Kern Akademie: "Einfach irre, was die damals gemacht haben"

KURZFASSUNG: Die in Old- und Youngtimer verbaute Technik beherrschen immer weniger Werkstattmitarbeiter. Die Kern Akademie bietet daher Schulungen vom Vergaser bis zur KE-Jetronic an, die fit für die Oldtimerreparatur machen sollen. Eine Schulungsübersicht gibt es auf: https://www.kern-akademie.org/#schulungen Als die K-Jetronic in den 70ern eingeführt wurde, war sie das erste mechanisch-hydraulische und kontinuierliche Einspritzsystem im Fahrzeugbau. Die Technik kam in Modellen wie Porsche 911 G-Modell, Golf 1 GTI oder Mercedes-Benz W116 zum Einsatz. Fahrzeuge, die oftmals als rollende Geldanlage gehandelt werden und noch heute im Einsatz sind. Gefragtes Expertenwissen Viele Mechaniker, die mit einem System wie der K-Jetronic vertraut sind, gehen jedoch in den Ruhestand - wenn sie es nicht schon lange sind. Mit ihnen verschwindet das Wissen um die komplexe Technik. "Ewig können wir dieses Wissen nicht halten", konstatiert Thorsten Kern. Der Berufsschullehrer aus Neuffen, Baden-Württemberg, bietet daher Schulungen an, die das Wissen um die Funktionsweise dieser alten technischen Systeme den Jüngeren näherbringt. Für den ehemaligen Rennfahrer sind die Schulungen eine Herzensangelegenheit. Für Autohäuser und Werkstätten sind sie hingegen eine Möglichkeit, Besitzer von Old- und Youngtimern, die ihr Fahrzeug nicht in Eigenregie reparieren, sondern lieber in kompetente Hände geben wollen, mit Expertenwissen zu überzeugen und sicherzustellen, dass auch in einigen Jahren noch jemand im eigenen Betrieb ist, der sich mit der komplexen Technik aus den 70ern und 80ern auskennt. In den Lehrplänen der Auszubildenden kommt das Wissen kaum mehr vor. Umso wichtiger ist es daher, dass dieses Wissen nicht in Vergessenheit gerät. Bedarf gebe es schließlich nach wie vor, fasst Kern die Situation zusammen. Vergaser, Zündanlagen und Bosch-Gemischbildungssysteme, zu denen auch die D-, L-, LH- und KE-Jetronic gehören, bilden je eine eigene Schulung, die jeweils in der Regel über einen Tag geht. Bei den Auszubildenden der Kfz-Innung sind es insgesamt 100 Stunden alte Technik, die auf dem Lehrplan stehen, Kern macht 120. Was von der Innung nicht bezahlt wird, finanziert der Oldtimer-Enthusiast derzeit aus eigener Tasche. Begreifen kommt von greifen Auch wenn sie mittlerweile antiquiert wirkt, ist die Technik mit ihren Druckdifferenzventilen, Luftmengenmesser und Warmlaufregler alles andere als simpel. "Ich habe das System ganz lange nicht verstanden", gesteht einer der Kursteilnehmer. Die Erkenntnis setzte ein, als er die K-Jetronic unter der Anleitung Kerns in ihre Bestandteile zerlegte - und wieder zusammenbaute. "Für viele ist es das erste Mal, dass sie etwas zerlegen, zusammenbauen und dann einbauen", erklärt Kern und schiebt nach: "Aber begreifen kommt schließlich von greifen." Um Fehlgriff zu vermeiden und auf individuelle Wünsche eingehen zu können, ist die Anzahl der Kursteilnehmer in der Kern Akademie beschränkt. Schautafel und Schnittmodelle helfen beim Verstehen Allein mit den Händen lässt sich aber nicht immer nachvollziehen, wie bestimmte Technologien wechselwirken. Aus diesem Grund sind in der ganzen Werkstatt große Schautafeln aufgebaut, an denen genau nachvollzogen werden kann, wie beispielsweise besagte K-Jetronic funktioniert. Aufwändig wurde das System dekonstruiert, auf einer Tafel aufgebahrt und so modifiziert, dass die Kursteilnehmer sehen können, welches Bauteil zu welchem Zeitpunkt was macht. Auch der Einfluss bestimmter Parameter sowie der gesamte Ablauf in seiner ganzen Kleinteiligkeit lassen sich auf diese Weise gut nachvollziehen. Manchmal hilft es aber auch nichts, wenn man das Bauteil aufschrauben kann. Wie ein Thermozeitschalter mit Bimetall funktioniert, zeigt ein Schnittmodell am besten. Dutzende davon stehen in Kerns Werkstatt verteilt. Zum Teil fertigt sie Kern selbst an. Weil das Herzensprojekt von Kern allein nicht zu stemmen ist, bekommt er immer wieder Hilfe von Gleichgesinnten wie Helmut Born. Der gelernte Elektroniker hilft nicht nur bei der Herstellung der Technik-Schautafeln, sondern schult die Oldtimer-affinen Kursteilnehmer auch in puncto Elektronik. Hinten stellen zwei Azubis gerade die Einspritzdüsen der K-Jetronic ein, eine Station weiter wird der Kraftstoffmengenteiler auseinandergenommen und die verbaute Membran auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft. "Nur, wenn man weiß, wie die Dinge funktionieren, kann man sich überhaupt auf Fehlersuche begeben", erklärt Kern - und legt damit den Finger in eine Wunde, die derzeit eine ganze Industrie umtreibt. Immer wieder hört man von den Lehrlingen, die weniger das Reparieren als das Austauschen von Fahrzeugteilen lernen. Austauschen statt reparieren In ihren Betrieben werde ein solch grundlegendes Verständnis - und damit verbunden auch die Zusammenhänge, die in komplexen technischen Bauteilen wechselwirken - kaum mehr vermittelt, erklärt Kern. Das schnelle Austauschen stehe im Vordergrund - und ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht in vielen Fällen auch sinnvoller. Gerade im Old- und Youngtimer-Bereich lohnt sich eine Reparatur jedoch oftmals noch. Kern ist klar, dass er mit seinen Schulungen immer nur einen Denkanstoß liefern kann. Früher, erklärt er, habe allein die Schulung an der K-Jetronic viereinhalb Tage in Anspruch genommen. Die Zeit hat heute kaum jemand mehr. In erster Linie will Kern in den Schulungen daher ein Fundament schaffen, das die Teilnehmer in die Lage versetzt, selbst auf Fehlersuche gehen zu können. Technik zum Anfassen, Aufbauten, die Abläufe im Hintergrund veranschaulichen, und ein Experte, der für das Thema brennt: Bei den Teilnehmern, die oftmals selbst einen Oldtimer besitzen, kommt das gut an. "Einfach irre, was die damals gemacht haben", so einer der Schulungsteilnehmer.

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