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40 Jahre Mercedes S-Klasse (W126): Sterne, die alles überstrahlten

26.07.2019 07:11 Uhr
Ab September 1979 löste die Baureihe 126 den Vorgänger 116 als S-Klasse ab.
© Foto: Mercedes-Benz

Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Mit Plastikplanken statt Chromprunk verstörte die S-Klasse der Baureihe 126 anfangs ihre konservative Klientel. Dann aber setzte sich die neue Noblesse in schlichter Eleganz global durch.

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Plastik, dieser Stoff war schon immer für Albträume gut. Ist die Überproduktion von Kunststoffen heute ein Problem für die Umwelt, prägte buntes Plastik Ende der 1970er Jahre billige Modeartikel und dank Pop-Punks wie Plastic Bertrand stürmte der Begriff sogar die Musikcharts. Entsprechend groß war das Entsetzen bei Käufern der Luxusliga, als sogar die vor 40 Jahren vorgestellte Mercedes S-Klasse (W126) dem neuen Trend folgte. Mit breiten seitlichen Schutzplanken aus Polyurethanschaum und ebensolchen Stoßfängern beendeten die Prestigelimousinen für Päpste, Kanzler und Konzernchefs das Zeitalter der glänzenden Chromkreuzer, das die vorhergehende S-Klasse (W116) zum Höhepunkt geführt hatte.

Andererseits passten die unter Mercedes-Designchef Bruno Sacco in distinguierter Eleganz gezeichneten Typen 280 S bis 560 SEL perfekt in das damalige gesellschaftliche und politische Klima von Umweltdiskussionen, maximaler Fahrzeugsicherheit und äußerer Bescheidenheit. Statt optischen Prunks präsentierten die frischen Stuttgarter Flaggschiffe Sicherheits- und Komfort-Innovationen in Hülle und Fülle, dazu effiziente Sechszylinder und Maßstäbe setzende V8 mit bis zu 221 kW/300 PS. Dieser clevere Mix garantierte den Luxuslinern bis ins übernächste Jahrzehnt Vorsprung vor der Konkurrenz und mit fast 820.000 Einheiten die Krone der populärsten Oberklasse-Limousine aller Zeiten.

"Angenehmster Lebensraum auf vier Rädern"

Tatsächlich gelang es der S-Klasse trotz der anfangs stets trist-grauen Plastikplanken – von Kritikern spöttisch Sacco-Bretter genannt –, die automobile Haute Couture der Wettbewerber bald derart zu überstrahlen, dass das Mercedes-Marketing in Nordamerika selbstbewusst "den angenehmsten Lebensraum auf vier Rädern" bewarb. Und die von Designer Sacco kreierte dynamische Linienführung der S-Klasse prägte fast alle kommenden Mercedes-Modelle. Nicht einmal der 1987 lancierte BMW 750i mit dem ersten deutschen Zwölfzylinder der Nachkriegsära unter der Haube brachte die mittlerweile betagten W126-Limousinen ernsthaft in Bedrängnis. Im Gegenteil: Die als Langversion 5,16 Meter messenden Lounges mit Stern dienten allen neuen Mitgliedern im automobilen Oberhaus wie Audi (V8), Infiniti (Q45) und Lexus (LS 400) als Vorbild ultimativer Eleganz und Exklusivität.

Schließlich sollten die feinen Viertürer der Serie W126 ebenso wie das 1981 nachgelegte SEC Coupé dem Daimler-Werbecredo "Der Erste unter den Besten" gerecht werden. Auch bei diesen elitär-teuren Zweitürern gelang Sacco ein Geniestreich: Als erstes Mercedes-Coupé adaptierte der SEC den Sportgrill der SL-Serie und prompt avancierten die derart geschärften V8-Typen mit über 74.000 Einheiten zum bis heute meistverkauften S-Klasse-Coupé. Die umstrittenen Karosserieanbauteile aus Polyurethan hatten ihre Bewährungsprobe endgültig bestanden. Die Leichtbau-S-Klasse – tatsächlich wog die auch durch hochfeste Stähle abgemagerte Sonderklasse je nach Typ bis 220 Kilogramm weniger als der Vorgänger – machte überall eine gute Figur. Bundeskanzler Helmut Kohl fuhr mit dem 500 SEL zu Kabinettsitzungen über Themen wie Waldsterben und Katalysatorpflicht, Papst Johannes Paul II zeigte sich den Gläubigen in einer Spezialanfertigung des 500 SEL, Nelson Mandela als designierter Präsident eines modernen Südafrikas wurde mit einem 500 SE beschenkt und viele Königshäuser vertrauten auf den zurückhaltenden Auftritt der V8 in Zeiten, als zu viel Opulenz nicht opportun schien.


40 Jahre S-Klasse (W126)

40 Jahre S-Klasse (W126) Bildergalerie

Ab 1985 zählten die Mercedes-Spitzenmodelle zu den ersten Prestigetypen mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator, passgenau zu den weltweit für Furore sorgenden Aktionen von Greenpeace und dem Amtsantritt des sowjetischen Staatslenkers Michail Gorbatschow. Dieser politische Schöpfer von Glasnost und Perestroika war ebenfalls im W126 zu sehen, zumal im entscheidenden Jahr 1989 als Geburtshelfer der Deutschen Einheit. Mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Kanzler Helmut Kohl führte Gorbatschow die Gespräche, die in der "Gemeinsamen Erklärung" über eine Zusammenarbeit der Staaten mündeten. Immer dabei: Die Mercedes S-Klasse. Dass die deutsche Teilung wenige Monate später Geschichte war, ahnte noch niemand. Aber nicht nur Politiker vertrauten auf die Prominentenklasse von Mercedes. Auch Popstars wie Elton John oder legendäre Formel-1-Champions wie Alain Prost, Nigel Mansell, Jody Scheckter und Ayrton Senna da Silva schätzten das Temperament der bis 250 km/h schnellen Sternträger, die als erste Serien-Mercedes die 300-PS-Marke nahmen und bis zum Debüt des BMW 750i im Jahr 1987 als rasanteste Viertürer der Welt galten.

Einen weiteren Vorsprung verteidigten die nobelsten Mercedes aber über ihre ganze Produktionszeit: Das werksseitige Individualisierungsprogramm erfüllte jeden Kundenwunsch und umfasste auch damals futuristische Finessen wie Faxgerät und frühe Flachbildschirme. Andererseits zählte zum Faszinationspotential der S-Klasse die bespiellose Bandbreite des Ausstattungsangebots. Wer wollte, konnte den 115 kW/156 PS freisetzenden Basis-Sechszylinder 280 S "nackt" für gut 35.000 Mark ordern, also ungefähr zum halben Preis eines üppig ausstaffierten 500 SEL. Gleichwohl bot der 280 S damit schon die teuerste Art 2,8-Liter-Limousinenkomfort zu genießen, kostete er doch 50 Prozent mehr als Opel Senator oder Volvo 264. Trotzdem fehlte es dem Basis-Benz noch an Basics wie Außenspiegel rechts, Drehzahlmesser oder beheizbarer Heckscheibe, die nur als Option verfügbar waren. Die Kunden kümmerte es kaum: Die Sechszylinder (bis 1985 als 2,8-Liter-Benziner, danach als 2,6-Liter- und 3,0-Liter-Versionen) avancierten zu Favoriten und wurden auch als große Familienkutschen oder als Zugmaschinen für Wohnwagen geschätzt.

Typencodes verwiesen damals noch auf den Hubraum

Die knauserigen Fünf- und Sechszylinder-Turbodieseltypen 300 SD/SDL blieben zwar amerikanischen Kunden vorbehalten (zeitweise wurden dort 80 Prozent aller Mercedes als Diesel ausgeliefert), aber auch die Sechszylinder-Benziner verblüfften in den aerodynamisch ausgefeilten und leichten Karossen durch Effizienz. So war der nur 1,5 Tonnen wiegende 280 S sogar sparsamer als der kompakte Mittelklasse-Mercedes 280 (W123). Das V8-Programm begann mit den Modellen 350 SE bzw. ab 1985 mit dem 420 SE, wobei die Typencodes damals noch auf den Hubraum verwiesen. Mit der Aura des mystischen Vorkriegs-Kompressortyps 500 K behaftet war der "Fünfhunderter", der jedoch 1985 durch den 560 SEL übertroffen wurde. Erst damit fand der überstarke 6,9-Liter-Benz der Baureihe W116 einen echten Nachfolger. Vor allem aber war die S-Klasse vorbereitet auf den kommenden V12-Superstar im BMW 7er.

Damit genug an Highlights? Noch nicht ganz, denn die 13 Jahre lang gebaute S-Klasse verdankt ihren Verkaufserfolg auch Besonderheiten wie einer spektakulären Langlebigkeit, die Laufleistungen von einer halben Million normal wirken ließ. Hinzu kamen ständig neue Sicherheitsfeatures wie zwei Frontairbags, Gurtstraffer und -bringer oder die elektronische Traktionskontrolle. Bloß kein Stillstand, denn dieser Mercedes sollte bis zum Schluss Referenz bleiben. (SP-X)

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