Die gesetzlichen Regelungen, auf denen die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ihre Abmahnpraxis aufbaut, sollen vor dem Bundesverfassungsgericht nochmals auf den rechtlichen Prüfstand. Das gab der Geschäftsführer der Kfz-Innung Region Stuttgart, Christian Reher, am Freitag im Namens des betroffenen Fellbacher Autohauses Kloz bekannt. "Nachdem der Bundesgerichtshof bestätigt hat, dass die Umwelthilfe im Rahmen des bestehenden Rechts handelt, ist zu prüfen, ob die rechtlichen Regelungen nicht unzulässigerweise die Grundrechte des betroffenen Autohausinhabers beschneiden."
Eine zweite Verfassungsbeschwerde betrifft die laufenden Widerspruchsverfahren des Autohauses Lutz und von sieben Privatpersonen gegen die Fahrverbotsbeschilderung bzw. die Verkehrsverbote für Euro-4-Diesel in Stuttgart. Beide Verfassungsbeschwerden wird Dr. Martin Pagenkopf, ein früherer Richter am Bundesverwaltungsgericht, betreuen. Reher: "Er ist ein ausgewiesener Kenner der Materie und wir fühlen uns bei ihm in besten Händen. Die Übertragung des Mandats war deshalb ein logischer Schritt."
Der Bundesgerichtshof hatte Anfang Juli die Abmahnpraxis der DUH nicht beanstandet (wir berichteten). Für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten gebe es keine Anhaltspunkte, so das Urteil aus Karlsruhe. Das Autohaus Kloz hatte gegen die Organisation wegen Profitabsichten und Querfinanzierungen geklagt. Unterstützt wurde es dabei von der Kfz-Innung Region Stuttgart und dem Landesverband Baden-Württemberg.
Wenn Verfassungsbeschwerde eingelegt werde, richte sich diese nicht gegen die Umwelthilfe, erklärte Reher. Es werde vielmehr die Frage geprüft, "ob die gesetzlichen Regelungen, die ein millionenschweres Abmahnwesen möglich machen, seitens des Gesetzgebers fehlerhaft gestaltet sind". Maßgeblich sei, ob der Unternehmer als Mensch durch ein Zusammenspiel von Gerichten und Organisationen am Gesetzgeber vorbei in seinen Rechten beeinträchtigt werde. "Als Alternative gibt es auch den politischen Weg, sprich zu versuchen eine Gesetzesänderung zu erreichen."
Bei der Frage des Umgangs mit den Widersprüchen gegen die Verkehrsverbote beschäftigte sich Dr. Pagenkopf ausführlich mit der Begründung in den acht Beschlüssen, mit denen der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg die Beschwerden verschiedener Stuttgarter Bürger und Betriebe gegen vorausgegangene Entscheidungen zurückgewiesen hat. Bei zwei Feststellungen sieht er nach eigenen Worten gute Chancen: "Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim widerspricht sich in seiner Begründung selbst." Und: "Der Beschluss enthält deutliche Grundrechtsverstöße, die nur mittels einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe korrigiert werden können."
"Gericht stellt sich über das Gesetz"
Laut Dr. Pagenkopf verletzt der VGH-Beschluss das Grundrecht der Betroffenen auf effektiven Rechtsschutz, da er nur nach mehreren Monaten trotz der Eilbedürftigkeit der Sache ergangen sei und keine erforderliche Interessenabwägungsentscheidung enthalte. Es werde auch in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit eingegriffen, da die Grundvoraussetzungen des Rechtsstaatsprinzips nicht beachtet worden seien. "Außerdem stellt sich das Gericht über das Gesetz, statt es anzuwenden: Eine normsetzende Instanz ist aber nur das Bundesverfassungsgericht, alle anderen müssten sich an die vom Bundestag beschlossenen Gesetze halten", so der Jurist. Und beschlossen sei unter anderem auch der neue Zusatz zum Immissionsschutzgesetz §47, wonach "Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen EURO 4 und 5 von Verkehrsverboten ausdrücklich ausgenommen sind, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb weniger als 270 mg Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen".
Jedes den Bürger belastende Verwaltungshandeln bedürfe einer gesetzlichen Grundlage, unterstrich Dr. Pagenkopf. Das gelte auch für Stuttgart: "Hier besteht die Belastung in einer Verkehrsbeschilderung, die für die Verkehrsteilnehmer ein Durchfahrverbot beinhaltet." Eine gesetzliche Grundlage fehle dafür eindeutig. Eine Verfassungsbeschwerde sei hier bereits möglich, weil die Rechtsmittel im Eilverfahren schon ausgeschöpft worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim war in diesem Fall die letzte Instanz.
Insgesamt sieht Dr. Pagenkopf die in der Beschwerdeschrift vorgebrachten Argumente teils nicht hinreichend gewürdigt, teils einfach ignoriert. Mehr noch: "Den Beschlüssen des VGH ist keine sonst übliche Abwägung der unterschiedlichen Interessen zu entnehmen. Der 10. Senat, der entschieden hat, ist für das Straßenverkehrsrecht nicht zuständig. Gleichwohl hat er aber die Zulässigkeit der Verkehrsbeschilderung bejaht." Der härteste Vorwurf an das Gericht lautet: "Es war objektiv nicht bereit war, sich Recht und Gesetz zu unterwerfen." (AH)