Ausgabe 21/2012: Der Mangel bleibt

Der Mangel bleibtErbschaftsteuer – Der Bundesfinanzhof mahnt eine Überarbeitung des Erbschaftsteuerrechts an. Wesentliche Teile bleiben davon jedoch unberührt und damit weiterhin verfassungswidrig. Rath, Anders, Dr. Wanner & Partner WPGWie Sie sicherlich der Tagespresse entnommen haben (die Schlagzeilen waren unübersehbar), hat nunmehr das höchste deutsche Steuergericht, der Bundesfinanzhof (BFH), das neue Erbschaftsteuerrecht (welches das alte, verfassungswidrige Erbschaftsteuerrecht abgelöst hat) per Beschluss dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. So wie wir im Autohaus schon seit Jahren darauf hingewiesen haben, hat nun auch der Bundesfinanzhof sehr deutlich das gesamte Gesetz (schon wieder (!)) für nicht mit der Verfassung im Einklang befunden. Der BFH hat an Beispielen nochmals deutlich gemacht, dass gerade die leistungsfähigeren Bürger, also besonders Steuerpflichtige mit viel Kapitalvermögen, dem Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht völlig ausweichen können. Hierzu müssten lediglich Kapitalanlagen flüssig gemacht und in ein Betriebsvermögen eingelegt werden.Benachteiligter MittelstandGerade so mancher Mittelständler, also die Gruppe der tragenden Wirtschaftskraft in Deutschland, kann diese Lücke nicht nutzen, wenn – wie so oft – sein Kapital im Betrieb gebunden ist und z. B. langfristige Miet- und Pachtverträge das Fundament der betrieblichen Basis darstellen. Die ausführliche Entscheidung des BFH kann man auf einen ganz kurzen Nenner bringen: Je höher die Leistungskraft eines Bürgers durch flüssige Mittel ist, je eher kann er seine Schenkung- und Erbschaftsteuer auf null drücken. Dies widerspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass eine Steuer auf die Leistungsfähigkeit der betroffenen Bürger zugeschnitten sein muss und nicht etwa umgekehrt den Leistungsfähigeren auch noch mehr entlastet. All das war aber bereits der Tagespresse ausführlich zu entnehmen; warum wir darauf hinweisen, ist die folgende Neuerung:Neue Gesetzesvorlage!Auf Antrag des Bundesrates ist im sog. Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 nunmehr vorgesehen, dass auch flüssige Mittel – Bankguthaben, Forderungen – nur noch eingeschränkt begünstigtes Betriebsvermögen in einem Unternehmen darstellen, also nur noch begrenzt zur Steuerfreiheit führen können. Es ist damit zu rechnen, dass diese Gesetzesänderung auch tatsächlich problemlos durch die Beschlussfassungen von Bundestag und Bundesrat Gesetzeskraft erlangen wird (bei Redaktionsschluss lag der Beschluss des Bundestages vom 25.10.2012 noch nicht vor). Auch sind jetzt kurzfristige Gestaltungen noch vor Verkündung des Jahressteuergesetzes 2013 kaum mehr sinnvoll, denn das Gesetz sieht eine sog. echte Rückwirkung auf den Tag der Beschlussfassung durch den Bundestag vor. Solch eine echte Rückwirkung mag verfassungsrechtlich umstritten sein, jedoch kann auf diese Ungewissheit keine gesicherte Gestaltung vorgenommen werden.Lohnsummenklausel ungerechtErschreckend ist, dass in der Begründung zu dieser gesetzlichen Neuregelung ausdrücklich auf die Argumente des BFH verwiesen wird, jedoch das bisherige Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht in anderen Sachverhaltsgestaltungen genauso verfassungswidrig ist. So hat der BFH in seiner Pressemitteilung auch die sogenannte Lohnsummenklausel als offensichtlich verfassungswidrig angesehen. Bei der Lohnsummenklausel entfällt die Steuerbegünstigung, wenn fünf bzw. sieben Jahre nach Übertragung des Betriebes nicht die gleichen Lohnsummen wie in der Zeit vor der Übertragung erreicht werden. Da aber die Lohnsummenklausel nur für Betriebe mit mehr als zwanzig Arbeitnehmern gilt, trifft diese mögliche Einschränkung der Steuerfreiheit nur auf eine sehr geringe Zahl aller Betriebe zu. Unabhängig davon kann auch diese Lohnsummenklausel umgangen werden, z. B. bei sehr kapitalkräftigen Unternehmen durch Zukauf von weiteren Unternehmen innerhalb der Lohnsummenklauselfrist. Auch ist die Lohnsummenklausel oftmals von Zufälligkeiten abhängig, die nichts damit zu tun haben, wie hoch der Vermögenszuwachs bei einem Erben ist: Hatte beispielsweise der Vater den Betrieb durch Personalabbau saniert und stirbt sofort nach dieser Maßnahme, kann der erbende Sohn die Lohnsummenklausel quasi überhaupt nicht mehr erfüllen. Wird der Vater jedoch noch fünf Jahre „am Tropf“ am Leben gehalten, dann ist die Lohnsummenklausel für den erbenden Sohn praktisch kein Problem mehr. In beiden Varianten erbt jedoch der Sohn jeweils das gleiche Vermögen, einmal eventuell steuerfrei, im anderen Fall jedoch voll steuerpflichtig!Verfassungswidrigkeit bleibtAllein dies ist bereits ein Beispiel dafür, dass durch die beabsichtigte Gesetzesänderung mit dem Jahressteuergesetz 2013 die Verfassungswidrigkeit des bestehenden Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes nicht beseitigt ist, da die Lohnsummenklausel erhalten bleiben soll. Indessen hat der Gesetzgeber weitere „Lücken“ der Besteuerung nicht beseitigt: So sind landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, selbst wenn sie nicht für den eigenen Betrieb genutzt werden, immer in beliebiger Höhe als steuerbegünstigtes Vermögen zu betrachten, sie müssen lediglich beim verschenkenden oder vererbenden Steuerbürger im Betriebsvermögen gehalten werden. Riesige Ländereien sind in einer GmbH & Co. KG, darunter befinden sich auch Baugrundstücke. Alle diese Immobilien sind an Landwirte zu deren Nutzung verpachtet und stellen damit begünstigtes Betriebsvermögen dar. Da diese GmbH & Co. KG kaum Personal benötigt, stellt auch die vorgenannte Lohnsummenklausel kein Problem dar. Somit werden wohl in der verbleibenden Zeit, bis das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, landwirtschaftliche Objekte zur Begierde von Steuersparfüchsen. Leider trifft dies auf Autohausbetriebe nicht zu! ■Michael Böhlk-LankesRechtsanwalt, Steuerberatermuc@raw-partner.deKommentar< Seit Jahren setzt sich die Politik über verfassungsrechtliche Bedenken zu bestehenden Gesetzen hinweg und verschließt die Augen – mit anderen Worten brechen die Politiker ihren Eid auf unsere Verfassung. Keiner der Politiker mag hinsichtlich des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts behaupten, er habe die Verfassungswidrigkeit nicht vor Augen gehabt. Denn schon während des Gesetzgebungsverfahrens haben Verfassungsrechtler und Richter des BFH darauf hingewiesen, dass das Gesetz eklatante Verstöße gegen die Verfassung – nämlich die Verletzung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung – enthält. Auch die jetzige Neuregelung ignoriert in weiten Bereichen die Argumente des Bundesfinanzhofs und ist letztlich nur darauf ausgerichtet, schnell ein Schlupfloch zu schließen und Steuermehreinnahmen zu generieren. Dabei werden aber wieder ganz bestimmte (vermögende) Bereiche der Bevölkerung von einer gerechten Mehrbelastung ausgenommen; diesmal insbesondere Kapitalanleger im landwirtschaftlichen Immobilienbereich, und somit werden auch weiterhin auf diesem Sektor Steuerspargestaltungen in unbegrenzter Höhe möglich sein. Übrigens stammen die seinerzeitigen vom BFH für verfassungswidrig dargestellten Gesetzesregelungen sämtlich aus der Zeit des Finanzministers Steinbrück, dem angeblichen Finanzfachmann und nominierten Kanzlerkandidaten. Doch – wie von uns dargestellt – stehen ihm die jetzigen „Fachpolitiker“ in keiner Weise nach!>Kurzfassung1. Mit dem Jahressteuergesetz 2013 soll die sogenannte Cash-Gestaltung zur Vermeidung von Schenkung- oder Erbschaftsteuer eingeschränkt werden.2. Wie der BFH festgestellt hat, ist jedoch das bestehende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht auch in wesentlichen anderen Teilen grob verfassungswidrig.3. Die gesetzlichen Neuerungen zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht verhindern nicht, dass das weiter bestehende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht verfassungswidrig ist und somit alles von einer zu erwartenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abhängig ist.

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