Die Serie der schlechten Nachrichten für Daimler und seinen neuen Vorstandschef Ola Källenius reißt nicht ab. Zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Wochen muss der Autobauer seine Erwartungen für 2019 nach unten korrigieren. Die Verkaufszahlen bleiben mau, die diversen Probleme unter anderem mit dem Diesel, die den Konzern schon lange plagen, werden nun wohl noch viel teurer als gedacht. Daimler legt weitere Milliarden auf die hohe Kante, um sich gegen Risiken zu wappnen. Und das hat Folgen: Im operativen Geschäft wird am Ende des Jahres noch weniger Gewinn übrig bleiben als 2018, wie Daimler am Freitag ankündigte.
Eigentlich hätten Källenius und sein ebenfalls neuer Finanzchef Harald Wilhelm die Zahlen für das erste Halbjahr erst übernächste Woche verkünden sollen. So schlecht, wie die Zwischenbilanz nun ausfiel, konnte Daimler so lange allerdings nicht warten. Ein Verlust von 1,6 Milliarden Euro steht im zweiten Quartal nach vorläufigen Zahlen im operativen Geschäft zu Buche. Damit liege man "signifikant unter den Markterwartungen", teilte Daimler mit. Entsprechend schockiert reagierte die Börse am Freitag.
Für Källenius könnte zum Einstieg kaum noch mehr zusammenkommen. Schon im Juni hatte Daimler einen hohen dreistelligen Millionenbetrag zurückgelegt, um für die Folgen des Dieselskandals gewappnet zu sein. Der Autobauer muss Hunderttausende Mercedes-Fahrzeuge zurückrufen und nachbessern, weil darin nach Auffassung der Behörden die Steuerung der Abgasreinigung manipuliert wurde. Daimler sieht das nicht so, kooperiert nach eigenen Angaben aber mit den Behörden.
Viele Verfahren offen
Nun sollen noch einmal ganze 1,6 Milliarden Euro dazukommen - "im Zusammenhang mit laufenden behördlichen und gerichtlichen Verfahren und Maßnahmen betreffend Mercedes-Benz Dieselfahrzeuge in verschiedenen Regionen", wie es in der Mitteilung hieß. Details wollte Daimler nicht nennen. Gegen den Konzern läuft abgesehen von strafrechtlichen Ermittlungen gegen einzelne Mitarbeiter noch ein sogenanntes Ordnungswidrigkeitenverfahren, das mit einer hohen Geldbuße enden könnte. Dort sei aber noch kein Ende absehbar, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Freitag. Zudem ist immer noch offen, ob und, wenn ja, welche finanziellen Folgen die Manipulationsvorwürfe in den USA haben werden.
Ein erweiterter Rückruf von Takata-Airbags schlägt einigermaßen überraschend mit einer weiteren zusätzlichen Milliarde zu Buche. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer spricht insgesamt von "hausgemachten Problemen" beim Stuttgarter Autobauer. "Die Konjunktur ist ja noch gar nicht eingepreist", sagte er.
Sorge müsse vor allem die Entwicklung der Van-Sparte bereiten, die offensichtlich größere Probleme habe, betonte Dudenhöffer. Zwei Milliarden Euro Verlust im operativen Geschäft hat der Bereich im zweiten Quartal angehäuft. "Das ist eigentlich ein kleiner Geschäftsbereich und der haut ihnen die größten Verluste rein", sagte Dudenhöffer.
"Überprüfung des Produktportfolios"
Was genau möglicherweise schief läuft bei den Vans, erklärte Daimler am Freitag nicht, sprach aber von einer "Überprüfung und Priorisierung des Produktportfolios" in der Sparte, die rund 500 Millionen Euro koste. Details sind unklar, naheliegend ist aber, dass es dabei zumindest auch um die X-Klasse geht. Schon im Frühjahr hatte der damalige Finanzchef Bodo Uebber eingeräumt, dass das Geschäft mit den erst 2017 eingeführten Pick-ups nicht so läuft wie gedacht und Daimler deshalb auf einen der zwei Produktionsstandorte - den in Südamerika - verzichtet.
Ausgleichen kann Daimler diese hohen finanziellen Belastungen derzeit kaum. Das Kerngeschäft mit Mercedes-Benz-Autos läuft weiter schleppend. Mit rund 1,13 Millionen ausgelieferten Fahrzeugen im ersten Halbjahr liegt Daimler immer noch einigermaßen deutlich unter den Zahlen des Vorjahres. Weltweit ist die Konjunktur erlahmt. Dazu kommt, dass der Stuttgarter Autobauer vor allem die neuen Modellversionen seiner als sichere Bank geltenden SUV derzeit nicht schnell genug auf den Markt bekommt. Außerdem kosten die Entwicklung der neuen Elektroautos und die Forschung zum autonomen Fahren viel Geld. Auch der bereits laufende Konzernumbau ist teuer.
Schwere Zeiten für Källenius
Schwere Schelte von den Investoren ist Källenius und Wilhelm damit sicher. Eine Umsatzrendite von drei bis fünf Prozent, die Daimler jetzt im Kernbereich Mercedes-Benz erwartet, ist gerade einmal die Hälfte dessen, was sich der Konzern langfristig vorgenommen hat. Der Wert gibt den Anteil vom operativen Gewinn am Umsatz an.
Nach 14,3 Milliarden Euro 2017 war das Ergebnis vor Zinsen und Steuern 2018 um mehr als ein Fünftel eingebrochen. Damit waren es zwar immer noch gut 11,1 Milliarden Euro, Daimler verfehlte aber seine Ziele. "Damit können und wollen wir nicht zufrieden sein", hatte Källenius' Vorgänger Dieter Zetsche gesagt und "Gegenmaßnahmen" angekündigt. Wie die genau aussehen sollen, ist immer noch unklar, auch wenn mittlerweile zumindest klar ist, dass Daimler keine Jobs abbauen will. Der Druck auf Källenius, seine Pläne zu konkretisieren, dürfte nach den jüngsten schlechten Nachrichten noch wachsen.