Autofinanzierung: "Hochqualifizierte Leads"

AH: Herr Wieners, wie sind die Möglichkeiten der Autofinanzierung im Netz? J. P. Wieners: Das ganze Thema der Autofinanzierung im Internet steckt doch eher in den Kinderschuhen. Mit iAutofinance wollen wir dem Handel unter anderem erstmals eine neutrale Plattform bieten, um seine individuellen Finanzierungsangebote auf unterschiedlichen Plattformen und Devices (Desktop, Tablets, Mobiles) online zu präsentieren. AH: Werden die Kundenbedürfnisse bereits heute abgebildet? J. P. Wieners: Die Bedürfnisse des Kunden werden heute kaum abgedeckt. Es gibt bisher z. B. keinen Hersteller, der eine qualifizierte Ratenkalkulation und Kreditantragsstrecke auf seiner Website anbietet. Die Kunden wünschen sich umfassende Informationen zu den aktuellen Finanzierungsprodukten und Konditionen. Zusätzlich wird ein Online-Kreditantragsprozess erwartet. Solche digitalen Grundbedürfnisse werden seit Jahren von jedem besseren Onlineshop erfüllt. AH: 75 Prozent der Neuwagen und über 40 Prozent der Gebrauchtwagen werden in erster Linie über den Handel finanziert oder verleast. Ist diese Pole Position durch Vergleichsportale, Fintechs und andere Disruptoren in Gefahr? J. P. Wieners: Ganz klar Ja. Heute wissen schon die Vergleichsportale über die Kunden, die einen Online-Autokredit beantragen, viel mehr als der Hersteller und das Autohaus zusammen. Disruptoren sind die Meister im Erkennen von Schwächen in etablierten Geschäftsmodellen. Auto1 mit WKDA hat doch gezeigt, wie schnell Außenseiter etablierte Geschäftsmodelle im Autohandel erfolgreich angreifen können. Die Gefahr besteht nicht nur darin, dass die Erträge aus dem Finanzierungs- und Versicherungsgeschäft verloren gehen, sondern zukünftig noch der Fahrzeugverkauf von neuen Marktteilnehmern mit übernommen wird. AH: Was muss sich ändern? J. P. Wieners: Das Thema Digitalisierung steht bei jeder Autobank, den dazugehörigen Beratern und vielen Autohäusern ganz oben auf der Agenda. Das Problem ist aber typisch deutsch: Es werden auch bei der Digitalisierung der Autofinanzierung immer perfekte Lösungen gesucht. Komplexe Anforderungen und historisch gewachsene unflexible IT-Systeme führen bei der Umsetzung aber zu viel zu langen Projektlaufzeiten mit offenem Ausgang. Die Digitalisierung rennt, und drei Monate sind schon eine kleine Ewigkeit. Neues Denken ist gefragt. Man muss einfach mal was anfangen und was wagen. Warum nicht mal mit dem Wettbewerbern zusammenarbeiten, wenn das einen voranbringt, um den Markt zu besetzen? AH: Ist die Branche dazu bereit? J. P. Wieners: Gilles BianRosa, CEO von Fanhattan, sagte: "Wenn jemand Dein Essen essen möchte, stelle sicher, dass Du es selbst bist." Ich habe mit vielen Autobankern und Inhabern von Autohäusern gesprochen, die ihr eigenes Essen gerne weiter essen möchten und die Probleme ganz klar erkannt haben. Bei der Umsetzung ist einer der größten Feinde das Bestandsdenken in größeren Organisationen und - ironischerweise - die momentan guten Geschäfte der Autobranche. AH: Wie lässt sich der Prozess der Finanzierung vereinfachen? Check24 sagt das Geld innerhalb von Minuten zu und verzichtet auf den Brief. J. P. Wieners: Man kann nicht von einem einfachen und schnellen Kreditprozess sprechen, wenn bei allen Vergleichsportalen um die 70 Datenfelder pro Antragsteller abgefragt werden. Bei iAutofinance werden einmalig zwölf Datenfelder abgefragt, und die vorbehaltliche Kreditentscheidung kommt in wenigen Sekunden. Der Autokäufer möchte zuerst einmal eine schnelle Kreditindikation haben. Ob ein Kreditnehmer den Kfz-Brief behalten kann, hängt von der vermittelten Bank ab und nicht vom Vergleichsportal. Ich halte den Verbleib des Briefs nicht für so kriegsentscheidend bei der erfolgreichen Kreditvermittlung. Wir werden noch in diesem Jahr unseren digitalen Kredit-Voucher CREDITPIN so perfektionieren, dass der Verkäufer am POS nur noch die Kalkulation mit dem Kunden finalisieren und den CREDITPIN ins PoS-System eingeben muss, um dann den Vertrag unterschriftsreif ausdrucken zu können. AH: Was hat zur Gründung von iAutofinance geführt? J. P. Wieners: Ich bin seit über 25 Jahren mit der Absatzfinanzierung im Autohandel geschäftlich verbunden und habe mit meinen Firmen u. a. die ersten PC-BTX und webbasierten PoS-Systeme entwickelt. Durch mein Engagement in der Start-up-Szene musste ich feststellen, dass wirklich alles digitalisiert wird, nur nicht die Autofinanzierung. Das hat mich dann vor zwei Jahren dazu bewogen, das Thema der Online-Autofinanzierung noch einmal grundlegend zu überdenken. Das ganze Denken nutzt leider nichts, wenn man keine extrem flexible und hochskalierbare IT-Plattform für die Umsetzung seiner Ideen hat. Daher war iAutofinance zuerst einmal ein IT-Projekt zur komplett neuen Entwicklung eines vollständig Cloud-basierten Multi-Banken- und Multi-Marken-POS-Systems zur Absatzfinanzierung. AH: Welche Idee steckt dahinter? J. P. Wieners: Die Schaffung einer Marken-, Handels- und Autobanken-übergreifenden unabhängigen Plattform für die Auto- bzw. zukünftige Mobilitätsfinanzierung von Neu- und Gebrauchtwagen. AH: Wie funktioniert die Plattform? J. P. Wieners: Kunden können sich frühzeitig im Rahmen des Autokaufsprozesses über ihre individuellen Finanzierungsmöglichkeiten bequem bei uns online informieren. iAutofinance vermittelt dann hochqualifizierte Leads an die angeschlossenen Autobanken und Autohändler. Der finale Kreditabschluss kommt weiterhin direkt im Autohaus zustande. Wir sind heute schon technologisch dazu bereit, den vollständigen Kreditprozess über die Händler- und OEM-Websites anbieten zu können. AH: Wie wird der Handel eingebunden und was ist der Nutzen für die Händler? J. P. Wieners: Positiv entschiedene hoch qualifizierte Kreditvoranfragen über www.iautofinance.de bekommen registrierte Händler automatisch per E-Mail zur weiteren Nachverfolgung von uns vermittelt. In diesem Zuge werden die Händler auch im iAutofinance Händler-Locator eingebunden. Zusätzlich können registrierte Händler ihre in AutoScout24 inserierten Fahrzeuge auch kostenlos über iAutofinance mit individuellen Kreditangeboten versehen. In diesem Fall ersetzt der iAutofinance Ratenkalkulator das bisher übliche Kreditvergleichsportal in der Fahrzeugbörse und sichert so u. a. dem Handel die Erträge aus der Kreditvermittlung. Eine weitere Option ist wiederum die kostenlose Einbindung des iAutofinance Ratenkalkulators mit der Online-Kreditantragsstrecke als "White-Label-Version" auf den Websites der Händler. AH: Was hat der Kunde davon? J. P. Wieners: Über iAutofinance kann sich der Kunde bequem online, unverbindlich und Schufa-neutral über seine Finanzierungsmöglichkeiten und seinen voraussichtlich maximalen Kreditrahmen informieren. Mit dieser Budgetsicherheit im Rücken geht er dann natürlich lieber zu dem Autohaus, wo der langwierige und oft unangenehme Kreditprüfungsprozess schon im Vorfeld geklärt ist. AH: Welche Banken wollen Sie integrieren? J. P. Wieners: Wir möchten natürlich möglichst viele Captive-Banken an iAutofinance angebunden haben. Dazu laufen zurzeit eine Vielzahl von Gesprächen. Eine große Herausforderung ist die technische Anbindung der sehr unterschiedlichen Kreditentscheidungssysteme. AH: Bisher ist die Santander Consumer Bank Ihr einziges Kreditinstitut. Werden weitere folgen? J. P. Wieners: Ja - noch in diesem Jahr. AH: Welche Rolle spielen die Autobanken? J. P. Wieners: Wir glauben, dass der Kunde in der Regel das beste "Gesamtpaket" für den Fahrzeugkauf weiterhin über den qualifizierten Autohandel bekommt. Hier spielen die Autobanken mit ihren sehr auf den Fahrzeugabsatz zugeschnittenen Produkten und Prozessen eine ganz entscheidende Rolle zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse in iAutofinance. Diese Produktvielfalt und Leistungstiefe können Universal- und Direktbanken heute (noch) nicht bieten. AH: Wie wird Ihr neues Produkt von Händlern und Kunden angenommen? J. P. Wieners: Vom Handel bekommen wir nur durchweg ein sehr positives Feedback, das so weit geht, dass Händler von ihren bisherigen Bankpartnern zur Santander Bank wechseln, um iAutofinance voll nutzen zu können. Unsere Kunden schätzen insbesondere den einfachen werbefreien Seitenaufbau und den schlanken und schnellen Kreditprozess. Die Quote von rund 40 Prozent wiederkehrenden Nutzern und eine geringe Absprungrate der Erstbesucher zeigen die hohe Akzeptanz von www.iautofinance.de. AH: Wie sieht das Geschäftsmodell aus? J. P. Wieners: iAutofinance ist für die Kunden und die Autohändler immer kostenlos. Wir werden erfolgsabhängig über die angeschlossenen Autobanken vergütet. Die zwischen Autohandel und Autobanken vereinbarten Konditionen bleiben von einer Zusammenarbeit mit iAutofinance unberührt. AH: Wer sind die Investoren? J. P. Wieners: Das Seed-Financing (Anfangsfinanzierung) erfolgte durch meine eigene Projektentwicklungsgesellschaft aus Berlin. Im Rahmen einer "Series A"-Finanzierung konnten wir jetzt eine automotive-affine Investorengruppe mit einem siebenstelligen VC Investment gewinnen. In diesem Zuge übertragen wir auch gerade die iAutofinance-Aktivitäten in die neu gegründete iAutofinance GmbH mit Sitz in München. AH: In welcher Form wollen Sie iAutofinance weiterentwickeln? J. P. Wieners: Wir werden die Investitionen in das Marketing für unsere Portal-Website www.iAutofinance.de deutlich erhöhen. Bei den bestehenden Kooperationen werden wir den Funktions- und Serviceumfang weiter ausbauen. Für den Handel werden wir noch in diesem Jahr eine neue "Lead-Conversion-Funktion" vorstellen. Ferner wird eine Internationalisierung des Geschäftsmodells angestrebt. AH: Wo sehen Sie künftig die Herausforderungen bei der Autofinanzierung? J. P. Wieners: 1) Die Autofinanzierung wird sich analog zu den Mobilfunktarifen immer mehr zu einem Baukastensystem an Leasing-, Versicherungs-, Service- und Mobilitätsbausteinen hin entwickeln. 2) Das Geschäft der Autofinanzierung ist noch relativ margenstark und dabei recht konstant und risikoarm. Das ruft global denkende Investoren auf den Plan, die mit hohen Venture Capital Investments in disruptive Geschäftsmodelle investieren, um die Schwächen der etablierten Player auszunutzen. 3) Die wirklich zeitnahe Umsetzung neuer Produkte und neuer Geschäftsmodelle sind die Grundvoraussetzung, um die Herausforderungen meistern zu können. Die bestehenden IT-Systemlandschaften bei den Herstellern, den Autobanken und dem Handel wird das vor erhebliche technische Herausforderungen stellen. IT wird zukünftig ein noch entscheidenderer Faktor für den geschäftlichen Erfolg sein als heute schon. Interview: Ralph. M. Meunzel

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