Arbeitsrecht: Befristete Beschäftigung

Der Abschluss befristeter Arbeitsverträge ist als personalpolitisches Instrument inzwischen weit verbreitet. Nach einer Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 03.07.2018 hatten ca. 3,15 Millionen respektive 8,3 Prozent aller Beschäftigten im Jahr 2017 einen befristeten Arbeitsvertrag. Dies bedeutete einen neuen Höchststand an befristeten Arbeitsverhältnissen. Nahezu 1,6 Millionen Verträge waren nach der Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sachgrundlos befristet - somit etwas mehr als die Hälfte aller befristeten Arbeitsverträge. Knapp die Hälfte der befristeten Verträge führten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, 33 Prozent der befristeten Verträge wurden verlängert, 25 Prozent der befristeten Verträge liefen aus. Es geht also um Hunderttausende von auslaufenden Verträgen. Allein aus dieser Zahl ist zu ersehen, dass sich die Arbeitsgerichte ständig mit Befristungsrecht zu befassen haben. Mit Urteil vom 23.01.2019 (Az. 7 AZR 733/16) hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage befasst, inwieweit eine vormalige und lange zurückliegende Beschäftigung bei einem Arbeitgeber den Abschluss eines (neuen) ohne Sachgrund befristeten Arbeitsvertrags verbietet. Mit diesem Urteil hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Gesetzliche Ausgangslage Nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, die Befristung zur Erprobung erfolgt oder die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht - sind dies die Hauptanwendungsfälle einer Befristung mit Sachgrund, weitere Anwendungsfälle sind im Gesetz aufgelistet. Gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Allerdings ist nach der gesetzlichen Bestimmung eine solche sachgrundlose Befristung dann nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Frage, wie die beiden Wörter "bereits zuvor" im Sinne einer Vorbeschäftigung auszulegen bzw. rechtlich anzuwenden sind, war in den zurückliegenden Jahren regelmäßig Gegenstand einer kontroversen Rechtsprechung. Die Diskussion ging darum, ob die Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 TzBfG einen "Ewigkeitsgedanken" beinhaltet. Bisherige Rechtsprechung des BAG Mit Urteil vom 06.04.2011 (Az. 7 AZR 716/09) hatte das BAG einem solchen Ewigkeitsgedanken eine Absage erteilt. Das BAG war der Auffassung, dass ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber dem Abschluss eines sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrags dann nicht entgegensteht, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurücklag. Mit nachfolgendem Urteil vom 21.09.2011 (Az. 7 AZR 375/10) bestätigte das BAG ausdrücklich dieses Urteil. Das BAG begründete seine Rechtsauffassung damit, dass der Wortlaut des § 14 TzBfG nicht zwingend irgendein bestimmtes Auslegungsergebnis fordere. Das BAG legte die gesetzliche Bestimmung des § 14 TzBfG dahingehend "verfassungskonform" aus, dass die Gesetzesnorm kein zeitlich uneingeschränktes "Zuvor-Beschäftigungsverbot" enthalte. Gegen diese BAG-Rechtsprechung opponierten einige Landesarbeitsgerichte und entschieden abweichend vom BAG. Schlussendlich hatte sich sogar das Bundesverfassungsgericht mit der Auslegung der "Vorbeschäftigung" zu befassen. Urteil des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht erteilte der Rechtsauffassung des BAG mit Beschluss vom 06.06.2018 (Aktenzeichen 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14) eine Absage. Nach dem dritten Leitsatz des Beschlusses darf eine richterliche Rechtsfortbildung - wie vom BAG ausgeübt - den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen. Unter Heranziehung des Gesetzesentwurfes zu § 14 TzBfG, der Stellungnahmen von Bundesrat und Bundesregierung hierzu sowie unter Berücksichtigung von Beschlussempfehlungen und Berichten der Ausschüsse konnte das Bundesverfassungsgericht eine zeitliche Grenze der Vorbeschäftigung von drei Jahren nicht erkennen. Das BAG hatte sich - so das Bundesverfassungsgericht - mit seiner Rechtsauffassung von der gesetzgeberischen Grundentscheidung gelöst und diese durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzt, das der Gesetzgeber erkennbar nicht wollte. Geänderte Rechtsprechung des BAG Das BAG nahm folgenden Fall zum Anlass, seine Rechtsprechung zu ändern: Ein Arbeitnehmer war in den Jahren 2004 und 2005 zunächst als gewerblicher Mitarbeiter bei einem Arbeitgeber für eineinhalb Jahre tätig. Der Arbeitnehmer verließ das Unternehmen und stellte sich im August 2013 beim Arbeitgeber wieder vor. Es wurde ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag zunächst für lediglich sechs Monate und nach mehrmaligen Verlängerungen für insgesamt zwei Jahre geschlossen. Nach Auslauf der zweijährigen Befristung klagte der Arbeitnehmer auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. In seiner Entscheidung vom 23.01.2019 nahm das BAG zunächst Bezug auf seine vorangehende Rechtsprechung aus 2011 und gab diese Rechtsprechung unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018 auf. Die Vorbeschäftigung verbiete den Abschluss eines neuen befristeten Arbeitsvertrags, so das BAG nun. Auch sei die Vorbeschäftigung vor acht Jahren bei demselben Arbeitgeber nicht "sehr lang" zurückliegend, so dass in der Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG keine Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber liege. Der Arbeitnehmer hat sich im konkreten Fall also erfolgreich in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geklagt. Nicht geklärt ist mit dem Urteil des BAG vom 23.01.2019 aber, unter welchen Umständen nicht doch eine sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung wirksam vereinbart werden kann - gegebenenfalls wenn die Vorbeschäftigung zwölf oder 15 oder 20 Jahre zurückliegt? Die Arbeitsgerichte werden sich weiterhin mit der sachgrundlosen Befristung nach § 14 TzBfG zu befassen haben. Kurzfassung 1. Gemäß § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz ist die Befristung eines Arbeitsvertrags mit und ohne Sachgrund anhand der gesetzlichen Vorgaben gerechtfertigt. Eine sachgrundlose Befristung ist allerdings dann nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.2. Mit Urteilen aus dem Jahr 2011 entschied das BAG, dass ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber den Abschluss eines befristeten neuen Arbeitsvertrags dann nicht verbietet, wenn die Vorbeschäftigung länger als drei Jahre zurücklag.3. Mit Beschluss vom 06.06.2018 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die vom BAG gezogene Dreijahresgrenze erkennbar vom Gesetzgeber nicht gewollt und die Rechtsauffassung des BAG rechtswidrig ist.4. Mit Urteil vom 23.01.2019 änderte das BAG unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts seine Rechtsprechung. Nach dem Urteil des BAG verbietet nun selbst eine acht Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung den Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags mit demselben Arbeitgeber. Kommentar Mit dem im Beitrag berichteten Beschluss vom 06.06.2018 hat das Bundesverfassungsgericht zwar die vom BAG (letztlich willkürlich) gezogene Grenze von drei Jahren für eine Vorbeschäftigung im Sinne von § 14 Abs. 2 TzBfG verneint. Das Bundesverfassungsgericht hat aber gerade nicht entschieden, dass jegliche Vorbeschäftigung unbedingt und ohne Ausnahme dazu führen muss, dass eine nachfolgende Beschäftigung mit der Maßgabe einer sachgrundlosen Befristung gegen das gesetzliche Verbot des § 14 Abs. 2 TzBfG verstößt und die Befristung damit unwirksam ist. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber unzumutbar sein kann, wenn die Gefahr einer Kettenbefristung "in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit" des Arbeitnehmers nicht besteht. In bestimmten Fällen - so das Bundesverfassungsgericht - kann das Verbot der sachgrundlosen Befristung dann nicht greifen, wenn ein "Interesse des arbeitsuchenden Arbeitnehmers" an einer befristeten Beschäftigung besteht und ein "legitimes Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers" vorhanden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung somit etliche denkbare Ausnahmen vom Verbot der sachgrundlosen Befristung trotz Vorbeschäftigung zugelassen.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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