Ausgabe 22/2013: Digitaler Durchbruch

Wie gut sich Tradition und Moderne miteinander verbinden lassen, das wird am Beispiel der Bald AG deutlich. Heute zählt das Autohaus mit Hauptsitz in Siegen zu den ältesten und führenden Mercedes-Benz-Partnern in Deutschland. Das Unternehmen beschäftigt an acht Standorten rund 420 Mitarbeiter und betreut über 20.000 Mercedes-Benz-Kunden.Ausruhen tut sich die Autohausgruppe aber nicht auf ihrer langen Firmenhistorie, sondern geht mit der Zeit, auch in Hinblick auf die IT. Moderne Hallen mit neuen Hebebühnen sind das eine. Viel interessanter aber: Vor kurzem hielt das iPad Einzug in die Dialogannahme. Seit Anfang des Jahres 2013 wird nun digital dokumentiert, und das mit einer speziell von der Proaxia Consulting Group AG für und mit Bald entwickelten App, die sich Mobile Service Advisor (MSA) nennt.Annahmeprozess voll digitalDie Dialogannahme-App ist über die Sybase Unwired Plattform (SUP) voll in das SAP Dealer Business Management (DBM) integriert. Dadurch kann der Serviceberater heute sämtliche relevanten Kunden-, Fahrzeugdaten und alle damit in Zusammenhang stehenden Aufträge über sein iPad abrufen. Über grafische 3D-Modelle der jeweiligen Fahrzeuge und frei definierbare Checklisten werden sämtliche Prüfergebnisse festgehalten. Zugleich nimmt der Serviceberater mit der Gerätekamera Bilder auf und fügt sie zur Fahrzeugakte hinzu - alles in der iPad-üblichen und einfachen Tipp- und Wischtechnik. Ist der Dialogannahmeprozess abgeschlossen, überträgt der Serviceberater die Daten in das DBM und der Kunde erhält ein umfassendes Protokoll mit sämtlichen Prüfergebnissen. Alle negativ geprüften Punkte fasst der Serviceberater in einem Auftrag zusammen, der abschließend vom Kunden unterzeichnet wird und gleichzeitig als Werkstattauftrag dient. Lackkratzer oder kleine Dellen, die der Kunde aktuell nicht beheben lassen möchte, werden auch dokumentiert und können beim nächsten Kundendienst erneut angesprochen werden. Der Vorteil: Der Servicemitarbeiter kann den Kunden gezielt betreuen. Außerdem spielen die aufgenommenen Daten auch für den späteren Ankauf der Fahrzeuge eine Rolle.Fotos schützen vor Regressen"Vor Einsatz unserer Dialogannahme-App hatten wir bei Bald keine lückenlose Dokumentation. Selbstverständlich haben wir die Papierprotokolle ordentlich abgeheftet, aber das war insgesamt sehr umständlich und zeitraubend. Heute können wir über unser System sämtliche Vorgänge und Prüfergebnisse inklusive Bildmaterial schnell und einfach abfragen. Die Fotodokumentation würde uns auch vor möglichen Regressansprüchen unserer Kunden schützen, da wir jetzt von Kratzern und Dellen immer Aufnahmen machen. Erst danach kommt das Fahrzeug in die Werkstatt", erläutert Martin Radmacher, der als Serviceleiter für alle Standorte der Bald AG verantwortlich ist.Liegen die Daten einmal digital vor, lässt sich der Datenpool darüber hinaus auch für gezielte Marketingaktionen nutzen. Denn das iPad eignet sich hervorragend, um spezielle Verkaufsaktionen oder auch das Zubehörportfolio von Mercedes-Benz wirkungsvoll zu präsentieren.Zum Beispiel holt Bald mehrfach im Jahr den "Dellendoktor" ins Haus, der geschickt und kostengünstig kleine Macken an Karosserien behebt. Aus der Datenbank lässt sich ganz einfach selektieren, welchen Kunden man diesbezüglich einen Termin beim Spezialisten anbieten könnte.Kooperative App-EntwicklungFür die Entwicklung der Dialogannahme-App hat die auf SAP-Prozesse spezialisierte Proaxia einen eher unkonventionellen Weg gewählt und seinen Kunden Bald sowie die Intelligent Mobiles GmbH, der die App ihre innovative und benutzerfreundliche Oberfläche verdankt, mit ins Boot geholt. "Wir waren von der Idee, an der Entwicklung des Mobile Service Advisors aktiv mitzuwirken, sofort begeistert. Die Mühe hat sich für uns auch gelohnt, da wir heute eine Service-App im Einsatz haben, die hundertprozentig auf unseren Bedarf abgestimmt ist. Die Lösung könnte aber auch von jedem anderen Mercedes-Benz-Partner eingesetzt oder an die Anforderungen von anderen Autohäusern und IT-Umgebungen angepasst werden", berichtet Jegor Schleiger, SAP-Betreuer bei der Bald AG.Nachdem die Rahmenbedingungen für die Kooperation grob festgelegt waren, fanden erste Workshops zur Erarbeitung eines Anforderungsprofils statt. Da die Lösung für die Servicemitarbeiter in den Bald-Autohäusern entwickelt wurde, waren diese von Beginn an in den kompletten Prozess involviert. An oberster Stelle der Prioritätenliste stand die vollumfängliche Prozessintegration, weiterhin sollte die Möglichkeit der mobilen Datenerfassung bestehen, der Kunde möglichst aktiv mit in den Dialogannahmeprozess einbezogen werden und am Ende alle Vorgänge und Prüfergebnisse nachvollziehbar dokumentiert sein. "Den ersten App-Rohling hat Proaxia recht zügig geliefert. Damit konnten wir testen und unsere Korrekturwünsche mitteilen. Nach deren Umsetzung erhielten wir das nächste Release. Dieses Szenario hat sich mehrfach wiederholt und Ende des Jahres 2012 konnten wir die finale Testrunde mit Anbindung an unser DBM durchführen", führt Schleiger aus. "Da die Lösung einfach zu bedienen ist, hat sich der Schulungsaufwand für die Mitarbeitereinführung in Hard- und Software auf durchschnittlich zwei Stunden beschränkt. Insgesamt arbeiten nun 24 Servicemitarbeiter mit dem iPad", resümiert der SAP-Experte.Vorgaben und Prozesse im EinklangSeitens Mercedes-Benz gibt es klare Vorgaben, die von den Partner-Autohäusern im Rahmen der Serviceberatung am Fahrzeug zu erfüllen sind. "Mit dem Mobile Service Advisor haben wir die Möglichkeit, neue Prüfpunkte hinzuzufügen und andere wegzulassen. Diese Flexibilität gewährleistet uns Investitionssicherheit, da wir unsere Lösung jederzeit anpassen können", wie Serviceleiter Radmacher verdeutlicht.Zur Ermittlung des Reparaturumfangs dient ebenfalls ein spezielles Programm von Mercedes-Benz. Dort sind sämtliche Positionen mit Arbeitswerten hinterlegt - vom simplen Austausch der Wischerblätter bis hin zu umfangreichen Reparaturen. Um sämtliche Vorgaben und Prozessabläufe unter einen Hut zu bringen, hat man sich bei Bald entschieden, dass die Kunden zum Abschluss ihren Serviceberater noch in die Kundenräume begleiten. Dort wird ihnen das komplette Prüfprotokoll mit allen Ergebnissen ausgedruckt. "Unsere Kunden sind immer wieder beeindruckt, wie umfangreich ihr Fahrzeug bei uns geprüft wird."Digital kommt anDie Frage, ob der digitale Annahmeprozess beim Kunden ankommt, kann Radmacher mit einem klaren "Ja" beantworten. "Ich kann sagen, dass über 90 Prozent der Kunden begeistert sind von der digitalen Annahme. Den Typ 'Schlüsselwerfer', also den Kunden, der nur seinen Schlüssel da lässt und sich nicht für die Annahme interessiert, gibt es kaum. Unsere Kunden schätzen das professionelle Auftreten unsererseits und die lückenlose Dokumentation aller Prüfpunkte. Er fühlt sich gewertschätzt und rundum sehr gut betreut", erklärt der Serviceleiter weiter. Die Vorteile der lückenlosen Dokumentation via iPad zeigen sich aber nicht nur gegenüber den Kunden und bei den internen Prozessen, sondern auch gegenüber Dritten, wie den Banken oder Wirtschaftsprüfern. "Dadurch, dass uns alle Daten digital vorliegen, sind wir revisionssicher", betont Radmacher.Interesse des Herstellers gewecktDie Umsetzung des Projekts wurde mit Auslieferung des letzten Geräts im Juni 2013 abgeschlossen. Von den ersten Gesprächen, der folgenden App-Entwicklung bis hin zu Implementierung und Mitarbeiterschulung hat die Umsetzung rund zwei Jahre gedauert. Die Dialogannahme-App Mobile Service Advisor habe bereits mehrere nationale und internationale Preise gewonnen. Selbst Mercedes-Benz sei auf die Lösung aufmerksam geworden und zeige konkretes Interesse, die App im eigenen Unternehmen einzusetzen.

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