Die Automobilwirtschaft steht vor entscheidenden Jahren: Während der Service- und Gebrauchtwagenmarkt stabil wächst, bereiten sinkende Neuwagenverkäufe, die stockende E-Auto-Nachfrage und ein zunehmender Fachkräftemangel der Branche Sorgen. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) nutzte seine Jahrespressekonferenz, um klare Forderungen an die Politik zu stellen. Vor allem eine gerechtere Förderung der Elektromobilität, Bürokratieabbau und eine Stärkung des Handwerks seien notwendig, um den Automobilstandort Deutschland zukunftssicher zu machen, hieß es am Mittwoch in Berlin.
ZDK-Chef Joswig: "Mobilität darf nicht zum Luxusgut werden"
Verbandspräsident Arne Joswig machte zu Beginn eine deutliche Ansage an die Politik. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Bundestagswahl mahnte er eine wirtschaftsfreundlichere Politik an: "Wir sind Unternehmer und wünschen uns eine zupackende Bundesregierung", die deren Belange auch endlich wieder in den Fokus rücke.
Die wirtschaftliche Entwicklung im Kfz-Gewerbe bezeichnete Joswig als "zwiespältig": Der Gesamtumsatz 2024 wuchs über alle Geschäftsbereiche hinweg um 5,6 Prozent auf 218,9 Milliarden Euro – vor allem dank eines starken Gebrauchtwagen- und Servicegeschäfts. Der Neuwagenverkauf hingegen stagnierte "mit leicht negativer Tendenz", mit einem Umsatzrückgang von zwei Prozent, insbesondere aufgrund des Einbruchs der E-Auto-Nachfrage.
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Besorgt zeigte sich der ZDK-Präsident über den CO2-Preis: "Wenn die Klimaziele eingehalten werden sollen und die E-Mobilität nicht vorankommt, wird der CO2-Preis explodieren. Bei möglichen 2,50 Euro pro Liter Kraftstoff in den nächsten fünf Jahren könnten sich viele Menschen kein Auto mehr leisten." Sein Appell: Die Politik muss Lösungen finden und Mobilität für alle Schichten der Gesellschaft zugänglich machen. "Mobilität darf nicht zum Luxusgut werden", so Joswig.
ZDK-Vize Peckruhn: "2024 war ein verlorenes Jahr für die Elektromobilität"
Deutliche Kritik an der aktuellen Verkehrspolitik äußerte auch Thomas Peckruhn, ZDK-Vizepräsident und Sprecher des Fabrikatshandels. Er sprach von einem "verlorenen Jahr für die Elektromobilität" und machte insbesondere die abrupt abgeschaffte Kaufprämie Ende 2023 für den Einbruch der E-Auto-Neuzulassungen verantwortlich.
Die Zahlen sind deutlich: 2024 gingen die Neuzulassungen batterieelektrischer Fahrzeuge um fast 30 Prozent zurück. Die Kaufzurückhaltung sei sowohl bei Privat- als auch bei Flottenkunden spürbar, so der Branchenvertreter. 76 Prozent der Händler würden von einer schlechten Nachfrage nach E-Fahrzeugen berichten, 61 Prozent würden auch bei Plug-in-Hybriden eine rückläufige Entwicklung sehen.
Peckruhn mahnte an, dass man sich nicht darauf verlassen könne, dass die Talsohle nun bereits durchschritten sei, da nun auch verstärkt Rückläufer in den Markt kämen. Ohne gezielte politische Maßnahmen gerate der Hochlauf der Elektromobilität weiter ins Stocken. Kritisch erachtet der Händler auch die in den Büchern stehenden Restwerte so mancher Modelle.
Kfz-Geschäft 2024 und 2025 – Zahlen, Fakten, Erwartungen
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Peckruhn sieht den Handel durch die CO2-Flottengrenzwerte und drohenden Strafzahlungen der Hersteller unter Druck. "Wir müssen mehr E-Autos verkaufen, während die Erträge in den Keller gehen", betonte er. Angesichts von Rabattprogrammen der Hersteller, die teils Preisnachlässe von bis zu 3.000 Euro vorsehen, bleibe "für keinen der Beteiligten mehr etwas übrig".
Auch die allgemeine Geschäftslage bereitet dem Handel Kopfzerbrechen. Laut einer ZDK-Umfrage beurteilen 53 Prozent der befragten Betriebe ihre wirtschaftliche Lage schlechter als im Vorjahr. Für 2025 erwarten nur elf Prozent eine Verbesserung, während 57 Prozent mit einem weiteren Rückgang rechnen. Angesichts dieser Zahlen forderte Peckruhn die Politik auf, die verunsichernden Diskussionen beiseite zu legen und "endlich ins Handeln zu kommen".
Bundesinnungsmeister Grün: Akademische und handwerkliche Bildung gleichstellen
Trotz herausfordernder Rahmenbedingungen konnte ZDK-Vizepräsident und Bundesinnungsmeister Detlef Peter Grün erfreuliche Zahlen aus der Ausbildung vermelden: Mit 25.221 neuen Ausbildungsverträgen im Beruf Kfz-Mechatroniker/in wurde der höchste Stand seit 20 Jahren erreicht – ein Wachstum von 7,2 Prozent. Der Anteil weiblicher Auszubildender stagnierte jedoch weiterhin bei 6,2 Prozent. Deutlich besser sieht es im kaufmännischen Bereich aus: Bei den Automobilkaufleuten lag der Frauenanteil bei knapp 40 Prozent, bei insgesamt 5.727 neuen Verträgen, ein Anstieg von 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Doch neben diesem positiven Trend gibt es laut Grün erheblichen Handlungsbedarf. Insbesondere bei der Meisterausbildung müsse die Politik endlich aktiv werden. "Ein Meisterkurs kostet rund 15.000 Euro, während ein Studium kostenlos ist", kritisierte er. Die Gleichstellung von akademischer und handwerklicher Bildung sei überfällig.
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Auch der Mangel an Betriebsnachfolgern bereitet Sorgen. Viele junge Meisterinnen und Meister würden von einer Selbstständigkeit abgeschreckt – vor allem durch bürokratische Hürden, fehlende Steuererleichterungen und eine zögerliche Kreditvergabe der Banken. Um diesen Trend zu stoppen, brauche es gezielte staatliche Unterstützung, etwa in Form günstiger Kredite, weniger Bürokratie für Kleinbetriebe und steuerlicher Erleichterungen, etwa bei der Grunderwerbsteuer und den Umsatzsteuervoranmeldungen.
Zudem bleibt die Branchenstruktur unter Druck: Die Zahl der Kfz-Werkstätten sank 2024 um 0,4 Prozent auf 36.030 Betriebe. Gleichzeitig stieg der Umsatz im Service- und Reparaturbereich um 7,4 Prozent auf 36 Milliarden Euro. Der anhaltende Fachkräftemangel könnte diesen positiven Trend jedoch langfristig gefährden.
Fahrzeugdaten: ZDK für sektorale Regelung
Neben wirtschaftlichen und bildungspolitischen Forderungen mahnte Grün auch eine klare Regelung zum Zugang zu Fahrzeugdaten an. Werkstätten und Reparaturbetriebe benötigten uneingeschränkten Zugriff auf die vom Fahrzeug generierten Daten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Bundesregierung müsse sich daher in Brüssel für eine sektorale Regelung einsetzen. "Die Daten gehören den Kunden und müssen ihnen und ihren Werkstätten uneingeschränkt zur Verfügung stehen", unterstrich er. Außerdem seien kartellrechtliche Maßnahmen erforderlich, um Datenmonopole zu verhindern und bestehende Vorschriften an die digitale Realität anzupassen.
Trotz Rekordzahlen in der Ausbildung bleiben also viele Baustellen. Das Handwerk fordert von der neuen Bundesregierung konkrete Maßnahmen, um den Mittelstand zu entlasten, Betriebsgründungen zu fördern und die digitale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.