von Prof. Dr. Tim O. Vogels, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Der Stellantis-Konzern hat wie angekündigt sämtliche Händler- und Serviceverträge gekündigt. Ob dies strategisch sinnvoll ist, wenn nicht gleichzeitig ein Modell vorstellt wird, wie die Netze der einzelnen Marken zukünftig aufgestellt sein sollen, soll hier nicht vertieft werden. Vielmehr soll dargestellt werden, was eine Kündigung für Folgen hat.
Kündigung möglich
Grundsätzlich kann jedes Dauerschuldverhältnis, d.h. auch ein Händler- oder Servicevertrag, gekündigt werden. Die einzige Frage ist, ob die Kündigung wirksam ist.
Wird die Kündigung beispielsweise nicht von vertretungsberechtigen Personen ausgesprochen, kann Sie nach § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen werden. Nach den vorliegenden Kündigungen sind diese jedoch entweder von zwei Geschäftsführen oder zwei Prokuristen unterzeichnet worden.
Darüber hinaus kann eine Kündigung treuwidrig sein. So ist anerkannt, dass in den Fällen, in denen ein Hersteller oder Importeur einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, eine Kündigung rechtsmissbräuchlich ist. Dies ist beispielsweise in den Fällen der Fall, in denen der Händler auf Veranlassung des Herstellers oder Importeurs im Vertrauen auf eine weitere Zusammenarbeit erhebliche Investitionen getätigt hat. In diesen Fällen sollte der betroffene Händler bereits jetzt dem betreffenden Hersteller oder Importeur mitteilen, dass die Kündigung rechtsmissbräuchlich ist. Wenn dies erst nach der Versendung der letter of intent, was im Juli erfolgen soll, geschieht, wird eine Durchsetzung der Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund der abgeschlossenen Netzplanung nach aller Erfahrung nicht ohne gerichtliche Hilfe möglich sein.
Dass in den Kündigungen auch auf die aktuellen GVO’s Bezug genommen wird, ist allerdings unbeachtlich. Zwar laufen diese nächstes bzw. übernächstes Jahr aus und es ist noch nicht klar, was dann geltend wird. Dementsprechend ist das Verhalten des Stellantis-Konzerns unverständlich. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Verträge gekündigt werden konnten.
Sondersituation Service
Anders sieht die Rechtslage im Servicebereich aus: Wie der BGH in seinen Jaguar- und Land Rover-Entscheidungen aus den Jahren 2016 und 2018 entschieden hat, besteht aus kartellrechtlichen Gründen ein Anspruch auf Zulassung zum Servicenetz des Herstellers bzw. Importeurs. Daher besteht auch dann ein Anspruch auf Abschluss eines neuen Servicevertrages, wenn der Hersteller oder Importeur keinen Vertrauensbestand auf den Fortbestand des Vertrages geschaffen hat. Auch dieser Anspruch sollte frühzeitig geltend gemacht werden.
Einige Hersteller oder Importeure haben in der Vergangenheit versucht, die Bewerber unter Hinweis auf noch nicht vorliegende Serviceverträge zu vertrösten. Wenn die Verträge jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt werden, reicht oft die verbleibende Zeit nicht aus, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, damit eine nahtlose Fortsetzung des Servicevertrages sichergestellt werden kann. Daher sollten gerade die Partner, die von dem Hersteller oder Importeur keinen letter of intent in Bezug auf den Servicevertrag erhalten, kurzfristig entsprechende Ansprüche geltend machen. Wenn ein Hersteller oder Importeur die geforderten Erklärungen dann nicht abgibt, besteht ein für eine gerichtliche Geltendmachung erforderliches Feststellungsinteresse.
Direktvertrieb
Gerade vor dem Hintergrund des offensichtlich vom Stellantis-Konzern geplanten erweiterten Direktvertriebs (in den Präsentationen hieß es insoweit nebulös "Omnichannel") dürfte die Bedeutung des Servicevertrages zukünftig weiter steigen. Dies unabhängig davon, dass die betreffenden Händlerverbände im Rahmen der anstehenden Gespräche über die neuen Verträge besonderen Wert darauf legen werden, dass die vom BGH gestellten Anforderungen an die Zulässigkeit des Direktvertriebs (insbesondere ein angemessener Ausgleich der Händler) sichergestellt ist. Entsprechendes gilt für die offenbar weiter geplanten neuen Geschäftsmodelle.
Ausgleichsanspruch
Unabhängig davon, ob der betroffene Händler einen letter of intent erhalten hat oder nicht, sollte er sich früh genug mit der Frage des Ausgleichsanspruches beschäftigen. So ist es in der Vergangenheit des Öfteren vorgekommen, dass Händler, die eigentlich weitermachen sollten, sich aus verschiedenen Gründen (beispielsweise aufgrund der Konditionen des neuen Händlervertrages) dazu entschlossen haben, doch den Händlervertrag nicht fortzusetzen. In diesen Fällen ist es zumeist zu spät, die Höhe des Ausgleichsanspruches positiv zu beeinflussen. Die Höhe des Ausgleichsanspruches hängt im Wesentlichen von der sogenannten Mehrfachkundenquote und dem individuellen Rohertrag im letzten Vertragsjahr ab. Da das letzte Vertragsjahr erst am 1. Juni 2022 beginnt und Mehrfachkunde (abgesehen, von denjenigen, die im letzten Vertragsjahr mehrere Fahrzeuge erwerben) nur derjenige werden kann, der in den vier. Jahren zuvor bereits einmal ein Fahrzeug erworben hat, verbleibt ausreichend Zeit, auf die Höhe des Ausgleichsanspruches Einfluss zu nehmen. Zudem ist der Aufwand in dem Fall, in dem parallel die Unterlagen beim jeweiligen Verkauf schon mal zur Seite gelegt werden, deutlich geringer, als wenn nach Vertragsbeendigung alle Unterlagen auf einmal zusammengetragen werden müssen.
Rückgabe Vertragsware
Nicht ganz so zeitlich relevant ist die Frage der Rücknahme der Vertragsware. Im Rahmen des Händlervertrages ist beispielsweise bei Fiat geregelt, dass bei Vertragsbeendigung lediglich fabrikneue Fahrzeuge zurückgenommen werden. Daher sollte frühzeitig darauf geachtet werden, dass Fahrzeuge, die nicht rücknahmefähig sind, frühzeitig verkauft werden.
Fritz Asbeck