HB ohne Filter vom 16. April 2010
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16.04.2010Heute zu den Themen: Die "Neue Heimat" Daimler/Renault/Nissan, Mu by Peugeot, Branchentarifverträge auf dem Rückmarsch und Otto Hahn zum 65. Geburtstag
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12. April – Montag
Die "Neue Heimat" Daimler/Renault/Nissan. Nach und nach findet der Ausverkauf schwäbisch-automobiler Grundsubstanzen statt. Erst ging Porsche an den niedersächsischen IG-Metall-Staatskonzern namens Volkswagen. Jetzt gibt Daimler 3,1 weitere Substanzpunkte an den französischen Volumenhersteller Renault ab. Fehlt nur noch der Verkauf von Bosch! Daimler schreibt 2009 2,6 Milliarden Euro Verlust, Nissan, seit 1999 zu Renault gehörend 1,9 Milliarden und Renault als kleinster Partner 3,1 Milliarden. Von Substanzpartnerschaft sollte man hier nicht reden. Zunächst sind das Verlustbringer unter sich. Trotz anderweitiger Partnersuche – VW, BMW, Fiat und Toyota – blieb am Ende für Daimler-Konzernchef Zetsche nur Renault übrig. Die bislang gescheiterten milliardenschweren Verbindungen mit Hyundai, Mitsubishi und Chrysler seien aufgerufen. Allerdings, der Gedanke der Kooperation ist sowohl für die Zukunft des Automobilindustrie wie für das Kfz-Gewerbe nicht ohne.
Daimler ist in Wahrheit aus Kostengründen nicht mehr in der Lage, eine wirtschaftliche A- und B-Klasse zu produzieren. Man muss den Zweisitzer von Smart gleich mit ins Boot nehmen, der zwar immer mal wieder etwas aktualisiert wurde, aber in seiner Grundsubstanz als klassischer Zweisitzer und Stadtauto der Zukunft seit 1998 auf dem Markt ist. Der neue Weg mit Renault soll für Smart zu einer Art Überlebensgarantie werden. 2014 soll nun im Verbund mit Renault der Nachfolger des Fortwo als Twingo-Verschnitt auf die Straße kommen. Wie eine Händlerorganisation mit einem einzigen Modell, das heute schon zwölf Jahre alt und überteuert ist, das in ganz Europa 2009 gerade noch 96.000 Käufer fand, bis 2014 überleben soll, bleibt eine offene Frage.
Im Klartext: Bei Daimler sind für die unteren Modellklassen die Produktions- und Entwicklungskosten zu hoch. Offensichtlich werden immer mehr Mercedes-Modelle nicht mehr im Schwabenland vom Band rollen. Da fallen einem Standorte wie Tuscaloosa, Kecskemet oder Peking ein. Es sollte aber die weitere Feststellung gleichermaßen faktisch unterstrichen werden, dass der Mercedes Car Group um Dieter Zetsche und seinen Entwicklern bei Smart in Sachen Stadtauto seit zwölf Jahren nichts Neues einfällt. Es gleicht einem Irrglauben, dass die neuerliche Not-Partnerschaft mit Renault die große Lösung für Smart schaffen wird. Als Konzernchef Zetsche im März 2006 den viersitzigen smart Forfour aus dem Rennen nahm, schrieb man mit Smart schon kräftig rote Zahlen. In Summe hat die Marke seit 1998 noch nie eine schwarze Zahl gesehen.
Was sagt das? Es gibt inzwischen genügend andere Hersteller, die das Kleinst- und Kleinwagensegment wirkungsvoll belegt haben. Die wirtschaftlich konsequenteste Lösung wäre die, wenn einem nach zwölf Jahren nichts mehr einfällt, die Marke einzustellen. Man sollte dann in Erinnerung an innovativere Zeiten im Zubehörshop Hayeks Swatch-Uhren verkaufen! Daimler hat es weltweit nicht geschafft, aus dem Smart das Stadtauto der Zukunft zu kreieren. Bis heute dürfen immer noch nicht zwei Miniautos auf einem öffentlichen Parkplatz stehen. Das zeigt zugleich einen politischen Widerspruch auf. Auf der einen Seite will man umweltfreundliche kleine (Elektro-) Autos für die City und auf der anderen Seite wollen die Stadtväter volle Kassen über die Parkgebühren machen.
Zurück zu Daimler: Der VW-Konzern oder auch Renault/Nissan haben vorgemacht, wie trotz engem Markenverbund die Markenidentität gelingen kann. Gerade in Sachen Marketing ist bereits eine ansprechende Neuausrichtung von Daimler aktuell sichtbar. Premiumanspruch, Premiuminhalte und Premiumpreise, so lautet dennoch die große Herausforderung. Premiumhersteller brauchen für die Zukunft Premium-Verbündete. Daimler-Renault, das neue "premium verum"?
13. April – Dienstag
Mu by Peugeot. Peugeot ist im Rahmen seiner 200-jährigen Firmengeschichte dabei, die Marke neu aufzustellen. Darüber steht der neue Marken-Claim: "Motion & Emotion". Weltweit werden die neuen Werbeauftritte mit einem einheitlichen Sound versehen. Das Peugeot-Blau erhält ein neues, dunkleres Blau. Das Löwen-Logo wurde neu aufgeladen. Selbst eine eigene Peugeot-Typografie wurde eigens entwickelt. Einmalig! Zur Evolutionsstrategie, die Thomas Bauch, Geschäftsführer von Peugeot Deutschland, im Rahmen einer sehr ansprechend gestalteten Händlertagung anlässlich der AMI in Leipzig präsentierte, gehörte auch das Mobilitätskonzept "Mu by Peugeot".
Hintergrund der Überlegung ist die Tatsache, dass ein Automobil mit einer Fahrleistung bis zu 10.000 Kilometern pro Jahr unwirtschaftlich ist. Alternative Mobilitätskonzepte sind gefragt. Eben, von Carsharing bis zu…. Ab 1. Mai 2010 wird Peugeot in Berlin ein Konzept für die unterschiedlichen Mobilitätsdienste, vom Pkw, Nutzfahrzeug, Motorroller und Fahrrad offerieren. Dazu gibt es für den Kunden ein online aufladbares Prepaid-Konto. Ob ein Auto übers Wochenende, ein Fahrrad für den Ausflug, ein Nutzfahrzeug für den Umzug oder ein Navi-System für den Urlaub, im Rahmen von "Mu by Peugeot" ist alles buchbar. Hinzu kommt die Offerte von Partnerdiensten wie die Buchung eines Flug- oder Bahntickets oder die Reservierung eines Hotelzimmers über eine Reiseplattform.
Ziel ist damit, die Kundenbindung zu erhöhen. Einmalig an der neuen Offerte: Der Automobilhandel ist aktiv in die Umsetzung eingebunden. Damit gelingt es, neue Kunden ins Autohaus zu "transportieren". Tatsache ist: Peugeot setzt als erster Hersteller aktive Mobilitätszeichen unter aktiver Einbindung des Automobilhandels!
15. April – Donnerstag
Branchentarifverträge auf dem Rückmarsch. 2009 arbeiteten nur noch 52 Prozent der Beschäftigten in Betrieben, für die ein Branchentarifvertrag galt, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Allerdings orientieren sich weitere 20 Prozent der Unternehmen am jeweiligen Branchentarifvertrag. Zahlreiche Arbeitgeberverbände, sprich Kfz-Innungen, haben ihren Mitgliedsbetrieben ermöglicht, den Branchentarifvertrag nicht anzuwenden. Die Zahl der so genannten OT-Mitgliedschaften (ohne Tarifbindung) ist auch im Kfz-Gewerbe deutlich gestiegen. Es gelten damit die gesetzlichen Mindeststandards. 24 Tage Jahresurlaub, Samstagarbeit möglich, 42-Stunden-Woche etc. In einigen Bereichen wurden allerdings Rahmenvereinbarungen getroffen, die innerbetrieblich konkretisiert werden können. Damit können die Höhe von Löhnen an die wirtschaftlichen Verhältnisse der Firmen gekoppelt werden. Das ist die gute und vernünftige Seite der Regelung.
Manche senken aber die Löhne in einem Maße ab, dass die Tür des Niedriglohnsektors weit aufgeschlagen wird. Die Branche muss sich allerdings im Klaren sein, das eine Lohndrift nach unten alles andere als qualifizierten Nachwuchs schafft. Ich war unlängst in einem großen Autohaus zu Gast, da wurde aufgrund der nun vorliegenden guten Ergebnisse 2009 rückwirkend eine Sonderprämie in Höhe von 500 Euro für jeden Mitarbeiter ausgeschüttet. Ich kenne umgekehrt im Osten der Republik einige Betriebe, in denen mehr und mehr Vollzeitbeschäftigte von Armut bedroht sind. Wir reden von Stundenlöhnen von 6,50 Euro. Als armutsgefährdet gilt, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens leben muss. Wundert einen dabei, dass die Schwarzarbeit bei automobilen Wartungs- und Reparaturarbeiten in Deutschland 20 Prozent ausmacht?
16. April – Freitag
Otto Hahn zum 65. Geburtstag. Am 28. März stand für den Ehrenpräsident des baden-württembergischen Kraftfahrzeuggewerbes, Otto Hahn, ein gewichtiges persönliches Datum auf der Agenda. Wer fünf Jahre zurückblickt und seinen großen Geburtstagsempfang in seinem Hauptbetrieb in Fellbach mit Ehrengast Manfred Rommel in sich aufleben lässt, wird nunmehr sehr nachdenklich berührt. Was dem großartigen Menschen Otto Hahn seither persönlich, vor allem gesundheitlich widerfahren ist, lässt einen mit dem Schicksal hadern. Ein anderer verliert dabei gar seinen Glauben bzw. den Glauben an eine Gerechtigkeit. Noch im Januar telefonierten wir miteinander und wollten uns in Kürze zu einem guten "Viertele" im unterfränkischen Iphofen treffen. Nachdem er nicht nur Automobilhändler, sondern selbst im "Wengert", also im eigenen Weinberg arbeitete, verkörperte er zu gesunden Zeiten allzeit die hohe schwäbische Weinkultur. "Aus den Reben fließt das Leben!" Es kam bei ihm alles aus tiefem Herzen. So meinte er, dass er im vergangenen Jahr gut 80 Prozent seiner ganzen Zeit ans Krankenhausbett angebunden war. Und das mit seinem Naturell!
Als in seinem VW-Betrieb am 11. März 2009 der Amokläufer aus Winnenden einen Verkäufer und einen Kunden erschoss, erzählte er mir bei einem persönlichen Treffen im Nachgang viele komplexe, menschliche Zusammenhänge, die mit diesem tragischen Ereignis verbunden waren und sind. Im Herbst begegneten wir uns bei einer Versammlung "seiner Innung" in Filderstadt. Er, mit Stock!
Otto Hahn war als größter Stuttgarter VW-, Audi- und Porsche-Händler von 1976 an in zahlreichen Ehrenämtern an erster Stelle aktiv. Dabei ragten das Präsidentenamt des baden-württembergischen Kraftfahrzeuggewerbes (1991 bis 2008) sowie die Position des jahrelangen Sprecher des deutschen Kfz-Handels und ZDK-Vizepräsidenten besonders hervor. Er engagierte sich bei der "Nürnberger", bei der "DAT", an der BFC in Calw, saß im Beitrat des Institut für Automobilwirtschaft (IfA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen, wo er zugleich immer wieder bei den Examensfeiern in unnachahmlicher Weise den ZDK-Preis an den besten Studierenden überreichte. Der Jubilar ist Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande wie auch der höchsten Auszeichnung des ZDK, der Ehrennadel in Gold. Selbstredend, dass sein Heimatverband ihn zum Abschied aus dem Amte zum Ehrenpräsidenten machte.
Otto Hahn besticht rundherum durch seine Menschlichkeit. Wenn einer liebenswerten schwäbischen Liberalismus lebt und verbreitet, dann er. Seine außerordentliche Großzügigkeit ist stets von hoher Herzensqualität. Er hat nie einen ob seines Standpunktes verurteilt. Im Gegenteil, er wirkte im Hintergrund immer wieder als einlenkender Brückenbauer und Vermittler. Wenn einer vorgelebt hat, was Güte heißt und meint, dann war er es. Es soll andere geben, die das auszunutzen und zu missbrauchen wissen. So führte er auf verschiedenen Ebenen manche Kämpfe für das Kfz-Gewerbe und den Automobilhandel. Eigentlich hätte er einen Ruhestand von besonderer Klasse verdient, als Winzer, als Jäger, als Firmenbeirat, als Opa und als wunderbarer Mensch für uns alle. Wir wünschen ihm zuerst Gesundheit und verbinden das mit den besten Genesungswünschen nach Allensbach. Wir sagen von Herzen Dank und großen Respekt für sein außerordentliches Wirken.
Spruch der Woche:
"Was ist der Unterschied zwischen dem 1. FC Köln und Karstadt? Beide sind finanziell mau, aber Karstadt hat die bessere Sportabteilung." (ein Sportmoderator)
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
E.Kühlwetter (wallibelli)
Hubertus P. Mayerhofer
Karl Schuler
Gunar Fortwängler
H.v. Bödefeld
wessendorf