Änderung des Telemediengesetzes: Autohaus als Hotspot

Große Koalition schafft Störerhaftung ab!" "Abmahnanwälte stöhnen - Internetnutzer jubeln!" Mit diesen oder vergleichbaren Überschriften titelten verschiedene Zeitungen als Reaktion auf das vom Bundestag am 2. Juni 2016 in der Fassung des Regierungsentwurfs beschlossenen "Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes". Hintergrund für die teils fast euphorischen Überschriften ist die Erwartung, dass private Anbieter drahtloser lokaler Netzwerke für den Internetzugang (Wireless Local Area Network - WLAN) aus dem Schussfeld von kostenintensiven Abmahnungen und Unterlassungsansprüchen genommen werden. Die Verfügbarkeit des Internets über WLAN wird zunehmend vorausgesetzt und kann durchaus einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Dies gilt für Hotels, Cafés, Flughäfen, Wartebereiche im Allgemeinen und - warum auch nicht? - für Autohäuser. Der Autohauskunde kann sich einerseits Wartezeiten vertreiben, andererseits beispielsweise auf die Schnelle irgendwelche Spezifikationen abfragen und abgleichen. Auch kann sich das Autohaus mit dem Vorhalten eines WLAN-Hotspots modern und up to date präsentieren. Die Kosten für die Einrichtung eines WLAN einschließlich der monatlichen Peripheriekosten sind überschaubar. Was für einen WLAN-Betreiber jedoch kostenintensiv und verbunden mit großem Ärger aufschlagen kann, sind Abmahnungen mit der Behauptung einer Rechtsverletzung, zumeist einer Urheberrechtsverletzung. Begründet wird die Abmahnung mit der "Störerhaftung" des WLAN-Betreibers, ohne dass es darauf ankommt, welcher tatsächliche Nutzer eine Rechtsverletzung begangen hat. Ist die Störerhaftung mit der Änderung des Telemediengesetzes nun wirklich vom Tisch? Störerhaftung Tatsache ist, dass Deutschland im internationalen Vergleich im Hinblick auf die Verfügbarkeit von WLAN-Hotspots hinterherhinkt. Verhindert wird die Verbreitung freier lokaler Netze insbesondere durch die sogenannte Störerhaftung. Ihre gesetzliche Grundlage findet diese in § 1004 BGB. Hiernach gilt Folgendes: "Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen." Da die Vorschrift ersichtlich nicht passgenau ist, wird sie analog angewandt. Die Störerhaftung beinhaltet, dass jeder für eine Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, der in irgendeiner Art und Weise einen "adäquat" ursächlichen Beitrag zur Rechtsverletzung geleistet hat. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Inhaber eines Internetanschlusses als Störer herangezogen werden kann, wenn über seinen Anschluss eine rechtswidrige Tat begangen wurde, von der er nicht einmal irgendeine Kenntnis haben muss. Allein der Betrieb eines WLAN kann bereits ausreichend für die Störerhaftung sein. So entschieden unter anderem vom Landgericht Hamburg bereits im Jahr 2006. In dem damaligen Fall unterhielt eine Privatperson ohne ausreichende Verschlüsselung ein WLAN. Ein unbekannter Dritter verschaffte sich Zugang und beging eine Urheberrechtsverletzung. Der WLAN-Betreiber wurde über die IP-Adresse ermittelt und zur Kasse gebeten. In der Folge gab es eine Fülle von Urteilen quer durch die gesamte Zivilgerichtsbarkeit bis hin zum Bundesgerichtshof (BGH), der Mitte 2010 in dem bekannten Urteil "Sommer unseres Lebens" entschied, dass ein ungesichertes oder auch nur schlecht gesichertes WLAN für dessen privaten Betreiber zur Störerhaftung führt. Dies ist auch für öffentlich zugängliche "freie" lokale Netze mit unbekannten Nutzern bis zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) die Ausgangssituation. Von der Störerhaftung eingeschränkt betroffen sind gemäß § 8 TMG Zugangs-Provider wie Telekom u. a., die fremde Informationen in ihrem Kommunikationsnetz lediglich durchleiten, ohne selbst irgendetwas veranlasst oder ausgewählt zu haben. Es gilt das sogenannte "Providerprivileg". Gesetzesänderung Bereits seit langem bestehen von verschiedenster Seite die Bestrebungen, die Regelungen für WLAN-Hotspots zu modernisieren und Rechtssicherheit für deren Betreiber herbeizuführen. Dass Deutschland im Hinblick auf die Verfügbarkeit von WLAN-Hotspots ein Entwicklungsland ist, hat auch die Bundesregierung erkannt. In der Gesetzesbegründung zur Änderung des TMG ist demgemäß ausdrücklich angegeben, dass "die Verbreitung von WLAN-Internetzugängen im öffentlichen Raum gestärkt werden" soll. Nach vielen Diskussionen von Interessenverbänden und Parteien kam es Ende 2015 zu einem ersten Entwurf, der in maßgeblichen Stellen das TMG ändern sollte. In diesem Entwurf war jedoch keine Liberalisierung der Störerhaftung zu erkennen. Im Gegenteil, es wurden Einfügungen vorgenommen, die letzten Endes wohl zu einer Haftungsverschärfung geführt hätten. Voraussetzung für die Befreiung von der Störerhaftung sollte es hiernach sein, dass der WLAN-Betreiber sein Funknetz in angemessener Form technisch gegen die Nutzung durch Unberechtigte sichert und dass er sich von jedem Nutzer die Erklärung einholt, dass dieser Nutzer den Internetzugang nicht für eine Rechtsverletzung benutzt. Was wäre also im Hinblick auf die vormalige Situation gewonnen? Genau zur richtigen Zeit kam es zu einem Verfahren vor dem europäischen Gerichtshof, angestrengt durch einen Tontechniker aus der Nähe von München, der ein öffentlich zugängliches WLAN-Netz bereitstellte. Über dieses Netz wurde von einem Unbekannten ein Musikwerk rechtswidrig zum Herunterladen angeboten. Es kam zum Streit mit dem Rechteinhaber vor dem Landgericht München I, welches den Prozess aussetzte und die anstehenden Rechtsfragen im Hinblick auf die E-Commerce-Richtlinie der EU dem EuGH vorlegte. Der für das Verfahren zuständige Generalanwalt am EuGH Szpunar erklärte in seinen Schlussanträgen, dass nach seiner Ansicht der Betreiber eines Geschäfts, der der Öffentlichkeit ein WLAN-Netz kostenlos zur Verfügung stellt, für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich ist. Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf der Bundesregierung nochmals überarbeitet. Kerngehalt der Gesetzesänderung ist nunmehr die Einfügung eines Abs. 3 in § 8 TMG. Hiernach gilt das Providerprivileg nun auch für "Diensteanbieter, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen". Ausblick Ist mit dieser Ausdehnung des Providerprivilegs auf WLAN-Betreiber nun auch deren Haftungsrisiko vom Tisch? Dies anzunehmen, könnte gefährlich sein. Zum einen wurde in der Gesetzesänderung ganz bewusst der Vorschlag, die Haftungsfreistellung von WLAN-Betreibern explizit auf Unterlassungsansprüche auszuweiten, nicht umgesetzt. Solches ist also kein gesetzgeberischer Wille. Zum anderen ist fraglich, inwieweit WLAN-Betreiber Offenlegungs-, Berichts- und Speicherpflichten unterworfen sind, wie sie für die großen Netzbetreiber gelten. Sollten diese Pflichten nicht gesehen werden, kann auch keine völlige Gleichstellung zwischen WLAN-Betreibern und Providern angenommen werden. Und wenn keine Gleichstellung in den Pflichten gegeben sein sollte, weshalb sollte dann eine Gleichstellung in der Privilegierung erfolgen? Die Gefahr ist groß, dass Unterlassungsansprüche gegen WLAN-Betreiber weiterhin erfolgreich geltend gemacht werden können. Wer angesichts der bestehenden Risiken dennoch einen WLAN-Hotspot installieren möchte, sollte in jedem Fall dafür Sorge tragen, dass bereits bei der Anmeldung beim Provider kenntlich gemacht wird, dass es sich um ein öffentliches Netz für jedermann handelt, beispielsweise durch Angabe eines Geschäftsnamens wie "N. N. GmbH". Kommentar Nach einer Anfang 2014 durchgeführten Umfrage des deutschen Netzwerkherstellers LANCOM Systems GmbH unter 340 kleinen bis mittleren deutschen Unternehmen ergaben sich als Zusammenfassung der Umfrage u. a. folgende Aussagen: Die Nutzung und Akzeptanz von WLAN-Hotspots ist sehr hoch. Die überwiegende Anzahl der Nutzer empfindet das Mobilfunknetz als zu langsam. Viele Unternehmen schrecken davor zurück, selbst einen Hotspot anzubieten, da die Haftungsrisiken (59 %) und Sicherheitsbedenken (43 %) zu hoch sind. Anbieterfreundlichere rechtliche Rahmenbedingungen würden den Ausbau von Hotspots vorantreiben. Den Vorstoß der Bundesregierung, die Störerhaftung abzuschaffen, beurteilen 80 Prozent der Teilnehmer als positiv.Ob die Haftungsrisiken trotz der Gesetzesänderung nach wie vor bestehen, wird sich erst in einigen Jahren herausgestellt haben, wenn ausreichende Prozesse zu verschiedensten Fallvarianten vor den Gerichten ausgetragen wurden. Zu solchen Prozessen dürfte es anfänglich sogar vermehrt kommen. Schließlich werden die spezialisierten Abmahnkanzleien nicht freiwillig auf ihr Geschäftsfeld verzichten. Sie werden versuchen, ihre Pfründe zu schützen. Wer ein offenes WLAN betreiben möchte, muss sich allerdings nicht darauf verlassen, dass die Gesetzesänderung die Störerhaftung tatsächlich einschränkt oder gar abschafft. Es gibt verschiedene - selbstverständlich legale - Möglichkeiten, ein WLAN zu betreiben, ohne den entsprechenden Risiken ausgesetzt zu sein. Zahlreiche Unternehmen bieten hier ihre Dienste zu überschaubaren Preisen an.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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