HB ohne Filter vom 29. April 2011
präsentiert von
Datum:
29.04.2011Heute zu den Themen: Pkw-Maut – die Faktenlage, Kretschmann provoziert Autobauer, ADAC fällt beim Werkstatttest durch und AUTOHAUS IT-Symposium 2011
Steigen Sie ein in die Diskussion! Am Ende des Beitrags finden Sie den Button “Kommentare“. Klicken Sie darauf und kommentieren Sie Prof. Brachats Kommentar.
26. April – Dienstag
Pkw-Maut – die Faktenlage! Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sucht zusätzliche Mittel für den Straßenbau. Er macht sich zum eisernen Verfechter der Pkw-Maut und läuft abermals in eine Abstimmungsfalle, die an das CSU-Raucherverbot der Marke "Schüttel-Schorsch" erinnert. Fakt ist: Der Staat kassiert über die Mineralölsteuer pro Jahr 35,4 Milliarden Euro, für die Mehrwertsteuer auf den Sprit 12,6 Milliarden Euro, für die Kfz-Steuer 8,9 Milliarden Euro, für die Lkw-Maut 3,6 Milliarden Euro und für die Steuer auf die Kfz-Versicherung nochmals 3,3 Milliarden Euro. Macht in der Summe ein Einnahmepaket von 63,8 Milliarden Euro! Davon fließen ganze 17 Milliarden Euro, also weniger als ein Drittel, in den Straßenbau. Im Klartext: Die Herren Seehofer & Co. geben gut zwei Drittel der Steuerzahlungen der Autofahrer für straßenverkehrsfremde Zwecke aus. Vor allem für Rentenzahlungen!
Herr Seehofer, es fehlt Ihnen am politischen Willen, die üppig vorhandenen Mittel der Autofahrer zweckgebunden einzusetzen. Es bedarf also keiner Pkw-Maut. Wer guter Dinge war, dass über die Einführung der elektronischen Lkw-Maut 2005 jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 3,9 Milliarden Euro in den Straßenbau fließen würden, muss heute feststellen, dass die Lkw-Maut faktisch nicht zu einer adäquaten Erhöhung der Straßenbaumittel führte. Es wird jetzt von Seehofer die Notwendigkeit zusätzlicher Straßenbaumittel vorgeschoben, aber in Wirklichkeit weitere zweckfremde Geldmittel über die "Melkkuh Autofahrer" abgeschröpft. Das funktioniert nach dem Motto von Colbert, Finanzminister von Ludwig XIV: "Die Gans so lange rupfen, bis sie schreit!" Wir müssen schreien, nein brüllen!
Seehofer lässt seinen Sprecher über Ostern mitteilen: "Zusätzliche Kosten für die deutschen Autofahrer wird es nicht geben, weil die Kfz-Steuer gesenkt werden wird." Offensichtlich denkt der bayerische Landeschef an die zusätzlichen Mauteinnahmen durch ausländische Autofahrer. Im Lkw-Bereich sind diese bereits monetär dabei. Außerdem sei festgestellt, dass die Mehrheit der EU-Länder Autobahngebühren für Pkw erheben. Fakt ist: Eine Gebühr ausschließlich für ausländische Fahrzeuge verstößt gegen geltendes EU-Recht. Wenn, müssen die deutschen Steuerzahler selbige Belastung tragen. Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten juckt es natürlich, dass auch die Nachbarn aus Österreich, Schweiz, Italien und Frankreich gleichermaßen mit von der zahlenden Partie sind.
Der ADAC stellt dazu fest, dass die Verwaltungs- und Erhebungskosten jeder Form der Gebührenbewirtschaftung wesentlich mehr als fünf Prozent der erzielbaren Einnahmen betragen. Es würden die ausländischen Pkw-Mautzahlungen nicht einmal ausreichen, um die Systemkosten abzudecken. Wenn dem so ist – und der ADAC sitzt ja in der Nachbarschaft von Herrn Seehofer in München –, worin liegt dann die Chance für eine echte Mehreinnahme? Seehofer sollte besser mit gleicher Penetranz der Steuerverschwendung den Kampf ansagen. Auf diesem Feld ist von ihm allerdings nichts zu hören.
27. April – Mittwoch
Kretschmann provoziert Autobauer. Langsam kriegt der Spurwechsel im Autoland Baden-Württemberg Richtung. Der künftige grüne Ministerpräsident Kretschmann stellte die Forderung auf, Porsche & Co. sollten weniger und sparsamere Fahrzeuge bauen. Als könnte ein schwäbischer Regierungschef die Chinesen, Inder u.a. an ihren gleichberechtigten Mobilitätswünschen hindern? Die neuen "Schloss-Herren" in Stuttgart werden sehr schnell feststellen: Wer im Ländle in der Politik nicht mit Autoblut durchtränkt ist, dem wird systematisch der Hahn zugedreht. Nicht nur über Parteispenden!
Dennoch: Es ist grundsätzlich eine politische Neuausrichtung angesagt. Ökologie und Ökonomie sind keine Gegensätze mehr, sondern stehen gleichgewichtig nebeneinander und sind mit dem Prinzip Nachhaltigkeit zu kombinieren. Gesucht ist das emissionsfreie Automobil. Das ist die erste Herausforderung. Die zweite ist die Mengenverdoppelung. Es fahren gegenwärtig auf dem Planeten Erde eine Milliarde Fahrzeuge. 2030 werden es zwei Milliarden sein. Woher sollen dafür die Rohstoffe kommen? Mit welcher Energie sollen sie betrieben werden? Der dritte Aspekt liegt in den wachsenden Mobilitätszentren, den Gigantenstädten. In vielen Metropolen steht der Verkehr schon heute. Dort gilt es, grüne Mobilitätskonzepte einzuziehen.
Das ist die große Chance im Geburtsland des Automobils. Je schneller die schwäbischen Tüftler hierzu Konzepte vorlegen, desto blühender wird die Exportlandschaft für Deutschland aussehen. Ergo: Zukunftsfähigkeit schaffen! Da kann die neue Regierung zukunftsträchtige Brücken bauen und alte Seilschaften bzw. Klüngel endlich entkernen.
28. März – Donnerstag
ADAC fällt beim Werkstatttest durch. Im "HB ohne Filter" vom 25. März 2011 stellte ich das Ansinnen des ADAC vor, mit eigenen Werkstätten auf den Markt zu kommen. Die Ankündigung muss man sich nochmals auflegen: "Nach 40 Jahren ADAC-Werkstatttests gibt es nach wie vor Mängel bei technischen sowie kundenbezogenen Werkstatt-Aufträgen." Das soll nun über eigene Modellwerkstätten ein Ende haben. Sprich, der Autoclub gibt den Anspruch vor, in Technik und Kundenorientierung deutlich besser zu sein als die Branche.
Das interessiert uns natürlich. Der TÜV Rheinland, u.a. als neutrale Testorganisation erfahren, wollte es jetzt genau wissen und nahm im März/April eine ausgewählte ADAC-Modellwerkstatt in Mönchengladbach unter die Lupe. Der Name des Unternehmens kann auf ADAC-Wunsch nachgereicht werden. Tatsache ist zunächst, dass es sich in Wahrheit um ein namhaftes Abschleppunternehmen im Dienste des Münchener Vereins handelt. Offensichtlich will man hier die Angebotsleistung für seine "Abschlepp-Partner" auf einen breiteren Sockel stellen. Man muss wissen, dass der ehemalige VW-Deutschland-Vertriebschef Stefan Müller 2008 in die Geschäftsführung des ADAC wechselte.
Wie auch immer. Hier das erste Testergebnis der ADAC-Spezialstation: In beiden Untersuchungen fiel die ADAC-Werkstatt aufgrund grober Mängel bei Technik und/oder Prozessen durch. Verbaut wurden drei Mängel, die im Rahmen der Inspektion nach Herstellervorgaben hätten gefunden werden müssen. Von den drei Fehlern wurde nur jeweils einer entdeckt. Zusätzlich machten die Mechaniker eigene Fehler. Es konnten überdies Unstimmigkeiten zwischen Rechnung, Checklisten und Aussagen der Werkstattmitarbeiter nachgewiesen werden. Die Probandin des einen Tests musste mit Säugling mehr als 30 Minuten bei der Fahrzeugabholung warten. Auch der relativ hohe Preis von 277 Euro für eine kleine Inspektion fiel den Kunden negativ auf.
Positiv ist zu vermerken, dass eine Direktannahme durchgeführt wurde. Verbindliche Preise wurden genannt. Außerdem wurde eine angemessene Ersatzmobilität angeboten. Die Abläufe in der Fahrzeugannahme waren kundenorientiert und entsprachen den Erwartungen. Fazit: Es kann heute schon festgestellt werden, dass der ADAC in seinen Modellwerkstätten auch nur mit Wasser kocht. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auch in der neuen ADAC-Servicewelt deutlich auseinander!
29. April – Freitag
AUTOHAUS IT-Symposium 2011. AUTOHAUS lud zum zehnten Mal IT-Experten zum "IT-Symposium 2011" nach München ein. Nachstehend die "Blitzlichter" des Symposiums in Thesenform:
- Die Grundstimmung in der Branche hat sich grundsätzlich seit Mitte 2010 verbessert. Dabei sind deutliche Unterschiede in Ost und West auszumachen.
- In den zurückliegenden Jahren waren die Vorgaben der Hersteller mehr standardisiert. Heute muss jeder IT-Anbieter sein System, sprich seine Individualität, verkaufen.
- "Cross" wird in den VW-/Audi-Retailbetrieben und dann flächendeckend für die Handelsorganisation eingeführt. Dabei ist das DMS bei allem Wohlwollen bereits ein "altes" System. "Vaudis" über 30 Jahre alt! Zu ganz neuen Systemen liegen auch bei Cross Welten.
- Marken wie Volkswagen haben weltweit 230 verschiedene DMS im Einsatz. In Brasilien allein 70. Im Rahmen einer großen Innovationsoffensive will man diese Vielfalt reduzieren, sich konzentrieren.
- Grundsätzlich sind Schwerpunkte zu legen auf eine einheitliche Datenbasis, auf erweiterte Funktionalitäten, Komplexitätsreduzierung, Integration von Mehrmarkenhandel u.a. Veraltete Systeme und fehlende Integrationsmöglichkeiten schaffen hier für eine kundenorientierte Alltagsbewältigung bedenkliche Begrenzungen.
- Wenn Händlerverbände IT-Beratungen machen, ist jeweils deren Neutralität zu hinterfragen. Man unterscheide, ob ein IT-Programm testiert oder zertifiziert ist.
- Die verschiedenen Programme mit Herstellerempfehlung haben Vorrang. Dabei werden einzelne Module permanent erneuert.
- Hersteller wollen nach wie vor den Garantieaufwand massiv reduzieren. Garantie- und Gewährleistungen betreffen die Interessenslage der Händler. Trotz Kundenzufriedenheit! Für die Garantiebearbeitung werden derzeit – je nach Hersteller – weltweit einheitliche Garantieprogramme entwickelt. Der User braucht für deren Nutzung ein noch größeres Know-how.
- Die Dialogannahme per iPad wird ab 2012 für alle Marken offeriert.
- Die Händler sind stark genug, Systeme weiter intelligent zu vernetzen.
- CRM hat durch die Datenschutzregelungen neue Belebung erfahren. Die eigentliche Herausforderung liegt in der praktischen Umsetzung.
- Die Schere zwischen guten IT-Anwendern und rückständigen Betrieben wird immer größer.
- Beim brancheneinheitlichen Standardkontenrahmen (SKR 51) liegen noch Wissensdefizite in der Praxis wie bei den Steuerberatern vor. Die Umstellung kostet Geld. Die Fibu-Anbieter und DMS-Anbieter müssten stärker in die weitere Entwicklung mit einbezogen werden.
Spruch der Woche:
"Nur im Widerstreit gegensätzlicher Meinungen wird die Wahrheit entdeckt." (Helvétius)
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Karl Schuler
Michael Kühn
Michael Kühn