Ausgabe 03/2009: Im Zweifel für den Kunden

Recht + SteuernIm Zweifel für den KundenGebrauchtwagenverkauf E Sachmängelhaftung oder Garantie? Der BGH entscheidet konsequent verbraucherfreundlich. AUTOHAUS Juristen Rechtsanwälte G. Haug & PartnerMit einem am 11. 11. 2008 verkündeten Urteil (Aktenzeichen VIII ZR 265/07) stärkt der BGH weiter die Verbraucherrechte. Zu entscheiden war der Fall eines Gebrauchtwagenkäufers, der vom Händler nach erfolgter Reparatur eines aufgetretenen Getriebeschadens die nach den Bestimmungen einer abgeschlossenen Gebrauchtwagen-Garantie geleistete Materialkostenbeteiligung zurückverlangte. Der Kunde erhielt Recht, da ihm vorliegend nach den Sachmängelhaftungsvorschriften eine kostenlose Reparatur zustand und er sich hierüber bei Bezahlung der Rechnung nicht im Klaren war.Der konkrete FallIn der täglichen Praxis ist die entschiedene Fallkonstellation in entsprechenden Variationen ständig wiederkehrend anzutreffen: Ein Privatkunde erwarb vom Händler mit Gebrauchtwagen-Garantie einen sieben Jahre alten Mercedes-Benz mit 60.000 km für 27.500 €. Nach weiteren 12.000 km trat innerhalb der ersten sechs Monate ein Getriebeschaden auf. Die Werkstätte des Händlers erneuerte das Getriebe, rechnete die Reparatur mit der Garantie-Versicherung ab und verlangte vom Kunden lediglich die nach den Garantiebestimmungen anfallende Beteiligung von 30 Prozent an den Materialkosten. Der Kunde bezahlte die 1.071,38 €, die er später mit anwaltlicher Hilfe aber wieder zurückforderte. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass er im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung einen Anspruch auf kostenlose Schadensbehebung besaß.Die InstanzgerichteNach erstinstanzlichem Erfolg wurde die Klage des Kunden vom Berufungsgericht abgewiesen mit dem Hinweis, dass der Verkäufer sich nicht ungerechtfertigt bereichert hat und auch nicht die Geschäftsgrundlage für eine Reparatur im Rahmen der Garantievereinbarung fehlte. Aus einem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten lasse sich nicht entnehmen, ob der Getriebeschaden bei Übergabe des Fahrzeuges bereits veranlagt war. Damit stehe nicht fest, ob der Kläger überhaupt kostenlose Nacherfüllung beanspruchen konnte. Zweifelhaft sei, ob die Beweislastumkehr des § 476 BGB auch außerhalb der reinen Geltendmachung von Sachmängelhaftungsansprüchen gelte. Es habe aber der Kunde durch vorbehaltlose Bezahlung der Rechnung ein Anerkenntnis abgegeben, das ihm jedenfalls umgekehrt die Beweislast auferlegt, ohne Rechtsgrund bezahlt zu haben.Die BGH-EntscheidungDen insbesondere hinsichtlich des Anerkenntnisses durchaus vernünftig erscheinenden Gründen des Berufungsgerichts ist die Revision nicht gefolgt. Unter Berufung auf eine vorangehende Entscheidung vom Januar 2007 (VII ZR 165/05) lehnt es der BGH ab, der reinen Bezahlung der Rechnung den Erklärungsinhalt eines Anerkenntnisses zukommen zu lassen. Die näheren Umstände der Bezahlung waren in den Vorinstanzen nicht vorgetragen worden. Es könne deshalb nicht unterstellt werden, dass der Kunde mit dem Ausgleich der Rechnung dem zugrunde liegenden Reparaturauftrag jeden Streit entziehen wollte. Davon könne beispielsweise nur dann ausgegangen werden, wenn mit dem Kunden vorangegangen über möglicherweise bestehende Sachmängelhaftungsansprüche gesprochen wurde.Damit sieht der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall den Kunden auch nicht beweispflichtig für die Voraussetzungen einer rechtsgrundlos erfolgten Zahlung. Die sich dann ergebende Frage einer Anwendung der Beweislastumkehr des § 476 BGB beantwortet der BGH eindeutig: "Die Vorschrift ist auf alle Ansprüche zwischen Verbraucher und Unternehmer zu erstrecken, bei denen es im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Sachmängelgewährleistungsrechten des Verbrauchers darauf ankommt, ob die verkaufte Sache bei Gefahrenübergang mangelhaft war." Auch wenn es – wie hier – lediglich um Vorfragen der Klärung eines Anspruches geht, kann sich der Kunde auf die Beweiserleichterung berufen. Im entschiedenen Fall war zu alternativ denkbaren Mangelursachen nicht vorgetragen worden, so dass der Bundesgerichtshof von übermäßigem Verschleiß des Getriebes ausging. Dies aufgrund der Angaben des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen, der eine gewöhnliche Lebensdauer des Getriebes von ca. 250.000 km prognostizierte. Im Ergebnis hatte der Autohändler deshalb den berechneten Materialkostenanteil nach jahrelangem Rechtsstreit an den Kunden zurückzuerstatten.Rechtsanwalt Robert Glocker kanzlei@raehaug-partner.deKommentar< Wer als Fazit in der täglichen Praxis dem Urteil nicht unmittelbar Folge leisten und auf Materialkostenbeteiligungen von vorneherein nicht verzichten möchte, dem empfiehlt sich zunächst ein schriftlicher Reparaturauftrag des Kunden, der sich klar auf Arbeiten aus einer abgeschlossenen Kfz-Garantie bezieht. Um auch hier möglichst auf der sicheren Seite zu stehen, wäre der Kunde im Vorfeld und nachweisbar darauf hinzuweisen, dass ggf. auch Sachmängelhaftungsansprüche im Raum stehen können und er bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen die Reparatur ohne eigene Kostenbeteiligung verlangen kann. Darüber hinaus kann daran gedacht werden, sich bei Bezahlung der Rechnung das Einverständnis mit der erfolgten Abrechnung auf der Grundlage der Garantievereinbarung gesondert quittieren zu lassen. Problematisch bleibt gleichwohl, ob ein solches Vorgehen der Überprüfung nach AGB-rechtlichen Vorschriften in jedem Falle standhält. Jedenfalls zeigt die vorliegende Entscheidung, wie wichtig es ist, bei Rückabwicklungsfällen im Rahmen des § 476 BGB frühzeitig und ausführlich auch alternativ zur möglichen Mangelursache vorzutragen. Ein Getriebeschaden kann bekanntlich auch von einem fehlerhaften Fahrverhalten herrühren. «BuchtippEntlohnungssystemeWie ein gerechtes und transparentes Vergütungssystem die Zufriedenheit der Mitarbeiter im Autohaus erhöht, wird in der neuen Auflage des Buches "Entlohnungssysteme in Automobilhandel und -service" erläutert. Dieses Buch bietet eine Hilfestellung, um ein gerechtes Vergütungssystem zu entwickeln, das ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand alle Mitarbeiter systematisch für Arbeitsweisen belohnt, die die Ertragssituation nachhaltig verbessern und zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen. Die aktuelle 3. Auflage wurde komplett überarbeitet. Besonderer Fokus wurde dabei auf den Bereich Service und Werkstatt gelegt. Auf einer beiliegenden CD-ROM befindet sich nicht nur eine Mustervergütungsvereinbarung, sondern auch eine PowerPoint-Präsentation, mit der Mitarbeiter anschaulich über das neue Vergütungssystem informiert werden können.Kurzfassung1. Im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs kann der Kunde nicht auf eine Gebrauchtwagengarantie mit Kostenbeteiligung verwiesen werden, wenn Sachmängelhaftungsansprüche bestehen.2. Ist der Kunde nicht über seine Rechte informiert, kann er die im Rahmen einer Garantieabrechnung geleisteten Beteiligungsbeträge zurückverlangen.3. Die Beweislastumkehr des § 476 BGB gilt für alle Ansprüche des Verbrauchers, auch wenn es nur um die Klärung rechtlicher Vorfragen eines Anspruchs geht. Recht + Steuern

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