Netzrestrukturierung: 65 Volvo-Händler gekündigt

KURZFASSUNG: Den Business Case für die verbleibenden Händler sichern - so begründet Volvo die Entscheidung für die Kündigung. Beim Servicenetz wird aber keine große Ausdünnung erwartet. Ab dem Jahr 2025 wird es in Deutschland 65 Volvo-Händler weniger geben. Torben Meyer, bei Volvo Car Deutschland (VCG) in der Geschäftsleitung zuständig für Händlernetzentwicklung und die Transformation ins Omnichannel-Geschäft, erklärt im Interview, warum den Partnern zum 31. März 2025 gekündigt wurde und wie es mit dem Netz weitergeht. AH: Was waren die Gründe für diese große Netzveränderung? T. Meyer: Wir haben für eine Marke wie Volvo ein sehr großes und sehr heterogenes Händlernetz über die letzten Jahrzehnte aufgebaut. Wir haben Partner, die bereits über 50 Jahre für uns loyale Geschäftspartner sind. Umso schwerer war für uns auch jetzt die Entscheidung, 68 Händlerverträge zu kündigen. Das war aber auch einer der Gründe, weshalb wir das selektiv mit einer Frist von 24 Monaten tun wollten und keine Netzkündigung mit einem Jahr Frist ausgesprochen haben. Wir sehen aber die Notwendigkeit für eine Netzveränderung, weil der gesamte Automobilmarkt derzeit im Wandel ist: Zunächst einmal im technologischen Bereich, was dazu führt, dass wir als Hersteller sehr hohe Investitions- und Entwicklungskosten haben. Wir stellen unser Produktportfolio bis spätestens 2030 komplett auf vollelektrische Fahrzeuge um. Dazu werden die zukünftigen Fahrzeuge von ihrer Software definiert, die sowohl die neuesten Sicherheitsfeatures steuert, aber auch die Konnektivität erheblich verbessert, was wegbereitend für das autonome Fahren ist. Diese Investitionen führen dazu, dass wir sehr hohe Produkt- und Materialkosten haben, die wir natürlich nicht 1 zu 1 an unsere Kunden weitergeben können. Hier gibt es Preispunkte im Markt, die wir treffen müssen. Der zweite Teil der Transformation ist der kommerzielle Part. Auch in diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren viel getan. Produkte werden heute zunehmend digital gekauft: Und das Thema digitaler Vertrieb macht auch vor dem Automobilbereich nicht halt. Die Kunden wollen heute frei entscheiden, ob sie ein Produkt online oder beim Handel kaufen. Wir streben für die Zukunft ein echtes Omnichannel-System an, um unseren Kunden die höchstmögliche Flexibilität und Transparenz im Kaufprozess zu bieten. Diese Zukunft wollen wir nun mit den Partnern, die wir nicht kündigen, gemeinsam gestalten. Einzelstandorte gekündigt AH: Wie soll das Volvo-Händlernetz zukünftig aussehen? T. Meyer: Wir haben heute 227 Vollfunktionsstandorte und 68 davon nun gekündigt. Dazu kommen noch einige regulär auslaufende Verträge. Somit werden wir zum 1. April 2025 noch 151 Vollfunktionsstandorte haben. Auch die Anzahl der Eigentümer wird sich ändern, von aktuell 150 Unternehmern, die Händlerverträge mit einem oder mehreren Standorten halten, haben wir 65 mit 68 Standorten gekündigt. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass der Großteil dieser Partner Einzelstandortsunternehmer ist. AH: Das heißt, Sie haben die kleineren Partner gekündigt? T. Meyer: Nicht ausnahmslos, das kann man so nicht sagen. Wir haben auch weiterhin noch Partner im Netz, die heute kein hohes Volumen haben. Bei diesen haben wir in den Gesprächen aber ein Entwicklungspotenzial und die Bereitschaft zu wachsen gesehen. Investitionsvermögen wichtig AH: Was waren die Kriterien für die verbleibenden Partner? T. Meyer: Wie bereits erwähnt können wir die Preise nicht anheben, um unsere steigenden Kosten zu decken. Die Profitabilität der Fahrzeuge ist unter Druck. Deswegen müssen wir die Vertriebskosten reduzieren. Das führt zwangsläufig zu niedrigeren Margen für den Handel. Aus diesem Grund müssen wir, unter anderem mit dieser Maßnahme, dafür sorgen, dass unsere zukünftigen Partner einen profitablen Business Case für ihre Zukunft haben. Wir haben das Ziel, ein profitabler Hersteller zu sein, um in unsere Fahrzeuge investieren zu können. Wir haben aber auch ein sehr großes Interesse daran, dass wir starke, profitable Partner haben. Die Kriterien waren Volumen, Standort, Potenzialausschöpfung und Investitionsvermögen. Wir haben analysiert, wie die Bevölkerungsverteilung ist, wie die Kaufkraft in den unterschiedlichen Regionen ist und letztlich wie viele Partner wir in diesen Regionen benötigen, um das Netz effektiv bedienen zu können. Vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass wir mit den kommenden Modellen im Volumen deutlich wachsen wollen. Der Händler braucht aber auch einen entsprechenden Durchlauf, um einen profitablen Business Case abbilden zu können. Wir haben allerdings auch darauf geschaut, was unsere Partner heute für einen Marktanteil in ihren Gebieten haben und ob wir das gegebenenfalls anderweitig, beispielsweise mit einem anderen Partner, besser ausschöpfen können. Zudem werden auch in Zukunft, gerade im Hinblick auf das Thema Elektromobilität, große Investitionen nötig sein. Ladeinfrastruktur, Ausbildung und Training der Mitarbeiter - das sind alles Punkte, die eine gewisse Investitionskraft erfordern. Da tut sich der ein oder andere Partner in einer bestimmten Größenklasse heute bereits schwer. Durchlauf erhöhen AH: Wachsen mit welchem Ziel? T. Meyer: Wir haben im bisher verkaufsstärksten Jahr 2019 einen durchschnittlichen Durchlauf von knapp 180 Fahrzeugen pro Standort erzielt. Allerdings sind in diesem Durchschnitt auch Händler enthalten, die nur 20 Einheiten verkauft haben, ebenso Händler mit einem Durchsatz von fast 3.000 Einheiten. Deswegen besitzt so ein Durchschnittswert keine hohe Aussagekraft. Aber er ist ein guter Indikator: Durch diese Netzrestrukturierung hätten wir im verbleibenden Netz im Jahr 2019 schon einen Durchlauf von 260 Einheiten gehabt. Unser Ziel ist es, mit unseren zukünftigen Partnern den Durchlauf pro Standort bzw. pro Unternehmer deutlich zu steigern. Mittelfristig streben wir in Richtung des Wettbewerbsniveaus unserer Premiummarktbegleiter, die heute schon einen Durchlauf von 500 Einheiten pro Standort generieren. Das ist allerdings ein sehr ambitioniertes Ziel, aber auch immer noch ein Durchschnittswert, der eine sehr heterogene Netzstruktur abbildet. Es wird auch zukünftig kleinere Partner geben, die 200 Einheiten machen, und große, die mehrere Tausend realisieren. Dichteres Servicenetz AH: Wie soll das Volvo-Servicenetz zukünftig aussehen? T. Meyer: Wir haben einigen unserer Partner, denen wir jetzt gekündigt haben, ein Angebot gemacht, auch weiterhin mit ihnen im Servicegeschäft zusammenzuarbeiten. Mit dem Servicevertrag wird auch zukünftig ein profitabler Business Case für diese Partner möglich sein. Die Kunden sind heute bereit, für den Autokauf generell weitere Wege zurückzulegen, als sie das für den Service bereit sind. Daher brauchen wir in Zukunft auch ein deutlich dichteres Servicenetz in Deutschland. Wir verfügen heute mit den Vollfunktionsbetrieben und autorisierten Werkstätten über ca. 300 Servicestandorte. Ich gehe davon aus, dass das auch etwas abnimmt, wir aber in Zukunft nicht weniger als 250 Servicestandorte haben werden. Investitionsschutz AH: Was passiert bei den gekündigten Händlern mit den geleisteten Investitionen in die neue CI? T. Meyer: Ein großer Teil unserer Partner haben bereits in die Volvo Retail Experience investiert. Mit Baubeginn wurden mit allen Partnern allerdings auch entsprechende Investitionsschutzvereinbarungen getroffen, das heißt, die Investitionen in die Marke sind entsprechend vertraglich geschützt. Die nächsten zwei Jahre ändert sich erst einmal nichts, weil die Partner noch am Netz sind. Erst danach würde die Investitionsschutzvereinbarung greifen, welche in der Regel über sieben Jahre läuft und so ausgelegt ist, dass die Investitionen in dieser Zeit abgeschrieben sind und sich amortisiert haben. Entsprechende Differenzen müssen von uns beglichen werden. Aber das sind einzelvertragliche Gespräche, die wir dann auch mit jedem einzelnen Partner führen. Wir wollen das partnerschaftlich gestalten, nicht nur mit den zukünftigen, sondern auch mit den jetzt gekündigten Partnern. AH: Planen Sie pauschale Ausgleichszahlungen? T. Meyer: Hierzu können wir aktuell noch keine Aussage machen. Keine höheren Standards AH: Wird es für die verbleibenden Händler andere Standards geben, etwa größere Schauräume oder mehr Vorführwagen? T. Meyer: Unsere Standards werden sich aufgrund dieser Restrukturierung jetzt nicht ändern. Was wir aber sicherstellen müssen, und da gehen wir mit unseren zukünftigen Partnern ins Gespräch, ist natürlich eine höhere Abdeckung zu realisieren. Wir wollen die Potenziale in den Gebieten steigern und ausschöpfen. Hierfür müssen selbstredend auch entsprechende Kapazitäten vorgehalten werden. Das kann natürlich auch bedeuten, dass Partner zusätzlich investieren müssen, um dieses Potenzial auch nutzen zu können. Allerdings ist der Verkauf nur eine Seite - wir benötigen auch entsprechende höhere Werkstattkapazitäten, um die Fahrzeuge auf die Straße zu bringen. Denn auch die online verkauften Fahrzeuge werden weiterhin vom Handel ausgeliefert. Wir haben die Partner schon bisher in den Omnichannel-Vertrieb eingebunden und werden das auch zukünftig tun. Aber wir werden die Standards nicht aus diesem Grund verändern und unsere Partner unter Druck setzen, hier mehr ins Obligo zu gehen. AH: Vielen Dank für das Gespräch! DAS SAGT DER PARTNERVERBAND: Der Volvo Partnerverband (VDVV) wollte sich auf Anfrage von AUTOHAUS noch nicht zur Restrukturierung des Volvo-Partnernetzwerkes äußern. "Zunächst werden wir uns intern in Abstimmung mit dem Hersteller ein detaillierteres Bild der Restrukturierungspläne erarbeiten und unser Hauptaugenmerkt parallel auf die Unterstützung der von Kündigungen betroffenen Vertragspartner legen", teilte Geschäftsführer Jan Jockisch mit. DAS SAGEN DIE AUTOHAUS.DE-LESER: Die Nachricht von den Kündigungen wurde von den AUTOHAUS.de Lesern mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Hier ein Auszug aus den Online-Kommentaren zur Meldung auf www.autohaus.de vom 2. März: Leser "BP" schreibt: "Die Kündigung war in dieser Form für viele Partner nicht zu erwarten. Fast alle gekündigten Händler haben in den letzten Jahren erhebliche Investitionen in den Umbau ihrer Schauräume getätigt, in Personal und Ausrüstung investiert und auf einen Fortbestand der Partnerschaft gesetzt. Es ergeben sich auf der Landkarte erhebliche Gebiete ohne Händlerstandort, die mit Sicherheit mit Stützpunkten (Hubs) der favorisierten Partner gefüllt werden sollen. Eine ehrliche und transparente Kommunikation seitens des Herstellers ist hier leider Fehlanzeige. (...) Es wird allerdings schwer für die verbleibenden Partner, die Lücken zu füllen. Unsere finanzkräftige Volvo-KundIn ist oft sehr stark an die VerkäuferIn oder den Betrieb gebunden und wird einen Wechsel zu einem großen, anonymen Kollegen nicht mitgehen und schon gar keine Onlinebestellung tätigen. (...) " Leser "Erik L." schreibt: "Was für ein beschämendes und vollkommen verantwortungsloses Verhalten eines chinesischen Großkonzerns gegenüber mittelständischen Unternehmen, die im Vertrauen auf eine Partnerschaft fortlaufend investiert haben und die Marke Volvo in der letzten Dekade wieder groß gemacht haben. Volvo gehört zum chinesischen Geely Konzern, die auch Smart dominieren und zunehmend Mercedes-Benz beeinflussen. (...)" Leser "SQ" schreibt: "Früher war nicht alles besser. Der Wandel der Unternehmenskultur bei Volvo ist jedoch erschreckend. Früher war der Umgang zum Großteil durch Respekt und Wertschätzung geprägt. (...) Es ist klar, dass der Wandel der Zeit auch Veränderung für den Handel mit sich bringen wird und einige davon schmerzhaft sind. Meiner Meinung wäre es jedoch möglich gewesen, die Händler mitzunehmen und eine erfolgreiche Zukunft zu gestalten. Diese Chance ist anscheinend vertan. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass das Management wieder zu seinen alten Werten findet, wie Transparenz, Kommunikation, Anspruch auf Verlässlichkeit, Haltung . und den Kernwert Sicherheit . auch für seine Händler." Leser "Jörg" schreibt: "Gut, dass es reichlich andere Marken gibt. Volvo zieht sich aus der Fläche zurück und wird dabei ordentlich Marktanteil verlieren."

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