass zugleich der Vertragshändler die Ersatzteile in diesem Fall regelmäßig nur noch unter unzumutbaren Schwierigkeiten absetzen kann. Ob Entsprechendes für den durchschnittlichen Vertragshändler der Beklagten auch bei einer teilweisen Fortsetzung der Zusammenarbeit von Hersteller und Händler auf der Grundlage eines Service-Partner-Vertrages gilt, ist zumindest offen." Nach den Grundsätzen des AGB-Rechts muss eine solche Unklarheit einer Vertragsklausel zu Lasten des Verwenders, also Herstellers ausgehen. Etwas anderes kann nur hinsichtlich solcher Ersatzteile gelten, deren Bevorratung dem Service-Partner auch nach dem Service-Partner-Vertrag als Mindestbestand aufgegeben ist. Diesbezüglich war jedoch keine Entscheidung des BGH erforderlich, nachdem der vormalige Händler diese Ersatzteile von vornherein von seinem Rücknahmeverlangen ausgenommen hatte.Der BGH konnte eine abschließende Entscheidung jedoch deshalb nicht treffen, da das OLG in seinem Berufungsurteil unberücksichtigt ließ, dass der Hersteller die Rücknahmefähigkeit gemäß Art. 7.2 des Händlervertrages bestritten hatte. Nach Zurückverweisung wird sich daher das OLG "lediglich" noch mit der Frage zu beschäftigen haben, ob die zur Rückgabe angebotenen Ersatzteile fabrikneu und original verpackt sind und ob diese Ersatzteile tatsächlich bereits bei der Beendigung des Händlervertrages am 30. September 2003 im Lagerbestand vorhanden waren.

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