Ausgabe 16/2008: Autohaus 16/2008

Autohaus 16/2008Bayerische Europa- und Staatspolitik / Europaminister Markus Söder über die GVO und den Einfluss des Autohandels, der Präsident des bayerischen Kfz-Gewerbes Klaus Dieter Breitschwert über die Mittelstandspolitik der CSU.Mittelstand entlastenvon Prof. Hannes BrachatAnlässlich der Bayerischen Landtagswahlen am 28. September 2008 wollten wir die Haltung der Bayerischen Staatsregierung in Sachen GVO 2010 in Erfahrung bringen. Ebenso die Thematik Mittelstandspolitik, Pendlerpauschale und Autobahnvignette. Dr. Markus Söder, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Bevollmächtigter des Freistaates Bayern beim Bund, und Klaus Dieter Breitschwert, Präsident des Bayerischen Kfz-Gewerbes und MdL, stellten sich den Fragen von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat. AH: Herr Söder, Ende Mai 2008 hat die Kommission Wettbewerb (European Competition Network) den Evaluationsbericht zur GVO 1400/02 einschließlich Szenarien zur Folgeregelung vorgelegt. Wer entscheidet in diesem Procedere was? Die Kommission, das Parlament, die Lobby?M. Söder: Gruppenfreistellungsverordnungen auf der Grundlage von Art. 81 III EG-V erlässt die Europäische Kommission infolge einer Ermächtigung des Rats. Vertreter der nationalen Kartellbehörden werden angehört. Über künftige Regelungen für den Kfz-Sektor nach Auslaufen der Verordnung 1400/2002 am 31. Mai 2010 wird nach dem umfangreichen Konsultationsverfahren entschieden, das bis 31. Juli 2008 interessierten Kreisen die Möglichkeit zu Stellungnahmen geboten hat. Schirm-GVOAH: Die Schirm-GVO 2790/99 läuft zeitgleich zur GVO 1400/2002 zum 31. Mai 2010 aus. Wie geht es mit der Schirm-GVO inhaltlich weiter? Bis wann herrscht hier Klarheit?M. Söder: Die Antwort auf die Frage nach der Zukunft der GVO 2790/1999 findet sich im Text der Konsultation selbst. Danach stelle der vorgelegte Evaluierungsbericht lediglich die vorläufige Haltung der Kommission zu der Verordnung 1400/2002 dar und greife in keiner Weise der endgültigen Entscheidung über das Ergebnis der Überprüfung vor. Der Bericht ist der erste Schritt eines umfassenden Konsultationsprozesses, zu dem alle Beteiligten beitragen sollen.Anhand der Erkenntnisse, die im Zuge der bevorstehenden Konsultation gewonnen werden, wird die Kommission dann die wahrscheinlichen positiven und negativen Auswirkungen regulatorischer Lösungen bewerten. Die Überprüfung der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung 2790/1999 erfolgt zeitgleich mit der Veröffentlichung dieser Bewertung. Sollte die Kommission im Zuge dieser Überprüfung zu der Auffassung gelangen, dass der Kfz-Sektor angemessen durch eine allgemeine Regelung über vertikale Beschränkungen abgedeckt werden kann, erhalten alle Interessengruppen ordnungsgemäß Gelegenheit, ihre Interessen im Rahmen des künftigen Rechtsetzungsverfahrens zu vertreten. Um die geeignetste Lösung für eine künftige Regelung zu finden, fordert die Kommission zur Abgabe von Stellungnahmen zu den Ergebnissen dieses Berichts auf. Die Stellungnahmen können bis zum 31.7.2008 übermittelt werden. Mittelstand und EUAH: Welche Möglichkeiten hat der Mittelstand des Kfz-Gewerbes, in Brüssel wirkungsvoll tätig zu werden?M. Söder: Der zielführendste Weg war die aktive Teilnahme am Konsultationsverfahren mit einem substantiierten Beitrag. Daneben vertreten u.a. der Europäische Kfz-Verband CECRA mit Prof. Dr. Jürgen Creutzig an der Spitze und der Internationale Verband der Autoersatzteile-Händler FIGIEFA auf europäischer Ebene die Interessen der Branche. WettbewerbsdruckAH: Denkt ein Mittelständler an Brüssel, so hat man in vielen Entscheidungen – bis hin zur Erdnussverordnung – den Eindruck, dass es nur den Verbraucher und den Faktor Preis gibt. Gerade der aktuelle Benzinpreis zeigt aber doch die Grenze grundsätzlicher Belastbarkeit auf. Wie stellt man sich das Wirkungsgleichgewicht Konsument–Hersteller–Handel politisch vor? Jeder redet von Konsolidierung, hinter der sich nichts anderes als Konzentration verbirgt. Bei 0,1 Prozent automobiler Handelsrendite ist das Ende von Wettbewerbsdruck doch mehr als sichtbar?M. Söder: Ziel der europäischen Wettbewerbspolitik im Bereich der GVO für das Kfz-Gewerbe ist die Schaffung von mehr Wettbewerb beim Verkauf von Neuwagen sowie bei der Kfz-Reparatur und -wartung. Dabei ist den besonderen Interessen von Industrie, Handel und Verbrauchern Rechnung zu tragen. Die Kommission ist sehr interessiert, im Rahmen der laufenden Konsultation die Ansichten der Beteiligten zu hören, um Anhaltspunkte zu bekommen, wie die Wettbewerbsvorschriften auf diesem Gebiet künftig aussehen sollen. Energiesteuer und deren VerwendungAH: Weshalb fließen aus der Energiesteuer zzgl. MwSt so wenige Mittel in den Straßenbau? Ganze 5,5 Milliarden Euro?M. Söder: Die verkehrsbezogenen Einnahmen werden mit über 50 Milliarden Euro beziffert. Die Ausgaben für das Straßenwesen (Bund, Länder, Gemeinden) mit etwa einem Drittel dieses Betrages. Zu den Ausgaben für das Straßenwesen gehören neben dem Bau der Straßen u. a. auch die bauliche Erhaltung und der Betrieb. Grundsätzlich werden die über Steuern gewonnenen Einnahmen zur Finanzierung aller staatlichen Aufgaben herangezogen. Eine Zweckbindung von Steuern gibt es nicht und wäre angesichts der vielfältigen staatlichen Aufgaben in den unterschiedlichsten Bereichen auch nicht sachgerecht. Dies gilt auch für die verkehrsbezogenen Steuern wie die Energiesteuer oder die Kraftfahrzeugsteuer. Gleichwohl müssen für den Erhalt und den weiteren Ausbau des Straßennetzes im Rahmen der finanzpolitischen Möglichkeiten ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden. Gut ausgebaute, leistungsfähige und sichere Straßen sind das Rückgrat der Wirtschaft und unverzichtbare Voraussetzung für Wohlstand und Wachstum.PendlerpauschaleAH: Weshalb bewegt sich Berlin nicht hinsichtlich der CSU-Forderung nach Rückkehr zur alten Pendlerpauschale, sprich vom ersten Kilometer an?K. D. Breitschwert: Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte sind und bleiben berufsnotwendige Aufwendungen und müssen auch steuerlich als solche anerkannt werden. Aufgrund der gerade in den letzten Wochen und Monaten erheblich gestiegenen Kraftstoffpreise besteht aus Sicht der Bayerischen Staatsregierung und der gesamten CSU bei der Pendlerpauschale dringender Handlungsbedarf. Die Bundesregierung jedoch bremst bei der Pendlerpauschale und will auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts warten. Bayern hat daher eine Bundesratsinitiative gestartet, mit der die erste Stufe des Steuerreformkonzepts Bayern realisiert werden soll. Für die CSU passen Haushaltskonsolidierung und Steuersenkung zusammen. AutobahnvignettenpflichtAH: Die CSU tritt für die Einführung einer Autobahnvignette für Pkw ein, auch für Durchgangsfahrzeuge, und will im Gegenzug die Energiesteuer senken. Weshalb sind derartige Forderungen politisch nicht durchsetzbar? Selbst Alt-Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber wehrte sich immer gegen die Einführung einer Vignette für ausländische Fahrzeuge.K. D. Breitschwert: Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein hat seinerzeit als Staatsminister des Innern ein Konzept zur Bekämpfung des Tanktourismus vorgelegt, das u. a. folgende Vorschläge enthält:1. Die Steuern auf Kraftstoffe werden um 15 Cent pro Liter bei Benzin und 10 Cent pro Liter bei Diesel gesenkt.2. Gleichzeitig wird eine Autobahn-Vignette für Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht unter 12 Tonnen eingeführt, die für Pkw etwa 120 Euro pro Jahr kosten würde. Für leichte Lkw (unter 12 Tonnen) müssten die Gebühren entsprechend höher sein. Für Kraftfahrer, die die Autobahn nur gelegentlich benutzen, und Durchreisende müssten auch Vignetten mit kürzeren Laufzeiten angeboten werden.3. Die Lkw-Maut für Lkw über 12 Tonnen wird so weit angehoben, dass die Verbilligung des Diesels ausgeglichen wird.4. Unabhängig davon setzt sich Bayern nachdrücklich für eine europäische Harmonisierung der Mineralölsteuer ein. Mit Schreiben vom 9.3.2007 hat sich der damalige Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber an Bundeswirtschaftsminister Michael Glos gewandt, den Umfang des Tanktourismus und mögliche Rückholquoten im Auftrag des an sich auch zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums für Wirtschaft gutachterlich untersuchen zu lassen. Dieses Gutachten liegt mittlerweile vor und wird derzeit ausgewertet. CSU und MittelstandAH: Die CSU verstand sich immer auch als eine sehr stark mittelstandsorientierte Partei. Worin kommt das zum Ausdruck?K. D. Breitschwert: Der Bayerischen Staatsregierung wie der gesamten CSU ist bewusst, dass die mittelständischen Familienunternehmen eine herausragende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland spielen und Garanten für Arbeitsplätze sind. Bayern setzt sich daher seit langem für weitgehende Entlastungen bei Unternehmensnachfolge ein und hat hierzu ein Entlastungsmodell vorgelegt, durch das begünstigtes Betriebsvermögen bei Fortführung des Betriebs über zehn Jahre vollständig von der Erbschaftsteuer entlastet wird. Entgegen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung lautet unsere zentrale Forderung Verkürzung der Behaltensfrist von 15 auf 10 Jahre und der Wegfall des Alles-oder-nichts-Prinzips. Wir bleiben dran!AH: Herr Söder, Herr Breitschwert, besten Dank für das Gespräch!

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